PÖNIs BLOG (212): RENATE KÜNAST siegt; MRS. HARRIS trägt DIOR!; Heimkino-HIT: „CAUSEWAY“; „MEINEN HASS BEKOMMT IHR NICHT“; David Cronenberg; TV-TIPPs; wenn TINA TURNER & BRYAN ADAMS live performen

A.)   Zum Ausgangspunkt, zu den Fakten  =  siehe PÖNIs BLOG 58 vom 30. 9.2019. 

Denn jetzt gibt es dazu eine gute Meldung: Renate Künast siegte vor Gericht gegen Facebook. Eile mit Weile: Facebook muss der Grünen-Politikerin Renate Künast die Daten von zehn weiteren Konten herausgeben, die sie online beleidigt haben, entscheidet das  Berliner Kammergericht. Auslöser des drei Jahre andauernden Rechtsstreits waren Kommentare, die die Politikerin u.a. als „Stück Scheiße“ und „altes grünes Dreckschwein“ bezeichneten. Künast wollte die Daten von 22 Verfassern erlangen, um zivilrechtliche Schritte einleiten zu können. Das Landgericht Berlin urteilte anfangs, die Politikerin müsse alle Beschimpfungen hinnehmen und stufte erst später sechs der Kommentare als „ehrherabsetzend“ ein. Das Kammergericht gab der Politikerin lediglich in sechs weiteren Fällen Recht. Das Bundesverfassungsgericht hob die Entscheidungen der Gerichte auf, weil sie Künast in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzten. Das Kammergericht befasste sich erneut mit dem Fall und gibt der Politikerin in allen Fällen Recht. YES.

1.)   SYMPATHISCH. Sehr angenehm. UNTERHALTSAM. Titel = „MRS. HARRIS UND EIN KLEID VON DIOR“ von Anthony Fabian (Co-B, Co-Produktion + R; Fr/GB/Ungarn 2021; Co-B: Xavier Marchand; Guillaume Benski; Jonathan Halperyn; Daniel Kresmery; das Drehbuch basiert auf dem 1958 veröffentlichten Roman „Mrs. ‚Arris Goes to Paris“ von Paul Gallico, der zuvor 1982 unter dem Titel „Ein Kleid von Dior“ mit Inge Meysel und 1992 mit Angela Lansbury in TV-Titelrollen verfilmt wurde; K: Felix Wiedemann; M: Rael Jones; 116 Minuten; deutscher Kino-Start: 10.11.2022). Auch dafür wurde KINO erfunden. Warum erwähne ich dies? Weil es sich hier um einen herrlich weniger Problem-beladenen Kinofilm handelt, der „dennoch“ prächtig amüsiert und wunderbar-emotional bezaubert. Hauptgrund: In der Titelrolle spielt die fabelhafte britische Vollblutschauspielerin LESLEY MANVILLE, 2018 u.a. nominiert für einen „Oscar“ für ihren Auftritt in „Der seidene Faden“ (s. Kino-KRITIK). An ihrer Seite bewegen sich: Leinwandlegende ISABELLE HUPPERT sowie die Charakterstars JASON ISAACS („Harry Potter“) und LAMBERT WILSON („Benedetta“).

Als ihr Blick auf eine exklusive Haute-Couture-Robe von Christian Dior fällt, ist es um Ada Harris geschehen. Eigentlich ist Mode nicht das Ding der verwitweten Frau, die sich im London der 1950er-Jahre als Haushaltskraft verdingt. Aber so etwas Schönes hat Ada noch nie gesehen. Sie beschließt, selbst ein solches Kleid besitzen zu müssen. Auch wenn dies bedeutet, dass sie noch härter arbeiten und vielleicht auch hungern und dass ein bisschen Spielglück mithelfen muss, damit sie sich ihren Traum erfüllen und die Reise nach Paris antreten kann. Doch dann ist sie dort angekommen, auf dass sie ihr Stressprogramm starten kann, Zugang zum Hause Dior zu finden. Alleine an dem lächelnd-schnippischen „Hausdrachen“ Claudine Colbert (lachhaft: Isabelle Huppert) vorbeizukommen, entwickelt sich zu einem kitzligen Prüftest. Von Beginn an setzt der Film an und gewinnt mit seiner charmanten Gefühlswelle. Was vor allem an der bewegungsfreudigen LESLEY MANVILLE liegt, die mit komödiantisch-menschlicher Herzlichkeit herumtollt. Dabei mit ironischen Verweisen wie eine amüsierte Aschenputtel-Verwandte hantiert. Um so auch „diskret“, aber vehement auf Missstände zu verweisen: wie unanständige Arbeitszustände, simple Arbeitslöhne und die üblichen Arroganz der Oberschicht gegenüber „Untergebenen“. Während Mademoiselle Natascha so langsam mitkriegt, welch eine hilfsbereite englische Fee sich hier tatsächlich eingefunden hat.

Es lebe  – Spiel, Spaß, Hartnäckigkeit, also: schöner, feiner Kino-Dampf (= 4 PÖNIs).

2.)   EINFACH GUT. Titel = „CAUSEWAY“ von Lila Neugebauer (USA 2019/2020; B: Luke Goebel; Ottessa Moshfegh; Elizabeth Sanders; Co-Produzentin: JENNIFER LAWRENCE;  K: Diego Garcia; M: Alex Somers; 92 Minuten; deutscher HEIMKINO-Apple-TV-Start: 04.11.2022). SIE IST EIN WELTSTAR! Fing dabei vergleichsweise „sanft“ an. 2010 mit „Winter’s Bone“, wofür sie sogleich mit einer „Oscar“-Nominierung belobigt wurde (s. Kino-KRITIK /4 1/2 PÖNIs). Danach lernten wir sie kämpferisch kennen in den „Die Tribute von Panem“-Schlachten. Bevor sie „seriöser“ auftrat wie in und mit filmischen Spitzenaktionen in „Silver Linings“ (2012/s. Kino-KRITIK/4 PÖNIs), wofür sie den „Oscar“ als „beste Hauptdarstellerin“ zugesprochen bekam, und in dem Filmdrama „American Hustle“ (2013/s. Kino-KRITIK/4 PÖNIs), wo sie mit einem „Goldenen Globe“ bedacht wurde und eine „Oscar“-Nominierung als „beste Nebendarstellerin“ bekam. 2014 wurde die am 15. August 1990 in Louisville, Kentucky geborene Jennifer Lawrence vom „Forbes Magazine“ auf Platz 12 der Liste der „Most Powerful Celebrities“ der Welt gesetzt. Das Magazin bezeichnete sie als „mächtigste Schauspielerin Hollywoods“. Von Juni 2014 bis Juni 2015 erzielte sie ein Jahreseinkommen von 52 Millionen US-Dollar und war damit in diesem Zeitraum die bestverdienende Schauspielerin der Welt.

Aktuell. Die Rückkehr. Nach den vielen Auftritten an der lautstarken, rebellischen Bühnenrampe kehrt sie mit einem großartigen Kammerspiel zurück. Mit außerordentlich beeindruckendem Tiefgang. „Causeway“. Ein Dammweg. Mit dem passenden Rollensatz: „Ich will da hin, wo ich von Nutzen sein kann!“. Lynsey. Eine Frontfrau in der Rehabilitation. Die Armee-Ingenieurin, die nach einer Bombenexplosion mit einer schweren Hirnverletzung aus Afghanistan in die USA zurückgekehrt ist. Während ihrer schmerzhaften, langsamen Genesung lernt sie wieder zu laufen und ihr Gedächtnis zu trainieren. Doch als sie nach New Orleans zurückkehrt, wird sie mit Erinnerungen konfrontiert, die weitaus einschneidender sind als die Erinnerungen an ihren Militäreinsatz: Eine Abrechnung mit ihrer Kindheit. In New Orleans wohnt sie bei ihrer Mutter (LINDA EMOND), zu der sie ein angespanntes Verhältnis hat. Lynsey möchte so schnell wie möglich zu ihrem Militäreinsatz zurückkehren, doch ihr Arzt (STEPHEN McKINLEY HENDERSON) ist skeptisch. Also nimmt sie vorerst einen Job als Poolreinigerin an. Als ihr Wagen eine Panne hat, lernt sie in der Werkstatt James Aucoin (BRIAN TYREE HENRY) kennen. Sie beginnen sich anzufreunden und mehr und mehr gegenseitig Trost zu spenden. Denn James verdrängt ebenfalls ein schlimmes Trauma aus der Vergangenheit.

Die aufkeimende Freundschaft dieser beiden verletzten Seelen bildet das Zentrum und das Herz dieses behutsamen Films: Der sich als leise, berührende, ermutigende Geschichte über das Aufarbeiten von Erinnerungen zeigt und zugleich unaufdringlich-nahegehend, überzeugend, vom möglichen Wiederaufstehen handelt. Ohne kitschige Happy End-Atmo. Mit zwei ganz starken, behutsamen Charakteren im Mittelpunkt. Jennifer Lawrence & BRIAN TYREE HENRY, den wir neulich erst in „Bullet Train“ erlebten (s. Kino-KRITIK), bilden ein packendes emotionales Gespann, das mit ihren Wunden und Narben klarzukommen versucht und dabei viele Seelenumwege abzufühlen hat. Dass dieser beeindruckende, sensible Film nicht erst im Kino läuft, ist schade. Für die hiesigen Arthouse-Lichtspiele wäre dies ein bedeutender Favorit gewesen (= 4 PÖNIs).

3.)   LEBENDIGES ENTSETZEN. Titel = „MEINEN HASS BEKOMMT IHR NICHT“ von Kilian Riedhof (Co-B + Co-Produzent+ R; D/Fr/Belgien 2021; Co-B: Jan Braren; Marc Blöbaum; Stéphanie Kalfon; nach dem autobiographischen Roman von Antoine Leiris; K: Manuelk Dacosse; M: Peter Hinderthür; 102 Minuten; deutscher Kino-Start: 10.11.2022). Normalerweise werden Filme „mit solchen Themen“ „andersrum“ erzählt. Verbrechen sind geschehen, die Verbrecher werden gejagt. Aufgespürt. Gekriegt. Verurteilt. Hier ist es „andersrum“. Rund eine halbe Stunde dreht der Film am Rad. Wir sehen, empfinden – eine Familie. Mit Frau, Ehemann, kleinem Kind. Wir wissen, „es“ wird gleich passieren. Und das macht einen ‚verrückt‘. Dann geschieht „es“, und wir sind traurig. Empört. Wütend. Entsetzt. Wir empfinden. Mit. Die Unruhe auf der Leinwand nimmt uns mit.

Am 13. November 2015 sieht Antoine Leiris (PIERRE DELADONCHAMPS) seine Frau Hélène (CAMÉLIA JORDANA) zum letzten Mal. Sie wird an diesem Abend mit 89 weiteren Personen im Konzertsaal Le Bataclan Opfer der Terroranschläge in Paris. Während die Welt geschockt und in tiefer Trauer versucht, eine Erklärung für das Unfassbare zu finden, postet der Witwer auf Facebook einen offenen Brief. In bewegenden Worten wendet er sich an die Attentäter und verweigert „den toten Seelen“ seinen Hass – und den seines damals 17 Monate alten Sohnes Melvil: „Freitagabend habt ihr das Leben eines außerordentlichen Wesensgeraubt, das der Liebe meines Lebens, der Mutter meines Sohnes, aber meinen Hass bekommt ihr nicht“. Der Post löst eine weltweite Welle der Anteilnahme aus und wird auf der Titelseite der Le Monde gedruckt. Erreicht viele Mitmenschen.

Antoine kämpft innerlich mit seiner Verzweiflung und jenem Hass, dem er eigentlich keinen Raum geben will. Als er begreift, wie sehr sein kleiner Sohn ihn braucht, stellt er sich der neuen Realität. KILIAN RIEDHOF, geboren am 27. April 1971 im rheinhessischen Jugenheim, drehte im Herbst 2012 seinen ersten Kinofilm, „Sein letztes Rennen“, mit Dieter Hallervorden in der Rolle eines Marathonläufers (s. Kino-KRITIK), der zu einem Erfolg an den Kinokassen avancierte (und Dieter Hallervorden beim „Deutschen Filmpreis“ die „Lola“ für die „Beste männliche Hauptrolle“ bescherte). Danach schuf er die vielbeachteten und vielfach prämierten Fernsehfilme „Der Fall Barschel“ sowie den TV-Zweiteiler „Gladbeck“. Mit „MEIN HASS BEKOMMT IHR NICHT“ gelingt ihm und seinem Team ein bedeutsames Stück Momentaufnahme eines Lebens im Ausnahmezustand; aus der sehr persönlichen Perspektive eines Vaters: „Mein Sohn und ich, wir sind stärker als alle Armeen der Welt“, schreibt Antoine Leiris in seinem Post. „Das ist unsere Hoffnung. So fragil wie lebendig“, heißt es im Statement von Kilian Riedhof. Dessen Bilder enorm schmerzen (= 4 1/2 PÖNIs).

4.)   BODY-HORROR. Titel = „CRIMES OF THE FUTURE“ von David Cronenberg (B + R; Kanada/Fr/Griechenland/GB 2021; K: Douglas Koch; M: Howard Shore; 108 Minuten; deutscher Kino-Start: 10.11.2022). Ekliger Körper-Horror. Dessen Hauptmotiv die deutlich gezeigte Zerstörung oder der Verfall eines menschlichen Körpers oder menschlicher Körper ist bzw. sind. Die Erschaffung von Kunst durch Horror. Die Spielerei mit Neo-Organen. Durch einen Spezi-Künstler. „Schmerz, Schrecken und Lust … addieren sich zu einem neuen Seinszustand“. Menschen erleiden nicht mehr Schmerz, „sind dagegen unempfindlich geworden und treiben pikante Spiele mit spitzen Gegenständen“ (aus „ZEIT“). Irgendwo lese ich auch dort sinn-leer: „Chirurgie ist der neue Sex“, „Körper ist Realität“. Der Film lief im diesjährigen Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes.

„In einer dystopischen Welt … entwickeln mehr und mehr Menschen Organe mit bislang unbekannten Fähigkeiten. Performance-Star Saul Tenser (VIGGO MORTENSEN) nutzt seine Mutationen für die Kunst: In umjubelten Avantgarde-Shows lässt er sich die neu erwachsenen Körperteile von einer Partnerin Caprice (LÉA SEYDOUX) vor Live-Publikum herausoperieren“ (aus dem Pressetext). Avantgardistische Performances. Ziemlich eklige Details, von unangenehmem Reiz (= 2 PÖNIs).

5.)   TV-TIPPs: Er war einer der Lieblingsschauspieler von Wim Wenders („Paris, Texas“), und dies war sein letzter Film, sein Abschiedsfilm vom Kino. HARRY DEAN STANTON spielte  „LUCKY“, und so hieß auch Anfang März 2018 sein Kinofilm. Was es mit DEM auf sich hat und warum DER so etwas cineastisch-besonderes war, ist nachzulesen (s. TV-KRITIK/4 1/2 PÖNIs). Heuer präsentiert ihn  3sat  an diesem SAMSTAG (12.11.) ab 23.30 Uhr; und ihn zu entdecken oder noch einmal zu erleben, lohnt sich allemal!

Am nächsten DIENSTAG (15.11.) läuft im SWR/SR ab 23 Uhr die Co-Produktion „BORGA“ (Deutschland/Ghana) aus dem Jahr 2020, die es ebenfalls zu empfehlen gilt. Auch hier gilt der Kritik-Text von damals, denn „BORGA“ feierte seine Premiere auf dem „Filmfestival MAX OPHÜLS“ und wurde dort als „Bester Film“ sowie u.a. auch mit dem „Publikumspreis Spielfilm“ ausgezeichnet. Wer nun aber ist Borga und was hat er eigentlich vor? (s. TV-KRITIK/4 PÖNIs).

6.)   MUSIK: Wie war das eigentlich, als 1985  TINA TURNER & BRYAN ADAMS  in Birmingham zusammen live – performten? Festzustellen derzeit als Lieblingsmucke der Woche:

Wünsche eine muckige Woche.

HERZlich:   PÖNI PÖnack

email:   kontakt@poenack.de

 

 

 

 

 

 

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