DER SCHWARZE DIAMANT

PÖNIs: (5/5)

„DER SCHWARZE DIAMANT“ von Benny Safdie und Josh Safdie (Co-B + R; USA 2018/2019; Co-B: Ronald Bronstein; K: Darius Khondji; Executive-Producer: MARTIN SCORSESE; M: Daniel Lopatin; 130 Minuten; deutscher NETFLIX-Start: 31.01.2020); dass ich einmal IHN voll begeisternd lobe für die Mitwirkung in einem neuen Spielfilm, hätte ich – eigentlich – niemals für möglich gehalten. Schließlich hat er in solch erbärmlichen „Lustspiel“-Werken wie „Waterboy – Der Typ mit dem Wasserschaden“; „Big Daddy“; 2 x „Kindsköpfe“ (s. Kino-KRITIK & s. Kino-KRITIK) oder „Chuck und Larry – Wie Feuer und Flamme“ (s. Kino-KRITIK) oder in dem Heimkino-Langweiler „Cobbler – Der Schuhmagier“ (s. Heimkino-KRITIK) herumgekaspert. Gut, einigermaßen „normal“ trat er in Streifen auf wie „Spanglish“ (s. Kino-KRITIK); „Die Wutprobe“ (mit Jack Nicholson) oder „Leg dich nicht mit Zohan an“ (s. Kino-KRITIK) auf, doch festzuhalten bleibt: ADAM SANDLER, geboren am 9. September 1966 in Brooklyn/New York City, ist mit 36 Nominierungen für die „Goldene Himbeere“ an vorderster Anti-Qualitätsfront, wobei er mit dieser nicht-begehrten Trophäe gleich neunmal bedacht wurde. Darunter sogar für „UNCUT GEMS“, also „Ungeschliffene Edelsteine“, wie „Der schwarze Diamant“ im Original heißt, und zwar für den: „Himbeeren-Erlöser-Preis“. Was zu ironisch-gemein-spöttisch ist, schließlich haben sich nicht wenige in den USA gefragt, wo der Film – im Gegensatz zu uns – erst (erfolgreich) in den Kinos lief, bevor er bei Netflix startete, wieso ADAM SANDLER hierfür nicht „Oscar“-nominiert wurde. Verdient hätte er es auf jeden Fall. Gehabt.

Sandler mimt, sensationell, eine Martin Scorsese-Figur. Der ja hier auch Mit-Produzent ist. Adam Sandler als Howard Ratner brodelt wie ein Al Pacino-Vulkan, ist unbändig wie ein dauer-„nervöser“ Robert De Niro und latent psycho-aggressiv wie Joe Pesci. Allesamt neulich so einzigartig klasse-auftretend in der Netflix-Produktion „The Irishman“ (s. Kino-KRITIK). Die hierzulande vor der Netflix-Ausstrahlung kurz im Kino präsentiert wurde. Im Gegensatz zu „Der schwarze Diamant“. Der eine große Leinwand auch bei uns bestens befüttern würde.

Howard Ratner ist ein schmieriger Edelstein-Händler im Moloch Manhattan. Dessen Hauptantrieb ist das Zocken. Ratner wettet auf alles und jeden und hat sich zur Zeit, als wir uns aufmerksam einschalten, völlig übernommen. „Du bist der nervigste Mensch, den ich je erlebt habe“, signalisiert seine Noch-Ehefrau den Ausstieg. Aus der Zweisamkeit. Von ihr, aber auch von seinen Kindern, von denen er sich längst entfremdet hat. Die Geliebte aus seinem Laden wartet schon „auf den Bindungsvollzug“. Mit „Howie“. Doch Howard ist süchtig. Nach dem großen Gewinn. Dafür foppt und lügt er permanent; täuscht er jeden, wenn es darum geht, sich für Momente aus dem Schlamassel zu befreien, spinnt er großspurig herum, versteht es aber immer noch irgendwie geschickt, sich dabei auch zu tarnen. So dass „Gegenüber“ ihm immer wieder Glaubensfunken zubilligen. Die er zugleich mit dem nächsten hitzigen Wetteinsatz austritt. Denn zum großen Ertrag hat es bei diesem Unruhestifter nie gelangt. So dass die Geldgeber zunehmend mit ihrer Geduld am Ende sind. Rabiat(er) werden. Ein Stein aus Äthiopien soll die (Wett-)Rettung bringen. Von ihm erhofft sich der abartig fidele Howard die Wende. Weg von dem 24 Stunden-Fieber. Vom Davonlaufen vor seinen Gläubigern. Endlich-Schluss mit den vielen Verbal-Schlachten, um wieder einmal den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Aber wer‘s glaubt wird … etwa doch … selig? Denn gerade läuft der letzte Wetteinsatz. Wieder geht es um ein Basketball-Spiel. Schließlich hat der hünenhafte NBA-Star Kevin Garnett (spielt sich selbst) „Lunte“ gerochen. Ist der festen Überzeugung, dass dieses Äthiopien-Juwel ihm eine magische (Gewinner-)Energie vermittelt. Zum Sieger „polt“. Und tatsächlich. Der angepeilte Deal beginnt plötzlich, nach dieser vielen Schmutz-Hektik und einem alptraumhaften Dauerlauf durch die New York-Region, bei dem Howard zwischendurch schon mal nackt im Kofferraum eines Autos landet, nach Erlösung zu stinken. Dieses eine Spiel noch. Howard am Fernseher, Garnett im direkten Einsatz auf dem Spielfeld, während die brüskierten, aufgebrachten Gläubiger hinter der Doppeltür aus kugelsicherem Glas mit der elektrischen Sicherheitsschleuse lauern. Atemlose Spannung zuhauf.

Pausen sind hier selten. Und wenn, dann nur momentweise. Ganz kurz. Ansonsten folgen wir hier einem chaotischen, renitent-„charmanten“ Nervenbündel und bestechendem Paranoiker bei seinen Rund-Um-Affären. Die immer auch nach viel Selbstzerstörung duften. Sind überwältigt von dessen irren Schlichtungsversuchen. Gepaart mit diesen geschickten, professionellen Lügen. Und handfesten, kaum noch überschaubaren „Verwicklungen“. Das ist am Anfang kaum zu ertragen. Mit diesem irritierenden Durcheinander- und Draufgequatsche. Doch das Durchhalten „und Mitmachen“ lohnt. Wenn sich bald schon dieser Adam Sandler-SOG auftut. Ausbreitet. (Übrigens, wieder mit seiner deutschen „Bond“-Stimme DIETMAR WUNDER.) Und einen packt. Mitreißt. Unfassbar überwältigt. Der exzentrische Kerl entpuppt sich als bärenstarker Charakter-Performancer, dessen Schlitzohr-Kraftakt einen in Mark & Bein festnagelt. Emotional riesig an die Birne knallt. Mit einem Auftakt, den es so im Kino noch nie gab: Erst befinden wir uns vor Ort in Äthiopien, dann im Darm von Howard Ratner. Was für ein Übergang!

SIE sind die SAFDIE-Brüder. Joshua, Jahrgang 1984, und Benjamin „Benny“, Jahrgang 1986. Aus New York City. Wir kennen sie hierzulande, denn Anfang November 2017 lief auch bei uns ihr Davor-Krimi-Drama „Good Time“ an, mit Robert Pattinson an der Rampe (s. Kino-KRITIK). Damals folgten sie den B-Spuren eines Martin Scorseses-am Anfang („Hexenkessel“), jetzt treten sie in seine rasanten Fußstapfen. Mit ADAM SANDLER. Unglaublich! „DER SCHWARZE DIAMANT“ wird von Tobias Kniebe in der „SZ“ bereits als „der Manhattan-Klassiker dieses Jahrhunderts“ tituliert. Fest steht, dieser Typen-Thriller ist schon jetzt, am Anfang des Jahres 2020, einer der besten Filme dieses Jahres. Aber gewiss doch!

„Ich bin ein beschissener Athlet“, drückt sich der sagenhaft-fiebrige Entertainer Adam Sandler/Howard Ratner einmal im Film klar aus: Fantastisch! (= 5 PÖNIs).

 

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