0.) „Wenn’s alte Jahr erfolgreich war, dann freue dich aufs neue. Und war es schlecht, ja dann erst recht“ (Albert Einstein).
1.) WENN FRAUEN KILLEN. Titel = „THE 355“. Der Titel hat irgendwie was mit einer der ersten – namenlosen – Ami-Spionin zu tun. Heißt es. Von SIMON KINBERG (Co-B; Co-Produktion + R; USA 2019/2020; Co-B: Theresa Rebeck; Co-Produktion: Jessica Chastain; 123 Minuten). Simon Kinberg ist insbesondere als Produzent und Drehbuchautor der X-Men-Filmreihe bekannt, die er seit 2005 betreut. Bei „X-Men: Dark Phoenix“ führte er erstmals 2017/2018 Regie und landete ein Desaster (s. Kino-KRITIK/1 1/2 PÖNIs). Und auch hier, mit diesem Frauen-Power-Gekille, vermag Simon David Kinberg, geboren am 2. August 1973 in London, für nur begrenztes Unterhaltungsinteresse zu sorgen. Erst bekriegen = fetzen sich fünf internationale Agentinnen-Frauen – Jessica Chastain (2013 „Golden Globe“-Auszeichnung als „Beste Hauptdarstellerin“ in „Zero Dark Thirly“); Lupita Nyong`o; Penélope Cruz; Diane Kruger sowie Fan Bingbing -, um sich „danach“, also nach einer ganzen langen Weile – zusammenzuschließen. Als weibliches Bollwerk wollen sie eine streng geheime (Festplatten-)Waffe erobern, die – in falschen Händen, wie gerade – eine Weltgefahr bedeutet. Dazu heißt es im Pressematerial, dass hier insbesondere Parallelen zu „Mission: Impossible“, „Jason Bourne“ und „James Bond“ beabsichtigt sind. Allerdings, im Gegensatz zu anderen Genrevertretern „soll die Realität des heutigen Spionagehandwerks authentisch abgebildet werden und das Team im Vordergrund stehen“. Ah ja. Verstehe. Außerdem wird darauf Wert gelegen zu erklären, dass die Ladies das Kämpfen in Absätzen und in attraktiven Kleidern geübt haben = vorab trainierten. Was auch „real“ beeindruckend-fotografiert wurde. Ansonsten aber lautet vornehmlich die Aufgabe, endlich einmal zu zeigen, zu präsentieren, dass auch das attraktive weibliche Geschlecht – an Standorten wie Paris, London, Marokko, Shanghai und Washington – enorm zu prügeln und viel zu schießen versteht. Zwischendurch wird immer mal wieder viel palavert, um den Pausen-Rhythmus einzuhalten. Bevor es dann mit der hektischen Halt-Drauf-Kamera (von Tim Maurice-Jones) weitergeht. Männer wollen hier eigentlich dominieren, erweisen sich aber vorwiegend als dämlich. Bis auf einen dynamischen Ober-Fuzzi, namens Nick (SEBASTIAN STAN), der natürlich erst zum Schluss mattgesetzt wird. Insgesamt ist diese bunte Action-Show genauso viel unlogisch wie bei Männer-Duellen und wenig plausibel sowie stark begrenzt in Unterhaltung und Erklärung. Oder umgekehrt (= 2 PÖNIs).
2.) Überflüssig. Titel = „THE KING’S MAN: THE BEGINNING“. Von MATTHEW VAUGHN (Co-B, Co-Produktion + R; GB/USA 2019; 131 Minuten). Schon zweimal flitzten sie über die Leinwände. Kinotitel Eins: „Kingsman: The Secret Service“ (s. Kino-KRITIK/ 1 1/2 PÖNIs = „Zum Langweilen blöd“/März 2015); und die Weiterführung, weil Film 1 ein überraschender Kinokassen-Erfolg war: „Kingsman: The Golden Circle“ (s. Kino-KRITIK/3 1/2 PÖNIs/Popcorn-Spektakel/September 2016). Im dritten „Kingsman“-Streich wird nun zurückgeblickt. Auf die Anfänge. Anno 1902. Als der britische Aristokrat Orlando, Duke of Oxford (RALPH FIENNES), nach der Ermordung seiner Gattin Emily (kurz: ALEXANDRA MARIA LARA) beschließt, künftig Gutes für die Menschheit zu tun und aggressiven Kriegstreibern das Handwerk zu legen. Also gründet er die – uns bekannte – Geheimorganisation und macht sich mit eifrigen Getreuen an die heftige wie humane Aufgabe, im Erste-Weltkrieg-Kosmos von 1914 mitzumischen. Wo sich dann auch Personal der Zeitgeschichte (und Filmhistorie) einfindet wie der wahnsinnige Mönch-Schwertkämpfer Rasputin (RHYS IFANS), die legendäre Tänzerin und Spionin Mata Hari (Valerie Pachner) und der deutsche Hochstapler und Magier Erik Jan Hanussen (DANIEL BRÜHL). Allerdings, wie auch alle Anderen: sowohl vom dummdreisten, lächerlichen Drehbuch wie auch von der mauen (Action-)Inszenierung werden die Mitwirkenden ziemlich alleine gelassen. Selbst Ralph „Orlando“ Fiennes mag sich hier nicht wohlgefühlt haben, so „nebensächlich“ lässt sich seine Figur anfühlen. Will sagen – dieses Prequel wirkt nur verkrampft, bemüht, ist eine überflüssige filmische Nullnummer (= 1 PÖNI).
3.) EXOTISCH. VERWUNDERLICH. POESIE IN ISLÄNDISCHEM HORROR. Das Spielfilmdebüt von VALDIMAR JOHANNSSON (Co-B + R; Island/Schweden/Polen 2020; Co-B: SJÓN; 106 Minuten). Titel = „LAMB“. SIE ist das Zugpferd. NOOMI RAPACE (auch Co-Produzentin). Bekannt und populär geworden als Lisbeth Salander in der Kino-Adaption von Stieg Larrsons Millenium-Trilogie: Verblendung/Verdammnis/ Vergebung (2009). Hier heißt sie Maria. Ist die Gattin von Ingvar (HILMIR SNAER GUONASON). Fernab der isländischen Zivilisation haben sie es sich eingerichtet. Züchten Schafe. So wie es ausschaut sind sie mit ihrem ruhigen, überschaubaren Da-Sein und mit sich zufrieden. Man hat sich in dieses einfache, mit der Natur verbundene Leben arrangiert. Maria und Ingvar benötigen in ihrem Zusammenleben nicht viele Worte. Dennoch – der Zuschauende spürt, „da ist doch was“. Aber was bloß? Wir empfinden ein Geheimnis. Irgendetwas Besonderes. Verbirgt sich doch hier. Hier IST DOCH WAS. Das sich dann auch eines Nachts offenbart. Als ein Schaf ein mysteriöses Wesen gebärt. Ein Zwitterwesen. Halb Schaf, halb Mensch. Das fortan von Maria und Ingvar wie ein eigenes Kind liebevoll im Haus aufgezogen wird, Ada heißt, und das sie mit Kindermantel ausstatten, wenn es über die Wiesen geht. Und das sie abends ins alte Kinderbett packen oder auch schon öfters mit ins warme Bett nehmen. Während „draußen“ die Schafsmutter nach ihrem Nachwuchs blökt. Inmitten einer „an sich“ friedlichen gemeinsamen Stimmung, läuft hier was Schräges. Ohne laute Kommentierung. Doch erst als Petur, der „nicht ganz koschere“ Bruder von Ingvar auftaucht (BJÖRN HLYNUR HARALDSSON), ist eine zunehmende Anspannung zu verzeichnen. Zudem vermag Petur „dieses Idyll“-hier nur mühselig akzeptieren.
Nein, der Horror, den ich in der Artikel-Überschrift signalisiere, hat nichts mit den Gedanken zu tun, die sich damit verbinden. Das Genre aus Hollywood („The Exorzist“) ist weit entfernt. Viel mehr müssen wir konstatieren – greifst du in die hiesigen Naturgeschehnisse ein, kann es spannend passieren, dass die Natur „sich wehrt“. Ihren „verabredeten“ Anteil von Teilnahme und Besitz ausreizt. Was für dich, Mensch, nicht immer von Vorteil ist. Ganz im Gegenteil. Was für ein skurriler, imposanter isländischer Heimatfilm! Mit Magie und Gefühlen scheinbar harmlos/normal, aber auch empfindsam spielend. Das isländische Kino beschert neuartige Bilder und existenziell-spöttische Gedanken. Sie können überkandidelt, sogar verrückt sein, aber eben auch bestimmend. Beim vorjährigen Cannes-Festival gab es die Auszeichnung mit dem Preis für Originalität in der „Forums“-Sektion „Un Certain Regard“ (Valdimar Jóhannsson); und beim Europäischen Filmpreis 2021 erhielten Peter Hjorth und Fredrik Nord die Auszeichnung für die „Besten visuellen Effekte“.
„LAMB“ oder: Zum neuartigen Erleben vorzüglich KINO-geeignet (= 4 PÖNIs).
4.) KÄTZISCH. Titel = „EIN GESCHENK VON BOB“. Von CHARLES MARTIN SMITH (GB 2019/2020; B: Garry Jenkins; nach dem gleichnamigen Buch von James Bowen; K: David Connell; 92 Minuten). Läuft im DVD-/Blu-ray-Heimkino seit dem 22.12.2021. Im Januar 2017 übernahm ein Kater „die Verhältnisse“ auf der Leinwand: „A STREET CAT NAMED BOB“. Hieß es im britischen Original. „BOB, DER STREUNER“ lautete bei uns der Film um Sozialisierung. Ein rotbrauner Straßenkater läutet „die Erziehung“ eines heruntergekommenen Londoner Straßenmusikers ein. James Bowen. DER dafür seinen neuen tierischen Mitbewohner zu hegen und pflegen beginnt (s. Kino-KRITIK/4 PÖNIs). Mit den zahlreichen „BOB“-Büchern und dem damaligen Kinofilm war eigentlich alles erzählt. Der heutige Dennoch-Nachfolge-Streifen, „EIN GESCHENK VON BOB“, war neulich eigentlich für das weihnachtliche Kino-Programm vorgesehen. Wurde aber kurzfristig vom Verleih entfernt, weil er doch ziemlich tränig und sentimental trieft. Die Episoden um das einstige Zusammenfinden von Kater Bob und James Bowen sind bekannt, also ausgereizt. Und die Geschichten, die der amerikanische Schauspieler, Autor und Regisseur Charles Martin Smith („Mein Freund, der Delfin“/2011/s. Kino-KRITIK/3 PÖNIs) verbindet, hauen einen nicht gerade aus dem Kinosessel. Dieser neue Bob-Streifen ist eine TV-Nachmittagsunterhaltung, bei der man mit der Fernbedienung hantiert (= 2 PÖNIs).
5.) NR.1-SCHAUSPIELERIN! Titel = „FRAU IM DUNKELN“. Von MAGGIE GYLLENHAAL (B, Co-Produktion + R; nach dem gleichnamigen Roman von Elena Ferrante/2006; USA/Griechenland 2020; K: Hélène Louvart; 122 Minuten; seit 31.12.2021 im Heimkino/Netflix). Es gibt Schauspieler*innen, die sind Götter. Sir Anthony Hopkins war kürzlich in „THE FATHER (s. Kino-KRITIK/5 PÖNIs) wieder einmal solch ein Gigant. Atemberaubend, wie er die Szenerie Seelen-stark füllte und unaufdringlich beherrschte. Die britische Schauspielerin OLIVIA COLMAN bekam 2019 für ihren Part als traumatisierte Queen Anne in „The Favourite – Intrigen und Irrsinn“ (s. Kino-KRITIK/4 1/2 PÖNIs) den „Oscar“ für die „beste weibliche Hauptrolle“. Hier begegnen wir der 47jährigen Akteurin wieder. Als Britin Leda Caruso, einer Professorin für italienische Literatur, die für ihren Arbeitsurlaub eine Ferienwohnung auf der griechischen Insel Spetses angemietet hat. Und darüber insoweit erfreut ist, weil sie zu Feriensaisonbeginn praktisch den Strand für sich alleine hat. So ist es ihr unangestrengt möglich, mit dem jungen Man von der Strandbar zu flirten (PAUL MESCAL) wie auch mit Lyle, dem Hausmeister der Ferienanlage (ED HARRIS). Dann aber ist es mit der Ferienruhe vorbei als – neben ihr – eine reichlich laute, bisweilen ziemlich vulgäre Großfamilie aus New York eine riesige Küsten-Villa bezieht. Leda könnte sich in Sachen Kontakt einbinden lassen, deutet aber an, dass sie dies nicht möchte. Doch als „denen“ die kleine Tochter wegläuft, bringt Leda sie ihnen wieder zurück. Und kommt mit der attraktiven Mutter Nina (DAKOTA JOHNSON) in Kontakt. Die Lieblingspuppe des kleinen Mädchens allerdings behält die geschiedene Leda. Sehr zum Ärger der Großfamilie. Sie hat jetzt mit Erinnerungen an ihre eigenen Kinder zu kämpfen. Die heute 23 und 25 Jahre alt sind. Und ihr meistens mehr Kummer denn Freude bereiteten. Bedeutet: Ihre Arbeit fiel Leda immer (sehr) viel leichter, als die Rolle einer Mutter zu erfüllen.
Du hast Dein Leben bestimmt. Eingerichtet. Du hast Dir dies und jenes vorgenommen. Wolltest nicht Erfüllungsgehilfin sein. Und bleiben. Doch dann „kamen“ die Kinder, beanspruchten extrem viel Aufmerksamkeit, suchten ständig die mütterliche Nähe, nervten ihre Mama oftmals unangenehm. OLIVIA COLMAN triumphiert wie neulich Anthony Hopkins. Sie beherrscht einzigartig präzise innere Ausdrücke, tief gelegene Empfindungen und unangenehm wirkende Nähe. Ihre sprechenden Blicke sind atemberaubend. Dabei klebt die Kamera von Hélène Louvart wie eine nicht wegzuleugnende Klette an ihrem Köper, direkt an ihrem Gesicht. Die Erinnerungen an ihre Kindes-Kinder fressen sie offensichtlich und heute immer noch schmerzend auf. Da sind Wunden, die wollen einfach, die können einfach nicht verschwinden. Wohlwissend, ihre einstige Absicht damals, sich das Leben so einzuteilen wie sie es mag, wie sie es wollte, schlingert eben immer noch drückend Seelen-herum. Dieser bessere Rhythmus eines so genannten freien Lebens trat nie ein. Ergebnis: Schuld mit heutigen Sühne-Emotionen. „Kinder sind eine erdrückende Verantwortung“ und bleiben es, hier jedenfalls – in Gedanken. Deshalb der Urlaub. Wo alles wieder hochkocht. Dieser ganze erdrückende Irrsinn, genannt: Leben.
Für ihr Regiedebüt-Charakter-Drama wurde die Schauspielerin, Produzentin und Autorin MAGGIE GYLLENHAAL („Crazy Heart“), Schwester von Jake Gyllenhaal, letztes Jahr beim Venedig-Festival mit dem „Silbernen Löwen“ ausgezeichnet. Zu Recht, denn mit OLIVIA COLMAN und mit einem solch hervorragenden Ensemble waren Spitzenkräfte wunderbar aktiv (= 4 1/2 PÖNIs).
6.) Abschied. Er gewann als erster afroamerikanischen Schauspieler die „Oscar“-Trophäe (1964 /“Lilien auf dem Felde“); wurde 1974 von der Queen zum Ritter geschlagen und von Barack Obama 2009 mit der „Presidential Medal of Freedom“, der höchsten zivilen Auszeichnung der USA, geehrt. Nun ist Sir Sir SIDNEY POITIER im Alter von 94 Jahren gestorben. Zu seinen bekanntesten Filmen zählen unter anderen „Flucht in Ketten“; „Rat mal, wer zum Essen kommt“ sowie „In der Hitze der Nacht“. 2002 ehrte ihn die Film Academy mit einem Ehren-„Oscar“ für sein Lebenswerk. Mit 22 Jahren sei er nach Hollywood gekommen, um eine Reise anzutreten, die damals „fast unmöglich“ erschien , sagte Sidney Poitier damals in seiner Ansprache.
Und heute ist auch der amerikanische Filmregisseur, Drehbuchautor, Filmproduzent, Schauspieler sowie Filmkritiker und Filmhistoriker PETER BOGDANOVICH im Alter von 81 Jahren gestorben. Schon sein Low-Budget-Debütfilm „Bewegliche Ziele“ schlug 1968 Wellen. Seine größten Erfolge als Regisseur feierte er Anfang der 1970er-Jahre während der Phase des New Hollywood mit den Filmen „Die letzte Vorstellung“; „Is‘ was, Doc?“ (mit Barbra Streisand) und „Paper Moon“. 1980 schuf er mit „SIE HABEN ALLE GELACHT“ (mit u.a. DOROTHY STRATTEN und AUDREY HEPBURN) eine meiner definitiven Lieblingskomödien. Über Peter Bogdanovich habe ich im Archiv einen ausführlichen Artikel gebunkert, der die Vorfälle in Zusammenhang mit „THE ALL LAUGHED“ beinhaltet (s. KRITIK). Der Dokumentarfilm „TOM PETTY and the HEARTBREAKERS: RUNNING DOWN A DREAM“ brachte ihm 2007 einen Grammy Award ein. Auch dieses Abschiednehmen fällt heute schwer.
7.) MUSIK: War gestern im Kaufladen. Hinter mir steht aufgeregt ein mitteljunger Typ und spricht mich an – hey Pönack, welcher deutsche Song war für Dich 2021 der beste? Ich drehe mich langsam um und raunze: Natürlich JAN DELAY. Kenn ick nicht, kam von hinter mir. Wat hatten der druf jehabt? Na EULE, dröhne ich zurück. Wat? N‘ Natursong? Genau. Konterte ich. Und stelle ihn deshalb – nach der Erstvorführung im BLOG 129 – nochmal vor: Diesmal mit dem Rundfunk Orchester Ehrenfeld aus der Jan Böhmermann-ZDF-Abendshow: „EULE“. Mein Lieblingssong der ersten Woche im Neuen Jahr, ein finaler Ohrwurm:
Wünsche einen funkigen GESUNDEN Jahresstart. HERZlich: Hans-Ulrich PÖNI PÖnack
kontakt@poenack.de