TO ROME WITH LOVE

PÖNIs: (4/5)

„TO ROME WITH LOVE“ von und mit Woody Allen (B; D + R; USA/Italien 2011; K: Darius Khondji; M: Goffredo Gibellini; 110 Minuten; deutscher Kino-Start: 30.08.2012); viele Wege führen bekanntlich nach Rom, nun also auch die des Meisters. Nach London („Match Point“/s. Kino-KRITIK; „Scoop – Der Knüller“/s. Kino-KRITIK; „Cassandras Traum“/s. Kino-KRITIK sowie “Ich sehe den Mann deiner Träume”/s. Kino-KRITIK), Barcelona („Vicky Cristina Barcelona“/2007; s. Kino-KRITIK), Paris („Midnight in Paris“/2010; s. Kino-KRITIK) war ihm im letzten Sommer die italienische Metropole „zu Diensten“. Filmische Orientierung ist der italienisch-französische Episodenfilm „Boccaccio 70“ aus dem Jahr 1961, der von Federico Fellini, Luchino Visconti, Mario Monicelli sowie Vittorio De Sica stammt und mit u.a. Sophia Loren, Anita Ekberg („Das süße Leben“), Tomás Milián und Romy Schneider hervorragend besetzt war. Ein „provokatives“ Scharmützel zwischen Triebe und Liebe. Oder umgekehrt. Die heutige Begegnung mit Rom verheißt Sonnenschein, Postkartenmotive, Amore hier, Belcanto dort. Mit natürlich namhaften wie gut eingestellten, also offensiv gelaunten Akteuren. Vier locker verbundene Episoden „ereignen“ sich in der „Ewigen Stadt“ von heute. Vergleichsweise „Banalitäten“, wenn da nicht dieser einmalige spitzfindige Ton, dieser feinironische Blick- wie Bewegungs-Reigen wäre, wenn es nicht diese süffisante wie „lächerliche“ Szenerie eines weisen Narren gäbe, was uns alljährlich zum Staunen, Empfinden, zum Lächeln, zum Lachen, zu bringen versteht. Zum Mögen verführt. 23 Mal wurde der 76-jährige Woody Allen bisher für den „Oscar“ nominiert, viermal wurde er ihm bislang zugesprochen.

In seinem 43. eigenen Leinwand-Werk taucht er nach sechsjähriger Abstinenz (seit „Scoop“) auch selbst wieder vor der Kamera auf. Gibt einen „stinkigen“ amerikanischen Opern-Impresario im unruhigen Maestro-Ruhestand, der mit sich und dem Leben (vor dem Tod) hadert und bei seinem Rom-Besuch eine ungeheure stimmliche Begabung „unter der Dusche“ hört. Entdeckt. Sofort Feuer und Flamme ist ob wieder neuer möglicher Aktivitäten. Was sich natürlich als „etwas schwierig“ erweist, denn das stimmliche Genie ist 1.) von Beruf zufriedener Bestatter und 2.) zunächst keineswegs gewillt, seine Stimme „öffentlich“ zu machen. Ohne seine Dusche. Zudem ist Allens, also hier Jerrys Ehefrau Phyllis (hinreißend: JUDY DAVIS) keineswegs bereit, ihren neurotischen Nörgler-Gatten wieder „machen“ zu lassen. Jerry möge doch bitteschön endlich sein Rentner-Dasein akzeptieren. Doch der ist elektrisiert, schließlich entdeckt man einen neuen „Caruso“ nicht jeden Tag. Neue Abenteuer winken, das Grübeln über die menschliche Existenz und Endlichkeit wird erst einmal ausgesetzt.

Parallel befindet sich der Architekturstudent Jack (JESSE EISENBERG) in emotionalen Turbulenzen. Zwar ist er „gut liiert“ mit der schönen blonden Sally (GRETA GERWIG), doch als deren kapriziöse Freundin Monica auftaucht (ELLEN PAGE), beginnt er trockenkomisch „zu taumeln“. Was auch sein Zufallsmentor, der in die Jahre gekommene US-Star-Architekt John (ALEC BALDWIN), listig doppeldeutig zu kommentieren weiß. John selbst aber hat mit und in Rom noch eine emotionale Rechnung aus der Jugendzeit – endlich – zu begleichen. Von wegen endlichem Seelenheil.

Derweil muss aber auch von Leopoldo Pisanello berichtet werden. Leopoldo Pisanello ist ein völlig stinknormaler, „grauer“ Römer. Der typische Durchschnittsrömer. Grauer Anzug, graues Auftreten, graues Da-Sein. Marke Büro-/Buchhaltertyp. An Leopoldo Pisanello ist nun wirklich nichts Besonderes. Dran. Tag für Tag immer die gleichen Rituale, das Frühstücken, das häusliche familiäre Verabschieden, der kurze Weg zum Auto, das Fahren zur Arbeit. Nichts, aber auch gar nichts Außergewöhnliches. Extravagantes. Bis „die Medien“ Leopoldo Pisanello „entdecken“. Sich plötzlich mächtig für ihn „interessieren“. Ihn „zum Star“ erklären. Was natürlich die obligatorischen Paparazzi auf den Plan ruft, die ihn fortan auf Schritt und Tritt lauthals begleiten. Um über ihn zu berichten. Ihn „zu zeigen“. Vorzuführen. Leopoldo auf allen Kanälen. Beim Zähneputzen, auf der Straße, im Büro. Im Bett. Natürlich wird er sofort überall protegiert. Jegliche Vergünstigungen und „Verlockungen“ erwarten ihn. Und gerade, als sich Leopoldo Pisanello (brillant: ROBERTO BENIGNI) daran gewöhnt hat, es akzeptiert hat, „Jemand“ in dieser überhitzten Medienwelt/Gesellschaft zu sein…

Woody Allen selbst bezeichnet SIE als Naturereignis: PENÉLOPE CRUZ, im vorigen Jahr 37, „Oscar“-Preisträgerin seit ihrer Zusammenarbeit mit Woody Allen für „Vicky Cristina Barcelona“. Als keineswegs auf den Mund gefallenes Callgirl Anna sorgt sie hier für den verführerischsten Part. Natürlich ist ein „unschuldiger Jungspund“ ihr versehentliches Opfer. Der, Antonio, wartet eigentlich auf seine Frisch-Angetraute. Die aber ist gerade aushäusig, erlebt ihre so ganz eigenen „römischen Dinge“, deshalb wird halt „Furie“ Anna zu seiner vorübergehenden Ersatz-Frau. Was für leckere Situationskomik und feine familiäre Pointen sorgt.

Nichts Dolles. Aber doll Schönes. Woody Allens köstliches Tourismus-Kino. Zum Einmal-Mehr-Sehr-Mögen. Marke „Lache Bajazzo“. Auch wenn dir gar nicht danach ist. In Anspielung an Ruggero Leoncavallos berühmte Oper „Pagliacci“ (von 1892) und dieser ewig populären Arie. Die wie ein stimmungsvoller „Hinweis“ durch und über der typisch melancholischen Woody Allen-Slapstick schwebt. „Mit dem Altern kommt die Weisheit“, meint denn auch Student Jack nach seinen Erlebnissen und Erfahrungen gegen Ende. Ach was, stakst „John“-Alec Baldwin allenhaft zurück: “Mit dem Alter kommt bloß die Erschöpfung“. Aber nicht wenn es ums Weitermachen geht. Bei Woody Allen. Der natürlich schon wieder mit seiner nächsten Produktion befasst ist. Diesmal Zuhause, also zumindest in New York-Nähe: In San Francisco. Mach‘s weiterhin, Woody: Deine alljährlichen Filme sind wie ein ganz wunderbarer Schluck bester Filmwein. Der charmige, ganz eigene Geschmack. „To Rome With Love“ ist Genuss mit Prädikat. Zum HERZlichen Vergnügen (= 4 PÖNIs).

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