MIDNIGHT IN PARIS

PÖNIs: (5/5)

„MIDNIGHT IN PARIS“ von Woody Allen (B + R; USA/Spanien 2010; K: Darius Khondji, Johanne Debas; M: Stéphane Wrembel; 94 Minuten; deutscher Kino-Start: 18.08.2011); EINTAUCHEN steht ganz groß auf meinem Zettel, und DAS genau ist es: Schon während der ersten fünf Minuten, als der New Yorker Maestro SEIN PARIS bilderstark vorstellt (Kamera: DARIUS KHONDJI/“Delicatessen“; „Panic Room“; „Chéri – Eine Komödie der Eitelkeiten“), kann man abtauchen. In diese atmosphärischen Paris-Aufnahmen UND in diese stimmungsreichen Jazz-Blues-Klänge eines Cole Porters. Die Verführung gelingt. Sofort. Über die engen Gassen, diese großzügigen Brücken, die üppigen Strassen, den „sonnigen“ Regen. Dann beginnt die Geschichte.

Amerikaner in Paris. Seinen Landsleuten hält Allen einen ziemlich „unkulturellen“ Ironie-Spiegel vor Augen: Sie sind weitgehend oberflächlich, ziemlich arrogant, allgemein dauer-meckrig. Wie dieser illustre Kreis um Gil (OWEN WILSON). Der erfolgreiche Hollywood-Autor, der sich mit seinem ersten Roman gerade schwertut, ist mit seinem energischen Zicken-Blondchen von Inez-Verlobter (RACHEL McADAMS) und deren wohlhabenden Eltern in der französischen Metropole. Wo der reaktionäre Schwiegervater in spe, der dieses liberale Leichtgewicht von Demnächst-Schwiegersohn im Grunde nicht ausstehen kann, vor einem lukrativen Geschäftsabschluss steht. Und „man“ eben, also nebenbei, dann auch schon mal HIER gleich ein wenig Urlaub „mit-machen“ kann. Während Gil von dieser Stadt und ihren klassischen Künsten und Künstlern geradezu schwärmt und sich gerne auf deren Vergangenheitsspuren begibt, wollen die Anderen „das Standardprogramm“ durchziehen. Mit Edelrestaurants und dieser „komischen“ Französischen Küche und den touristischen Pflichtbesuchen, angeführt von einem eitlen Schnösel von arrogantem, pedantischem Kotzbrocken-Intellektuellem, Alleswisser und Ex-Inez-Freund (MICHAEL SHEEN). Mit dem Gil natürlich überhaupt nicht klarkommt. Deshalb zieht er sich in seine eigene Paris-Welt zurück. Und erlebt gar Seltsames. Wenn um Mitternacht eine alte schmucke Limousine an dieser großen Treppe vorbeifährt und ihn aufliest. Um ihn in die Belle Époque-Zeit der 20er Paris-Jahre „zu bringen“. Wo er SEINE Idole aufgekratzt vorfindet: Ernest Hemingway, Cole Porter, Gertrude Stein, Salvador Dalí, F. Scott Fitzgerald oder Josephine Baker oder Luis Bunuel. Oder Picasso. Dessen Muse Adriana (MARION COTILLARD) ihm zunehmend „gefällt“. Gil beginnt sich wohlzufühlen. Wie WIR schon von Anfang an.

Die Magie einer wunderbaren, köstlich ironischen Zeitreise. Mit einem Woody Allen als phantasievollen, schmunzelnden Reiseleiter. Dessen gescheite Pointen bei Figuren und Situationen charmant wie hinreißend sind. Und wirken. Sie zu schildern, wäre fatal. DIE und DIE muss man erleben. Fühlen. Amüsiert aufnehmen. Wenn „der Fan“ seinen Künstler-Helden begegnet und DIE sich „genauso benehmen“, aufführen, wie er sich DIE vorgestellt hat. Jedoch: Nicht, um eine berühmt-berüchtigte Epoche blind oder fanatisch zu glorifizieren, sondern um sich romantische Träume zu gestatten. Wenn etwa der hormongesteuerte Hemingway einen Macho-Spruch nach dem nächsten ablässt; die pragmatische Gertrude Stein (hinreißend die monumentale „Oscar“-Lady KATHY BATES) mütterliche Ratschläge gibt und sich Gils Manuskript annimmt. Während Dalí (ADRIEN BRODY) gerne und dauernd von bizarren Nashörnern faselt, Scott Fitzgerald vollmundig bis gelangweilt am Glas hängt oder sich ein verblüffter Bunuel von Gil eine Empfehlung für eine obskure Filmstory geben lässt (Was wäre, wenn sich viele Leute in einem Raum versammeln und diesen nicht mehr zu verlassen mögen?/“Der Würgeengel“). Und … und … und … lauter feine nuancierte wie äußerst vergnügliche, pointenreiche Stationen, Situationen, Bonmots. Gil ist in seinem Element und kommt tagsüber, wieder im Heute angekommen, mehr und mehr ins Grübeln. Denn eines lehrt ihn diese allabendliche „Spezialtour“ durch die vibrierende Champagner-Historie von Paris: Dieses vermeintliche „Goldene Zeitalter“, wie es immer so lauthals tönt, kann es ja auch für ihn geben: im Heute. Im Hier und Jetzt. Ganz individuell. Ganz aktuell. Es hängt letztlich nur von ihm ab. Für was er sich entscheidet. Warum soll denn die Lebens-GEGENWART immer vergleichsweise schnöde sein??? Während „das Damals“ gerne so schwärmerisch verklärt wird??? „Paris“ existiert ständig. Weiter.

Der 75-jährige Woody Allen-Schelm schreibt und dreht weiterhin jährlich (s)einen Film. Hat „sein“ New York arbeitsmäßig verlassen und fühlt sich inzwischen – auch produktionstechnisch gesehen, also finanziell – in Europa wohl. Hier öffnet man ihm die herrlichsten Städte, damit er seine Filme weiterdrehen kann. Nach Ausflügen in England („Match Point“/s. Kino-KRITIK; „Scoop – Der Knüller“/s. Kino-KRITIK; „Cassandras Traum“/s. Kino-KRITIK + „Ich sehe den Mann deiner Träume“/s. Kino-KRITIK) und Spanien („Vicky Cristina Barcelona“; s. Kino-KRITIK) nun also Frankreich. Paris. Gegenwärtig ist er nach Rom weitergereist und dreht dort „The Bop Decameron“, wo er auch mal wieder als Mitspieler auftritt. Jetzt aber ist erst einmal „Midnight in Paris“ bei uns annonciert. Ein Geniestreich, der im Frühjahr die Filmfestspiele von Cannes eröffnete und begeistert hofiert wurde. Und selbst Zuhause nicht, wie schon einige Allen-Male, ziemlich „unbeobachtet“ blieb. Ganz im Gegenteil: „Midnight in Paris“ ist – mit rd. 47 Millionen Dollar Einnahmen – Allens auch kassenmäßig erfolgreichster Film an den USA-Kinokassen.

Ein Film zum totalen Genießen. Zum köstlichen Eintauchen. Zum unterhaltsamen Atmen. Mit viel Charme, großem Vergnügen, eleganter Träumerei. Enormer Atmosphäre. Liebevoll, leicht, sehr heiter beseelt. Also andauernd zum herrlichen Glucksen. Natürlich, weil die Protagonisten von Woody Allen so „lecker“ geführt werden. Und toll mitspielen. OWEN WILSON, dieser 42-jährige Blond-Boy, der ständig so aussieht wie ein gut aussehender kalifornischer Surfer-Junge und mit Komödien wie „Alles erlaubt – Eine Woche ohne Regeln“, „Marley & Ich“ oder „Die Hochzeits-Crasher“ zum „lustigen Hollywood-Star“ wurde, kippt hier völlig „seinen Trend“. Tritt als alter Ego von Woody Allen in einer seriösen Lockerheit und mit sensibler Bewegung auf, die verblüfft und erstaunt. Wobei ihm die Rolle als Feingeist-Amerikaner auf den Leib geschrieben scheint. Weil Woody Allen, der Drehbuch-Autor und Spielleiter, diesmal keinen melancholischen Ostküsten-Grübler benötigte sondern einen intelligenten wie entspannten Westküsten-Darling. Und DEN verkörpert Owen Wilson mit seiner jungenhaften Natürlichkeit geradezu vortrefflich. Brillant. Während drumherum ein tänzerisches, beschwingtes Ensemble offensichtlich auch einen sehr großen Mitmach-Spaß hat(te). Mit und in dieser namhaften wie lustvollen Künstler-Parade aus den „feurigen“ 20er Paris-Jahren.

Was für ein Kultur-Vergnügen allererster Gedanken- und Gefühls-Güte. Diese neueste Woody Allen-Poesie „MIDNIGHT IN PARIS“ tut RICHTIG GUT! Als großartiger Unterhaltungskunstfilm. Als ein Meisterwerk der wunderschönen, besten Leichtigkeit!

Ach so ja – mit auch Präsidenten-Gattin Carla Bruni in zwei kurzen netten Momenten als Fremdenführerin (= 5 PÖNIs).

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