THE FATHER

PÖNIs: (5/5)

„THE FATHER“ von  Florian Zeller (Co-B + R; basierend auf seinem gleichnamigen Theaterstück; Co-B: Christopher Hampton; GB/Fr 2919; K: Ben Smithard; M: LUDOVICO EINAUDI; 97 Minuten; deutscher Kino-Start: 26.8.2021);

Göttlich. Verbeugungswürdig. Sir ANTHONY: THE KING. Titel = „THE FATHER“. Von FLORIAN ZELLER (Co-B + R). GB 2019; Musik: LUDOVICO EINAUDI; 98 Minuten. 5 PÖNIs! So oft passiert DAS NICHT. Wir erleben einen Schauspieler. Im KINO. Von der Leinwand herab. Und sind SO ETWAS von gigantisch eingefangen, mitgenommen, emotionalisiert, in jeder Sekunde. Wir merken, wir empfinden: Dieser Film wird sich nie „in einem“ verabschieden ebenso wie der „Zeremonienmeister“ Anthony Hopkins nicht dank seines überragenden, einzigartigen 98minütigen Glanz-Auftritts. Hört sich stickig an, ich weiß. Aber wann immer ich IHM während der Lichtspiel-Jahrzehnte begegnete, waren stets Nähe, Empathie, Aufnahmebereitschaft gegeben: Sir ANTHONY HOPKINS, geboren am 31. Dezember 1937 in Margam, Port Talbot, Glamorgan/WALES. Zweifacher „Oscar“-Preisträger als „Bester Hauptdarsteller“: für Hannibal Lecter“ in „Das Schweigen der Lämmer“/1992 sowie im Frühjahr für Anthony in „THE FATHER“. Von FLORIAN ZELLER. Der französische Schriftsteller und Dramatiker, Pariser des Jahrgangs 1979, liefert mit der Verfilmung seines eigenen Theaterstücks („Le Père“/2012) ein erstklassiges, sagenhaft faszinierendes, sagenhaft seelentief spannendes, sagenhaft porentiefes Vater-Tochter-Film-Drama ab. Für sein Regie-Debüt schrieb er gemeinsam mit dem Schriftsteller und Regisseur CHRISTOPHER HAMPTON („Gefährliche Liebschaften“) das Drehbuch, für das beide mit dem „Oscar“ für das „Beste adaptierte Drehbuch“ bedacht wurden. Insgesamt übrigens erhielt „The Father“ sechs „Oscar“-Nominierungen.

Der Aufenthaltsort: London. Wo Anthony (Anthony Hopkins), 80, ein inzwischen „geistig-wackliges“ Oldie-Dasein pflegt. Anthony wohnt in einer wunderbar geräumigen Wohnung zusammen mit seiner Tochter Anne („Oscar“-Preisträgerin OLIVIA COLMAN/„The Favourite – Intrigen und Irrsinn/2020). Als lebenserfahrener, stolzer Mann lehnt er jede Unterstützung durch eine Pflegekraft empört ab. Hat „Bewerberinnen“ rausgeekelt. Weigert sich standhaft, seine komfortable Londoner Wohnung zu verlassen. Also aufzugeben. Obwohl ihn sein Gedächtnis immer häufiger im Stich lässt, ist er davon überzeugt, auch weiterhin gut alleine zurechtzukommen. Natürlich mit der Unterstützung von Tochter Anne. Doch als Anne, die ihn seit Jahren täglich betreut, ihm mittenmal eröffnet, dass sie zu ihrem neuen Freund nach Paris ziehen wird, ist er irritiert. Zumal sich ständig zugleich plötzlich neue „Ärgernisse“ ereignen. Mit „anderen Menschen“ in der Wohnung. Die nicht nur die Besitzverhältnisse der Wohnung „merkwürdig“ erklären, sondern auch permanent „neue Umstände“ herbeiführen. In Sachen Identitäten zum Beispiel. Anthony hat Schwierigkeiten, sich mit „diesen Problemen“ abzufinden. Motto: Ist dies noch mein Dasein? Wer sind DIE? Also diejenigen? Mit denen er konfrontiert wird? Warum soll meine Wohnung plötzlich nicht mehr meine Wohnung sein? Und warum kommt Annes Schwester nicht endlich mal vorbei? Und warum behauptet auf einmal dieser Fremde im Wohnzimmer, dass ich, Anthony, hier nur Gast bin und er seit über zehn Jahren mit Anne verheiratet ist und sie hier zusammen leben? Und mich als Gast nur dulden? Was ist los? Und warum? Und wieso verändert sich auf einmal andauernd so vieles? Ungeheuerlich.

Anthony fühlt sich „unordentlich“. Reglementiert. Übertölpelt. Unverstanden. Nichts ist so, wird so, wie er es kennt. Beziehungsweise: glaubt zu kennen. Auf wen oder was ist denn überhaupt noch Verlass? Und wieso will jetzt Tochter Anne nichts (mehr) von einem Umzug nach Paris wissen? Und überhaupt – was wollen andauern diese fremden Menschen um mich herum? Wer sind DIE überhaupt? Was passiert gerade: andauernd und so falsch?

Das Wort „Demenz“ fällt in keiner Szene. Autor Florian Zeller, dessen Vorlage auf der Geschichte seiner eigenen Großmutter basiert, geht es weniger um medizinische Details, sondern um eine vollkommen neue Sichtbetrachtung: Wir erleben – über das ergreifende Spiel von ANTHONY HOPKINS – den Verlust der Wirklichkeit aus der Perspektive des Betroffenen. Denn Zellers geradlinige, punktgenaue Erzählweise führt in ein packendes, atmosphärisches Labyrinth aus Verwechslungen, Verwirrungen, Erinnerungsfacetten und Halluzinationen. Sir ANTHONY HOPKINS wird dermaßen eins mit seiner Figur Anthony, dass man sich zunächst fragt, was wohl nicht stimmen mag mit diesem doch so vitalen, kunstsinnigen Anthony-THE FATHER-Gentleman? Abgesehen von einigen gelegentlichen Blackouts? Die ja wohl in diesem Alter schon mal auftreten dürfen. Wir vernehmen seine tatsächlichen Lieblingsopern wie George Bizets „Die Perlenfischer“ oder den „Cold Song“ von Henry Purcell, und allein dies verdrängt doch jeden „Verdacht“ an etwaige Irritationen dieses Anthony. Oder? Doch Florian Zeller geht es nicht um thesenhafte Gemeinplätze. Er konzentriert sich vielmehr auf das individuelle Schicksal von Anthony, dessen Verlauf Sir ANTHONY HOPKINS mit einer beispiellos naturalistischen mimischen Entwicklung unglaublich dicht vorführt. Auf dass dieses brillante Schauspiel von Hopkins und Partnerin Colman beeindruckend echt wirkt und stark nachhallt.

„Wer genau bin ich?“: „THE FATHER“ gehört zu den besten Besten-Filmen des Kino-Jahrgangs 2021 (= 5 PÖNIs).

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