0.) Wenn Politiker mit ihren hohlen Wahlsprüchen = Wahlversprechen / Wahlplakaten langweilen, treten TIERE als Volltreffer auf. Neuestes Film-Beispiel für diese Woche: Golden Retriever Shocked by a Kitten OCCUPYING his bed. Es wird aller-höchste Zeit, endlich wieder die wahren Pfoten des Lebens augenzwinkernd-beglückend in Augenschein zu nehmen:
1.) AUS BRILLANTER LITERATUR ENTSTEHT EIN BEACHTLICHER KINOFILM. Titel = „SCHACHNOVELLE“. Von PHILIPP STÖLZL. Nach der gleichnamigen Novelle des österreichischen Schriftstellers STEFAN ZWEIG (geboren am 28. November 1881 in Wien; gestorben am 23. Februar 1942 in Petrópolis, Bundesstaat Rio de Janeiro, Brasilien). Diese Novelle schrieb Stefan Zweig zwischen 1938 und 1941 im brasilianischen Exil, und sie ist sein letztes und zugleich bekanntestes Werk. Die Erstausgabe erschien posthum am 7. Dezember 1942 in Buenos Aires in einer limitierten Auflage von 300 Exemplaren. In Europa wurde das rund 90seitige Werk im Dezember 1943 im Stockholmer Exilverlag von Gottfried Bermann Fischer verlegt. 1944 erschien in New York die erste Übersetzung ins Englische. In Deutschland hat sich seit dem Erscheinen der Taschenbuchausgabe 1974 zu einem Dauerbestseller entwickelt. Mittlerweile wurden weit über 1,2 Millionen Exemplare verkauft. Credits: D/Österreich 2019/2020; Drehbuch: Eldar Grigorian; 112 Minuten.
Der Film ist ein Gewinn. Grund: Der Hauptdarsteller OLIVER MASUCCI, zuletzt stark aufgefallen als Rainer Werner Fassbinder in „Enfant Terrible“ (s. Kino-KRITIK), ist hier ein wahrer Gigant. Solch eine empathische, darstellerisch-prächtige Charakter-Figur brennt sich im Kopf des begeisterten Zusehers stark ein. Hört sich kitschig an?: Na und! Beziehungsweise?: Wenn schon! Das Ergebnis zählt.
Denn: Was für eine deutsche Literaturfilmsaison. Sprich – nach neulich „Fabian“/Erich Kästner (s. Kino-KRITIK) und „Felix Krull“/Thomas Mann (s. Kino-KRITIK) nun Stefan Zweig mit seinem populären Werk „Schachnovelle“. Mit der aktuellen Thematik – was stellen Menschen an, um andere – vermeintlich „niedere Menschen“ – „klein zu kriegen“. Um sie zu entseelen. Und als Befehlsempfänger zu missbrauchen. Wien 1938. Das deutsche Nazi-Regime beginnt gerade voller gemeiner Lust und widerlich-ekelhafter Güte Österreich zu besetzen. Einzunehmen. Dort vergnügt sich gerade der jüdische Anwalt Dr. Josef Bartok auf einem Ball und will die politische „Umschichtung“ im Land nicht wahrhaben. Als dann doch, als er merkt, was sich „draußen“ tatsächlich abspielt und er sich per Schiff mit seiner Frau Anna (BIRGIT MINICHMAYR) absetzen möchte, ist es zu spät. Bartok wird verhaftet und in das vornehme Hotel Metropol, jetzt Hauptquartier der Gestapo, gebracht. Untergebracht. Die Forderung, die Anordnung an ihn lautet: Du bist Vermögensverwalter des Adels, du sollst uns den Zugang zu den Konten ermöglichen. Gestapo-Leiter Franz-Josef Böhm (übel-faszinierend ALBRECHT SCHUCH) bemüht sich hinterhältig-listig, Dr. Bartok zu manipulieren. Doch der Anwalt weigert sich, mit den Nazis zu kooperieren. Deshalb wird für ihn Isolationshaft angeordnet. Einzelhaft in einem Hotelzimmer. Ohne Kontakt zu irgendjemandem, außer zum Verhörer Böhm, ohne menschlichen Austausch. Obwohl der Anwalt standhaft bleibt, beginnt er langsam Innen „aufzuweichen“. Bis ihm zufällig ein Schachbuch in die Hände fällt, so dass er für sich selbst geistige „Abwechslung“ findet. In dem er die verschiedenen Schachpartien von dort immer und immer wieder nacheifert. Mit Hilfe von Brotkügelchen. Und er zum besessenen Spieler wird. Dabei aber driftet er auch mehr und mehr ab. Dabei ist er doch ständig kämpferisch bemüht, eben nicht dem Solo-Irrsinn zu verfallen. In ein nicht mehr zu kontrollierendes, verrücktes neues Dasein. Mit den vielen Wunden und Narben. Und einem zunehmenden Geistesschwinden.
Dieser aufwühlende, packende SCHAUSPIELER-Film von Philipp Stölzl verbindet die grauenvolle Vergangenheit eines Menschen mit der – angeblich – befreienden Gegenwart. Auf einem Ozeandampfer. Die Übersiedlung von New York nach Buenos Aires zu ertragen, zu begreifen, ist für den Anwalt mehr Qual denn Freude. Die Diagnostik lautet einmal: „Schachvergiftung“. Und ob es sich wirklich um eine neue Lebensreise überhaupt handelt oder ob diese möglicherweise nur der Fantasie entspricht, also ein phantasievolles Entrinnen von den zerstörerischen Erlebnisse-„damals“ bedeutet …. wie vom Ende angedeutet …., kann jeder gedanklich für sich verwenden.
Wie aber vermag ich das literarische Spitzenwerk mit der filmischen Unterhaltungstastatur zu verbinden? Nicht etwa peinlich zu verbrüdern? Die Identitätsantwort ist der 52jährige: OLIVER MASUCCI . Dessen „Spiel“ und dessen Bewegungen als Dr. Josef Bartok finden statt mit herausragend-mitteilsamen Außenbetrachtungen wie (vor allem) mit vielen vortrefflich-verständlichen Innenäußerungen. Dieser neue Stefan Zweig-Adaption vermag er ein entsetzliches, quälerisches Absturz-Leben einzuverleiben. Gleichwohl dieses mit sehr viel Fantastisch-Psychotischem atmosphärisch winkt. Wenn die Dämonen mal wieder die Überhand besitzen.
„Schachnovelle“ oder: Kunst und Kino finden und pointieren hier beeindruckend-bitter zusammen (= 4 PÖNIs).
2.) RIDERS OF JUSTICE. Titel = „HELDEN DER WAHRSCHEINLICHKEIT“. Von ANDERS THOMAS JENSEN (B + R), einem der einflussreichsten dänischen Filmemacher. Der mehr als fünfzig Drehbücher verfasst hat und auch als Regisseur – mit Filmen wie „Adams Äpfel“ (s. Kino-KRITIK) oder „Men & Chicken“ (s. Kino-KRITIK) oder „Dänische Delikatessen“ – weit über die skandinavischen Grenzen populär wurde. (Seinen filmischen Durchbruch hatte er mit dem Kurzfilm „Wahlnacht“, für den er 1999 einen „Oscar“ verliehen bekam). Sein aktueller Spielfilm startete 2020 Zuhause mit großem Erfolg in den Kinos und hatte seine internationale Premiere als Eröffnungsfilm des Internationalen Filmfestivals Rotterdam. Bei den kürzlich vergebenen Dänischen Filmpreisen erhielt diese absurde, „drollige“, austeilende, doppelbödige Tief-Komödie mit Thriller-Geschmack insgesamt 15 Nominierungen und konnte davon vier der begehrten ‚Robert Trophäen‘ entgegennehmen. Credits: Dänemark/Schweden 2019; 116 Minuten.
Das Zielwort: „Irgendwas stimmt hier gar nicht“. Stimmt. Es könnte aber auch gelten: „Die Methode ist doch egal, das Resultat zählt“. Zeit: Gestern-Heute. Motto: Trauer-Arbeit rumort. Demzufolge möchte der gerade heimgekehrte Offizier Markus (MADS MIKKELSEN / kürzlich erst in „Der Rausch“/s. Kino-KRITIK) nur seine Ruhe haben. Will sich nur um seine Teenager-Tochter Mathilde (ANDREA HEICK GADEBERG) kümmern und den Verlust seiner Frau mit viel Bier herunterspülen. Doch dann tauchen diese drei Unglücksvögel vor seiner Haus-Tür auf: Der pedantische Mathematiker Otto (NIKOLAJ LIE KAAS / seit 2013 als Detective Inspector Carl Morck in vier Krimis nach Bestseller-Romanen von Jussi Adler-Olsen); sein nervöser Kollege Lennart (LARS BRYGMANN) sowie der exzentrische Hacker Emmenthaler (NICOLAS BRO), allesamt sichtlich vom Leben gebeutelt. Beschädigt. Allerdings haben sie eine Möglichkeit gefunden, dem Schicksal entgegenzutreten: SIE KÖNNEN RECHNEN. Präzise. Auf den Plus-Minus-Punkt detail-genau. Was aufklärerisch wirkt. Und an deren übler Herkunft eine Bande namens ‚Riders of Justice‘ zetert. Mag die Theorie des Trios auch unwahrscheinlich klingen, sie weckt die Rachlust des emotional ansonsten so sparsamen Familienvaters. Also legt die unartige Vierer-Combo los. Mit dem Recherchieren. Übt außerdem eifrig den Umgang mit automatischen Waffen und freut sich auf den Bananenkuchen, wenn das Unrecht endlich aus der Welt geschafft ist. Doch dann passiert das Natürliche, denn diesen ‚Reitern der Gerechtigkeit‘ fällt auf, dass sie verfolgt werden. Feindschaft führt zu Krieg. Also sehen die „Psychologen“, wie sie sich bezeichnen, plus Markus kontra: „Über Rollenspiele und Simulationen wird eine emotionale Reaktion erreicht“! Klar doch. Natürlich.
Was ist hier so inspirierend-hinterfotzig los? Trauer und Traumatisierung werden mit emotionaler Individualität und natürlich intensiver Ursachenforschung in Zusammenhang gebracht. Abgebremstes kurzes Etwas-Lachen. Humor taucht auf in Zusammenhang mit den üblichen Fragen nach dem Sinn des Lebens und Blödsinn vom Sterben. Der Autoren-Regisseur Anders Thomas Jensen breitet inspirierendes Erzählkino mit krachenden Haltungsmodellen aus: „Es ist eine harte Erkenntnis zu akzeptieren, dass alles um uns herum, sogar unsere eigene Existenz, vom Zufall bestimmt wird. Denn, wenn alles zufällig ist, kann man argumentieren, dass alles auch irrelevant ist. Und irrelevant ist nicht weit von bedeutungslos entfernt. Aber vielleicht ist ja gar nicht alles zufällig“, tut der Autoren-Regisseur im Presseheft kund. Genau. So in etwa kann man seinen turbulenten, oft ziemlich ganz schön scharf beißenden Schieß-Streifen annehmen. Schließlich – es muss alles raus, heißt es irgendwann irgendwo an einer Filmstelle. Dänemark kontert grob. Was schon der Filmtitel verheißt: reizvoll (= 4 PÖNIs).
3.) TROCKEN-HART. Titel = „THE DRY – DIE LÜGEN DER VERGANGENHEIT“. Von ROBERT CONNOLLY (Co-B, Co-Produktion + R): Australien/USA 2019; nach dem gleichnamigen Roman von Jane Harper/2016; 112 Minuten. Seit 10.9.2021 im Heimkino aufzuspüren. Irgendwann holt einen die – trübe – Vergangenheit doch ein. Federal Agent Aaron Falk (ERIC BANA / „München“ von Steven Spielberg) hat vor zwei Jahrzehnten seinen australischen Heimatort Kiewarra in der Region Victoria verlassen. Nichts zieht ihn eigentlich dorthin zurück. Seit 12 Monaten hat es dort nicht mehr geregnet. Und die verheerende Dürre hat inzwischen überall Spuren hinterlassen. Belastet die Einheimischen enorm. Ein Freund aus Kindertagen, Luke, ist gestorben, deshalb hat sich Aaron doch auf den Weg dorthin gemacht. Luke soll angeblich seine Frau und sein Kind getötet haben, bevor er sich das Leben nahm. Und Falk, der nach der Beerdigung sofort wieder nach Melbourne zurückkehren wollte, wird in die polizeilichen Ermittlungen eingebunden. Muss mehr oder weniger bleiben und sieht sich mit Feindseligkeiten von Einheimischen konfrontiert. Die behaupten, dass Aaron damals in den Fall verwickelt war. Und so blicken wir mittenmal auf zwei Ereignisse: Als damals die jugendlichen Freunde um Aaron dessen Freundin Ellie (BeBe BETTENCOURT) tot auffanden, und wie heute deutlicher wird, dass die beiden Mordfälle – von einst und jetzt – miteinander in Verbindung stehen. Aaron hilft dem unerfahrenen jungen Ermittler Sergeant Raco (KEIR O’DONNELL) bei seiner Arbeit und blickt dabei des Öfteren auf die uralten Geschehnisse, die aktuell immer mehr Bedeutung bekommen.
Konventioneller, bedächtiger Kleinstadt-Thriller, der mehr atmosphärisch lebt und weniger von Action oder Duellen. ERIC BANA, auch Co-Produzent, ist in diesem Spannungsbogen exzellent besetzt(= 3 PÖNIs).
4.) TIER GEGEN MENSCH. Sowie umgekehrt. Titel = „DER VOGEL“. Von THEODORE MELFI. USA 2019; 111 Minuten. HEIMKINO: Ab 24. September 2021 bei Netflix. Das Ehepaar Lilly Maynard (MELISSA McCARTHY / „Taffe Mädels“) und Jack Maynard (CHRIS O’DOWD / „Radio Rock Revolution“). Ihr kleines Kind ist gestorben. Sie bemüht sich, „damit“ klarzukommen. Erweist sich aber als unendlich traurig, zerfahren im Verkäuferinnen-Alltag; zerstreut. Er ist in der Nervenheilanstalt untergebracht, sie räumt zu Hause auf; gibt die Babysachen her. Wir merken, diese Familie ist im Begriff, sich gerade aufzulösen. Lilly landet beim Tierarzt Dr. Larry Fine, der früher kurz vor dem Abschluss zum Psychiater war. Und aufgab, um Tierarzt zu werden (KEVIN KLINE). Möchte Lilly abwimmeln, sie aber bleibt „hartnäckig“. Um Ratschläge zu bekommen. Er jedoch, ganz der skurrile Denker und Lenker, beginnt mehr und mehr, die Probleme seiner haustierlosen „Patientin“ zu erforschen. Während Jack in der Klinik die verordneten Tabletten nicht schluckt, unter Depressionen leidet und an jedem Dienstag von seiner Frau besucht wird, von wegen: Familien-Abend. Insgesamt: Eine unleidliche Situation. Und als ob Lillys Probleme nicht schon schlimm genug wären, beginnt ein Vogel, ein kleiner schwarzer Star, der sich in ihrem Garten eingenistet hat, sie zu belästigen. Und anzugreifen. „Ich fühl mich Scheiße“: Lilly wird stinkig. Ist mehr und mehr davon besessen, den Vogel töten zu wollen: „Manche Dinge liegen außerhalb unserer Kontrolle“.
Regie führte der zweifach für einen „Oscar“ nominierte, in der Vergangenheit überwiegend als Drehbuch-Autor und Filmproduzent bekannt gewordene 50jährige Theodore Melfi. Es handelt sich nach „St. Vincent“ (2015/s. Kino-KRITIK / 4 PÖNIs) und „Hidden Figures: Unerkannte Heldinnen“ (2017/s. Kino-KRITIK / 4 1/2 PÖNIs) um seine dritte Regiearbeit bei einem Spielfilm. Das Drehbuch stammt von Matt Harris; dieses landete im Jahr 2005 auf der Black List der „besten unverfilmten Ideen Hollywoods“. Die Filmmusik komponierte, wie bei Melfis letztem Spielfilm: BENJAMIN WALLFISCH. Metapher-Stimmung: „The Starling“ ist ein melancholischer Trauer-Film, in dem ein kleiner Vogel zum resoluten Feind mutiert, weil „Mensch“ sich nicht mehr unter Kontrolle hat. Die drei menschlichen Hauptakteure können „gerade noch so“ dem Vogel bei diesem Therapie-Movie die Stirn bieten; aber schon mal: Taschentücher bereithalten (= 3 PÖNIs).
5.) TV-TIPP. Am nächsten FREITAG, 1. Oktober 2021, läuft ab 20.15 Uhr bei ZDF NEO einer der besten deutschen Spielfilme des Kinojahres 2018. Titel: „DAS SCHWEIGENDE KLASSENZIMMER“. Von LARS KRAUME. Ostdeutsche Historie. Was passierte, als sich im Herbst 1956 DDR-Schüler einer Abiturklasse in stummen Widerstand begaben. Empfehlenswert = als ein bedeutsames wie erinnerungswürdiges Plädoyer in Sachen Zivilcourage (s. Kino-KRITIK).
6.) MUSIK. Nächste Woche ist es endlich soweit – der neueste, der 26. JAMES BOND-Film = „KEINE ZEIT ZU STERBEN“ = läuft endlich in unseren Lichtspielhäusern an. Titel-Song: Von BILLIE EILISH. Ich bin in diesen Tagen auf ein Lied gestoßen, das BOND-Charme besitzt. Titel: FEELING GOOD. Wird von MICHAEL BUBLÉ gesungen. Beim Anhören „sieht“ man, vernimmt man: 007-Bilder. Ganz klar, dies ist mein LIEBLINGSSONG für diese atmosphärischen Bond-Zeiten:
Wünsche eine starke, gelungene, vergnügliche, Lust-speiende BOND-KINO-Woche.
HERZlichst: PÖNI PÖnack
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