PÖNIs BLOG (103): TV-HIT: FRITZI; ENFANT TERRIBLE; JIM KNOPF 2; GOTT; BILL MURRAY; LUDOVICO EINAUDI

1.) TOLL: Titel = „FRITZI – EINE WENDEWUNDERGESCHICHTE“. Vor einem Jahr lief im Kino eine europäische Animationsperle zum 30-jährigen Mauerfall-Jubiläum an. Die Co-Produktion Deutschland/Luxemburg/Belgien/Tschechien überzeugte als großartig Trick-übersetzter brillanter politischer Unterhaltungsstreifen (s. Kino-KRITIK/4 1/2 PÖNIs). Nach dem Tatsachenroman „Fritzi war dabei. Eine Wendewundergeschichte“ von Hanna Schott, 2009 veröffentlicht. Als realitätsnahes deutsch-deutsches Geschichtsereignis. Als beeindruckendes filmisches Familienprogramm. Erstaunlich gelungen, mit imponierendem Spannungs-Charme. ARTE präsentiert das Meisterwerk am kommenden Mittwoch (7. Oktober) ab 20.15 Uhr. Die TV-Empfehlung gilt SEHR.

2.) WÜST: Titel = „ENFANT TERRIBLE“Stammt aus dem Französischen und bedeutet wörtlich: „schreckliches Kind“, sinngemäß also „Familien- oder Bürgerschreck“. Der robuste Herrscher über Kunst und Kulturpersonal heißt: RAINER WERNER FASSBINDER (*31. Mai 1945 – †10. Juni 1982). Die sagenhafte Karriere: Er wurde nur 37 Jahre alt, schuf als Regisseur, Schauspieler, Drehbuch-Autor, Produzent und Dramatiker und Komponist = über 40 Spielfilme, zwei Fernsehserien (zum Beispiel: „Acht Stunden sind kein Tag“/1972) und drei Kurzfilme. Er verfasste = 24 Theaterstücke und produzierte 4 Hörspiele. 1967, so beginnt der 135-minütige Film, stürmt er die Bühne des antiteaters in München. Übernimmt die Inszenierung. Und adoptiert gleich auch das Ensemble. Seine Tonart ist rüde („Ich bin die intensivste Beziehung, die Du jemals haben wirst“); und schnell schart der absolut undiskrete wie unmissverständlich fordernde Befehls-Typ zahlreiche Schauspielerrinnen (wie Gudrun/KATJA RIEMANN), Selbstdarsteller (Kurt Raab/HARY PRINZ) und Liebhaber um sich. Um „zu beweisen“: ICH. Fassbinder legt los. Mit einem höllischen Tempo ist er als Diktator produktiv. Wer ihm „schief“ kommt, widerspricht, eine Gegenmeinung wagt, wird zusammen-geschissen. „Ich provoziere ganz gerne. Sonst rührt sich nämlich nichts“. Und er weiß natürlich: „Die Ehe ist verlogen; darüber gehen alle meine Filme“. Um sogleich amüsiert auszuflippen: „Ihr habt alle Angst, Euch dreckig zu machen. Aber einer muss hier das Arschloch sein“. Zudem: „Vorsicht ist ein Prokurist“. Denn: „ALLES IST FILM!“. Konventionen – lächerlich. Regeln sind – was ICH sage, mache, tue. „Leute, die sich von mir abhängig machen, gehen mir auf die Nerven“.  Fassbinder polarisiert: beruflich wie privat. Natürlich kennt diese permanente Arbeitswut, die körperliche Selbstausbeutung, mit einem immer umfangreicher gierigen Drogenkonsum, keinen Stopp. Der tägliche sadomasochistische Rhythmus mit viel Alkohol und Sex – gerne auch umgekehrt – dominiert. Führt zum gigantischen Lebens- und Liebes-Dauerausrasten. Was ist DIESER Rainer Werner Fassbinder für ein Arschloch-Genie. Nach dem jetzt alle Welt tönt. Weil er doch so einen sagenhaften-  erfolgreichen – prächtigen Künstler bietet.

Wenn der Film beginnt, zeigt der Film eine Liedzeile des Chansons von Jeanne Moreau, die aus Fassbinders letztem Streifen „Querelle“ stammt: „EACH MAN KILLS THE THING HE LOVES“, seinerseits ein Zitat aus Oscar Wildes letzter „Ballade of Reading Gaol“. „ENFANT TERRIBLE“, der 15. Kinospielfilm des am 21. Januar 1959 in Starnberg geborenen Autoren-Regisseurs OSKAR ROEHLER, einst mit Filmen wie „Die Unberührbare“ begeisternd (s. Kino-KRITIK) und „Lulu & Jimi“ Spaß verbreitend (s. Kino-KRITIK) und mit „Jud Süß – Film ohne Gewissen“ auffallend (s. Kino-KRITIK), interessiert sich weniger – oder nur begrenzt –  für die Protagonisten um Fassbinder, sondern mehr für den „Inneren“, den privaten „Schmutzfinken“. Wie DER in seinem Biopic-Universum den Ton vorgibt und seine Bandbreite austobt, ist irre: vom urigen, erfolgreichen Filmemacher über den nach Liebe trunkenen Lover bis hin zum radikalen, unerbittlichen Schikanen-Häuptling. Dass dies so überragend faszinierend funktioniert, liegt am ebenso überragenden faszinierenden Auftreten von OLIVER MASUCCI, der sich – als 51-jähriger (geboren am 6. Dezember 1968 in Stuttgart) – in die jugendliche Fassbinder-Dynamik begeisternd-stürmisch hinein-seelt. Masucci, neulich in „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ (s. Kino-KRITIK) mitlaufend und 2015 den wiedergeborenen Hitler in „Er ist wieder da“ mimend (s. Kino-KRITIK), kriegt diese Mixtur aus Selbstgefälligkeit und emphatische Auswürfe auf den wahnsinnig-frohlockenden Seelenpunkt präzise hin. Er spielt nicht nur Rainer Werner Fassbinder, er ist DER. Der sein Fußvolk sadistisch schikaniert und stolz wegwirft, wenn es ihm in den Kram passt. Um sich umgehend seinen Anhängern zu widmen, die ihm vertrauen. Verehren. Die ihm folgen. „ENFANT TERRIBLE“ oder – Was für eine bärenstark-wüste Ferkel-Show (= 4 PÖNIs).

3.) AUFSTAND: Titel = „DIE MISSWAHL – DER BEGINN EINER REVOLUTION“Wir befinden uns im November 1970.  Haben diese filmische Zeit-Reise mitgemacht, weil die patentierten „Miss World“-Wahlen zu einem gigantischen Ereignis mutieren. Und die gerade anstehende Großveranstaltung mit über 100 Millionen Fernsehzuschauern rechnen darf, also als TV-Ereignis riesig vermarktet werden kann. Allerdings – Die vom US-amerikanischen Comedian BOB HOPE (GREG KINNEAR) moderierte Veranstaltung in der Londoner „Royal Albert Hall“ – „Ich habe genug von den Emanzen, die behaupten, das sei nichts als ein  Viehmarkt“ – entwickelt sich überraschend „anders“ als von den männlichen Oberen gedacht und geplant. Als Hope gerade loslegt – „Bei mir geht das bei einem Ohr rein und zum Euter wieder raus“ -, beginnen DIE EMANZEN zu rebellieren. Gegen Chauvis wie den sexistischen Veranstalter Eric Morley (RHYS IFANS/“Notting Hill“ 1999) und dessen Motto „Wenn die Maße nicht 90-60-90 sind, sitzen die Kurven nicht an den richtigen Stellen“ sowie eklige laute Sprüchetöner wie Promi Bob Hope. Haben sich in einem „Women’s Liberation Movement“ „subversiv“ zusammengefunden, um endlich gegen diese dauerhaften alljährlichen Diskriminierungen anzustreiten. Dabei bilden sie nicht die einzigen „Aufständischen“, denn die Anti-Apartheid-Bewegung mischt sich ebenfalls vehement mit politischen Forderungen ein. An diesem Abend wird es turbulent. Auch dann und gerade: beim Bestimmen „der Siegerin“.

Wenn Frauen die Beleidigungs- und männliche Vormund-Schnauze satt haben: „Nieder mit dem Patriachat“.  Davon erzählt diese clevere Basierend-auf-Tatsachen-Show. Über ein veraltetes Frauenbild, das es endlich zu reformieren gilt. Sally Alexander (KEIRA KNIGHTLEY) hat es gründlich satt, als Frau ständig benachteiligt zu werden. Zusammen mit der rebellischen JO ROBINSON (grandios: JESSIE BUCKLEY) soll die weltweite Öffentlichkeit auf die geschlechtlichen Missstände aufmerksam gemacht werden. Und zwar eben nicht mit Kontra-Flugblättern, sondern mit geharnischter aufständischerer Akustik. Lautes Motto: Frauenrechtlerinnen gegen „Fleischbeschau“. Allerdings mit Mittelteil-Längen, wenn es an pointierter Dynamik hapert und „Motive“ bisweilen etwas zu mühsam bewegt werden. Regisseurin PHILIPPA LOWTHORPE verteilt listigen Spaß ebenso wie aufrührerischen Denk-Krawall. „Der Protest war der Auslöser, um die Frauenbewegung zum Thema zu machen. DIE BEMÜHUNGEN, DAS PATRIACHAT ZU STÜRZEN, DAUERN AN“, heißt am Ende. „MISBEHAVIOUR“ (Originaltitel), also „Fehlverhalten“, eine Co-Produktion Großbritannien/Frankreich von 2019, weiß spitzzüngig-unterhaltsam zu punkten (= 3 1/2 PÖNIs).

4.) Na nö-ja: Titel = „JIM KNOPF UND DIE WILDE 13“. MICHAEL ENDE (*12.11.1929 – †28.08.1995) zählt zu den erfolgreichsten deutschen Jugendbuch-Autoren. Unter Endes Werken befinden sich auch die JIM KNOPF-Romane: „Der Lokomotivführer“ von 1960 und der Folgeband …“und die Wilde 13″ von 1962. Der erste Spielfilm, „Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer“ entstand unter der Regie von Dennis Gansel, kostete rund 25 Millionen EURO und war damit eine der teuersten deutschen Filmproduktionen. Startete in den deutschen Kinos am 29.3.2018, fand hierzulande bis Ende Mai 2020 1,9 Millionen Kinobesucher und spielte 12,4 Millionen Euro ein. Der letzte Kritik-Satz lautete Ende März 2018 bei mir: „Diese Jim Knopf-Verfilmung becirct mehr den Bauch und nicht gleichrangig den Kopf“ (s. Kino-KRITIK / 3 1/2 PÖNIs). Die Fortführung, wieder unter der Regie von Dennis Gansel, wurde ab März 2019 in Südafrika und in den Babelsberger Studios gedreht, besaß ein Budget von rund 20 Millionen Euro, benötigte davon alleine 5,7 Millionen Euro für die visuellen Effekte.

Was zu spüren ist. Will sagen – wenn wir in die Handlung eintauchen, bewegen sich dabei Gedanken, Ideen und Personen eher mäßig. Extrem kindisch. Albern. Mit Langeweile verbunden. Wenn zum Beispiel Uwe Ochsenknecht mit seiner Viertel-vor-Zwölften-King-Figur lahme Versprecher posaunt. Überhaupt: Das bekannte Personal tritt mehr behäbig denn inspirierend auf. Und wenn der inzwischen 15-jährige Jim Knopf (SOLOMON GORDON) und sein Lokführer-Freund Lukas (HENNING BAUM) sich erneut reisemäßig zusammentun, um diesmal für Lummerland einen eigenen Leuchtturm zu besorgen, darf man sich über die imponierenden Tricks und Gags freuen, zu wenig aber auch über die müde Erzählung freuen; die davon handelt, dass man diese dauernden Schiffsunglücke an der Insel-Nebelwand von Lummerland endlich stoppen will. Dafür aber Umwege benötigt. Bei denen kleine harmlose, also wenig spannende Wort- und Bildgefechte stattfinden, bis man sich endlich im Gefecht befindet. Mit den wilden 13-Piraten, die ihre ganz eigenen Abenteuer-Pläne aushebeln.

Die Tricks bereiten = bedeuten Augen-Schmaus, sind mit Drachin = „Frau Mahlzahn“ (deutsche Stimme: Judy Winter) oder den dampfenden, tönenden Lokomotive-Kumpels – Lok Emma und Baby Molly – spitzen-besetzt. Während der nicht mehr ganz so junge Jim mehr oder weniger verkrampft damit zu tun hat, seine Identität heraus zu bekommen. Wer bin ich eigentlich, wo komme ich her und wer oder was sind meine Eltern. Na ja. Dagegen zeigt der 12-fache RICK KAVANIAN als gesamtes „Wildes 13“-Team eine witzige Pointen-Offenbarung. Weil nicht künstlich hergezaubert, sondern „real“. Urig albern. Dämonisch kaspernd.
Insgesamt: Darstellerisch eher mau, in Sachen Fantasy-Spektakel visuell leuchtend; diese „Jim Knopf“-Fortsetzung mattet viel und rattert zwischendurch gehörig (= 2 1/2 PÖNIs).

5.) Humbug: Titel = „GOTT, DU KANNST EIN ARSCH SEIN“Regie: André Erkau. Der am 17. August 1968 in Dortmund geborene Autoren-Regisseur dreht Spielfilme qualitätsmäßig höchst unterschiedlich. Beispiel: 2011 kam sein arschdoofer Streifen „Arschkalt“ ins Kino (s. Kino-KRITIK / 1 PÖNI), 2017 folgte „Happy Burnout“ (s. Kino-KRITIK / 3 PÖNIs). Mit seinem neuen Leinwand-Beitrag vermag er nur gering zu punkten. Thema: Nachwuchs „hop“, Eltern flopp. HEIKE MAKATSCH und „Pfarrer“ TIL SCHWEIGER haben eine aufblühende 16-jährige Tochter namens Steffi (SINJE IRSLINGER), die unheilbar an Krebs erkrankt ist. Während die Eltern meistens herum-wuseln, tritt sie mit Zirkusartisten Steve (MAX HUBACHER), Sohn vom doofen Zirkus-Boss Jürgen Vogel, eine Reise nach Paris an. Wo ihr Schulklassen-Lover bereits wartet. Die Krankheit spielt nur eine geringe Rolle. Wenn die Erwachsenen mimen, ist es fade. Wenn der Nachwuchs ins Bild gerät, besteht etwas Interesse. Insgesamt: Kein Film fürs Kino, sondern was fürs geduldige Fernsehen. Mit vielen Pausen, äh‘ Werbeunterbrechungen.  (= 1 PÖNI).

6.) ER: Titel = „ON THE ROCKS“Ihn sehe ich immer gerne. Egal wo wie warum und überhaupt, wenn BILL MURRAY zu sehen, zu erleben ist, bin ich mit – dabei. Anfang Januar 2004 bewegte ihn die Francis Ford Coppola-Tochter SOFIA COPPOLA in dem dann viel-geschätzten, hoch-gelobten Low-Budget-KINO-Streifen „Lost in Translation“ (s. Kino-KRITIK). Thema: Zwei Fremde begegnen sich in selbiger. Fremde. Präzise: In Tokio. Ergänzung: In einem Luxus-Hotel-dort. Dabei handelte es sich eben um BILL MURRAY, der auf SCARLETT JOHANSSON traf. Nun hat ER sich nochmal auf solch ein Abenteuer-ähnliches Geschehen eingelassen. Geschrieben und inszeniert sowie coproduziert von Sofia Coppola. In New York. Wo ein Papa namens Bob Harris (Murray) auf seine erwachsene verheiratete Tochter und Mutter zweier Kinder namens Laura (RASHIDA JONES) „aufpasst“. Das ist mit den von Bill Murray präzise-stocksteif vorgebrachten Befehlen einfach wunderbar-stocksteif-lieblich. Weil ihr die filmische Aufgabe vorbehalten bleibt, ihren Erzeuger nie „anzumachen“. Gar ihm richtig zu widersprechen. No. Papa, der viel herumgekommene und herumfummelnde Galerist, ist der Kommunikations-Chef zwischen den Beiden. Und als Laura auf eine mögliche Untreue ihres Gatten Dean (MARLON WAYANS) hinweist, bedeutet das für ihn, sofort eine Aufklärungsquote zu starten. Was danach passiert, passiert halt. „On The Rocks“ trifft NICHT den schweren, gar düsteren Generations-Zankapfel, sondern plätschert mehr durch angesagte Restaurants gemütlich vor sich hin, während man sich listig-lustig an dem angesagten Papa Bob = Bill Murray gar nicht satt genug sehen, besser hören kann. Der Film würde ohne ihn floppen; so aber ist er ein prima-eitler, neutral gelaunter Frauenversteher-Despot, leger umwoben mit- beziehungsweise: in –  seiner Nicht-Verfalls-Charme-Offensive (= 3 1/2 PÖNI).

7.) WUNDERBARE M U S I K: Ich mag ihn. Den italienischen Komponisten und Pianisten LUDOVICO EINAUDI (der demnächst, am 23. November, 65 wird). Habe ihn auch schon mal in der hiesigen „Philharmonie“ besucht. Bin durch ihn auf meinen Lieblings-Wochen-Titel gekommen. Der da heißt: „DIVENIRE“, also: „Werden“. Vermag mich in ihn festlich hinein-zu-saugen: wie hier, bei seinem Live-Auftritt in der Londoner „Royal Albert Hall“ im September 2010. Motto: Genuss-pur :

Wünsche eine gesunde sowie stimmungs-erfreuliche Woche. HERZlichst: PÖNI Pönack

kontakt@poenack.de

 

 

 

 

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