ICH SEHE DEN MANN DEINER TRÄUME

PÖNIs: (4/5)

„ICH SEHE DEN MANN DEINER TRÄUME“ von Woody Allen (B + R; USA/GB 2009; K: Vilmos Zsigmond; 98 Minuten; deutscher Kino-Start: 02.12.2010); der Originaltitel des 41. Regie-Films des New Yorker Stadtneurotikers (= habe nicht nachgezählt, sondern die jetzigen Kollegen-Angaben übernommen; in Cannes sprachen sie vom bereits 44. eigenen Allen-Werk), der heuer, am 1. Dezember 2010, seinen 75. Geburtstag hat, lautet spitz „You Will Meet a Tall Dark Stranger“, ‘Du wirst einen großen dunklen Fremden treffen‘, und entstand – nach „Match Point“ (s. Kino-KRITIK), „Scoop – Der Knüller“ (s. Kino-KRITIK) sowie „Cassandras Traum“ (2005-2007; s. Kino-KRITIK) – erneut im England-Europa. Wo der passionierte Pessimist und dreifache „Oscar“-Preisträger inzwischen ebenso gerne „preiswert“ dreht wie zuvor in Spanien („Vicky Cristina Barcelona“/2008; s. Kino-KRITIK) und zuletzt in Frankreich („Midnight in Paris“, der 2011er-Film; s. Kino-KRITIK).

Mit deutscher Beteiligung, denn das New Yorker Genie hat auch das Drehbuch zu diesem Film auf einer uralten deutschen Schreibmaschine geschrieben, einer ‘Olympia‘, die er mit 16 Jahren gekauft hat, wie Allen kürzlich in der Filmsendung „Gottschalk“ dem Thomas auf „Tele 5“ verriet: „Alles, was ich jemals geschrieben habe, jeden Film, jedes Theaterstück, jede Geschichte, habe ich mit dieser Schreibmaschine geschrieben. Sie sieht immer noch aus wie neu und funktioniert perfekt“.

Wir befinden uns also wieder im bekannten, altmodischen Universum des Maestros. Wo die erwachsenen Protagonisten sich immer noch auf der Lebenssuche nach Glück, Sinn oder etwas Ähnlichem befinden. Motto: Man hält dieses Leben nur so aus, wenn man sich etwas vormacht, so Allen im Frühjahr in Cannes, wo der Film auf dem Festival erstmals lief: „Ohne Illusionen wird es unerträglich“. Darum wird hier auch eingangs Shakespeare – „Macbeth“ – süffisant zitiert: „Das Leben ist eine Geschichte voller Lärm und Wut und bedeutet nichts“.

In solch einem „witzigen“ bergmanschen Stimmungstiefumfeld in Farbe lässt Woody Allen seine prominenten Team-Player wie ANTHONY HOPKINS, JOSH BROLIN, NAOMI WATTS (gerade auch in „Fair Game“ im Kino) und ANTONIO BANDERAS auftreten. Ein in die Jahre gekommener reicher Geschäftsmann akzeptiert auf einmal sein fortgeschrittenes Alter nicht mehr, verläßt seine entsetzte Ehefrau (hinreißend sperrig-spröde-dusslig: GEMMA JONES), um mit einer jungen Call-Mieze „teuer“ anzubandeln. Seine attraktive Tochter dagegen kommt mit ihrer „Verfalls-Ehe“ mit einem Versuchs-Dichter sowie mit ihrem Money nicht mehr klar, himmelt ihren Chef an, der aber schon anderweitig emotional tätig ist. Währenddessen aktiviert jener Mittelmaß-Poet seine baggerischen Anstrengungen bei der schönen indischen Nachbarin von gegenüber, die zufällig gerade zu heiraten beabsichtigt. Die verlassene Mutti dagegen ergeht sich in allenschen „Auflösungserscheinungen“, sprich Depressionen und zieht eine „tüchtige“ Wahrsagerin zu Rate. DIE nun wird für sie zur neuen esoterischen Lebens-Muse. Dann taucht noch ein älterer Buchhändler auf, der nur „spirituelle Literatur“ verkauft und gerne mit seiner verstorbenen Ehefrau „kommuniziert“. Und DER nun wiederum an der verlassenen Lady Interesse zeigt, wenn es denn seine tote Frau „zulässt“. Doch nun möchte plötzlich ihr EX wieder zurück ins Heim; hat kostspielig und kräfteraubend eingesehen, dass sein Ausflug zur Jugend ein Fehler war.

Typisch und doch wieder wunderbar ansprechend – dieser bekannte und dennoch einmal mehr listige, komische, tragische, bissige Woody Allen-Kosmos. Man liebt sich „falsch“, man liebt sich vielleicht, entwickelt Ideen, Hoffnungen, Glauben, JETZT ENDLICH in den „richtigen Lebenslauf“ zu geraten… Pustekuchen. Oder auch nicht. Das wird fein-locker, keck-doppelbödig, sehr nuanciert wie pointiert erzählt. Vorangetrieben. Mit sehr viel Wort-Performance. Und stimmiger, stimmungsvoller Verbal-Atmosphäre. Der neue Allen ist eine burleske Spott- und Charme-Show. Mit viel persönlichem Widererkennungspotenzial. Und schmeckt wie ein alter feuriger Wein, der gut über bzw. in die Jahre gekommen ist. Mit viel Genuss-Wehmut.

Es menschelt reichlich Seelen-tiefsinnig-pur bei, mit und in dieser köstlichen neuen Woody-Allen-Spaß-Farce à la : „Neulich sagte jemand zu mir, dass ich in den Herzen meiner Landsleute weiterleben werde. Ich will aber in meinem Appartement weiterleben!“ (= 4 PÖNIs).

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