EYE IN THE SKY

PÖNIs: (5/5)

Folgende Filme haben mich bisher in diesem Jahr besonders nachhaltig beeindruckt: „LA ISLA MINIMA – MÖRDERLAND“ (s. Kino-KRITIK/kommt am 28.10.16 bei uns fürs Heimkino heraus) sowie d i e s e r Film jetzt. Der hierzulande – völlig unverständlicherweise – gar nicht erst ins Kino kam, sondern gleich für das Heim-Kino programmiert wurde:

„EYE IN THE SKY“ von Gavin Hood (GB 2014; B: Guy Hibbert; Co-Produzent: Colin Firth; K: Haris Zambarloukos; M: Paul Hepker, Mark Kilian; 102 Minuten; Heimkino-Veröffentlichung: 16.09.2016).

Mitten-Drin- wie Hinterher-Gedanken: In amerikanischen Filmen ist heutzutage oft ein Menschen-Leben nichts wert. Menschen erschießen beziehungsweise abschlachten, wird als „Action-normal“ verkauft. Als „normale“ Show-Gewalt. Als grobes Entertainment. Als „normale“ Lösungs-Handlung. Warum sich lange mit Diskussionen oder „Gewissen“ aufhalten, Bösewichte/Schurken beseitigt man am besten sofort. Damit ist/wird „Gerechtigkeit“ hergestellt.

Dieser Film „erdreistet“ sich, lange darüber nachzudenken, ob ein Staat/seine Machthaber/das Militär/Juristen das Leben von „furchtbaren Menschen“, sprich Terroristen, so mir nichts dir nichts auslöschen dürfen. Unter Einbeziehung von eventuellen „Schäden“ an/bei Zivilisten. Der ursprüngliche Auftrag lautet eigentlich Gefangennahme, Vor-Gericht-Stellen, doch dann (ver-)ändert sich die Situation gewaltig.

„EYE IN THE SKY“ ist wortwörtlich zu nehmen: Auge in den Wolken/Auge am Himmel. Krieg findet heutzutage überwiegend „technisch“ statt. Per unbemannter Drohnen zum Beispiel. Irgendwo sitzt irgendwer in einem Container vor dem Monitor, lotet per Satellit den/die Gegner aus und drückt auf einen roten Knopf. Binnen einer Minute ist das Ziel-Objekt erreicht und zerstört alle und alles in der Umgebung. Mission erfüllt. Hier sitzen (oder stehen) mehrere Verantwortliche vor großen Monitoren. In Großbritannien und in den USA. Ihr Blick geht nach Kenia. Gen Nairobi. Dort bereitet eine moslemische Terroristen-Zelle in aller Ruhe Selbstmord-Sprengstoff-Anschläge vor. In einem Haus. Mitglieder der Gruppe sind sowohl britische wie US-Staatsbürger, die seit Jahren zu den meist gesuchten Top-Terroristen zählen. Colonel Katherine Powell (HELEN MIRREN), Chefin einer britischen Anti-Terror-Einheit, leitet von London aus die konzertierte multinationale Operation. Sie verfolgt die Verbrecher seit sechs Jahren. Ihr Vorgesetzter ist General Frank Benson (ALAN RICKMAN), der mit hochrangigen britischen Amtsträgern, darunter Minister und Generalstaatsanwalt, die „Maßnahmen“ beobachtet. Ihr Ansinnen lautet: Festnahme, nicht Tötung. Als sich diese Regel nicht halten lässt, immer unwahrscheinlicher wird, und die Gruppe Vorbereitungen trifft, das sich in einem dicht besiedelten Bezirk befindende Gebäude zu verlassen, will General Benson die „rechtliche Freigabe für höhere Kollateralschäden“. Wie es in der Amtssprache heißt. „Wir brauchen eine Entscheidung. Sofort!“ Und immer wieder: „Habe ich die Erlaubnis, Herr Minister?“

Der Zugriffsbefehl. Keiner will ihn erteilen. Der britische Außenminister ist zögerlich, der amerikanische stimmt zwar der „Liquidation“ zu, will aber auch andere „mit im Entscheidungs-Boot“ wissen. Auch der britische Premierminister vermag sich nicht festzulegen. Alle wollen sich rückversichern. Aber wie? Jeder schiebt die endgültige Entscheidung von sich. Während sich die Situation vor Ort immer mehr zuspitzt. Jeden Moment können sich die al-Shabaab-Terroristen auf den Weg machen. Und damit in diesem städtischen Kenia-Moloch untertauchen. Als die Freigabe schließlich erteilt wird, taucht „das kleine Mädchen“ auf. Sie will, wie an jedem Tag, vor dem Gebäude, in dem sich die Terroristen aufhalten, Brot verkaufen. Drohnen-Pilot Steve Watts (AARON PAUL, bekannt als poppiger Kiffer aus „Breaking Bad“) und seine Kollegin Carrie Gershon (PHOEBE FOX) weigern sich, den Angriff auszuführen. Diese neue Situation erfordert eine sofortige Neubewertung. Von allen.

Was für ein großartiger, intensiver Polit-Thriller! Mit absolutem Realitätsgeschmack. Überspitzt: Wie sollen sich Menschen verhalten gegenüber Un-Menschen, die bewusst andere Menschen zuhauf töten wollen? Wo beginnt, wo enden möglicherweise Begriffe wie Humanität, Demokratie, Abwägung? Wann hat man gegebenenfalls, wenn überhaupt, dieselben Gewalt-Mittel anzuwenden wie der Feind? Wann gelten eigentlich die herkömmlichen juristischen Regeln nicht mehr? Beziehungsweise: Wann müssen sie eventuell außer Kraft gesetzt werden? Um Schlimmeres zu vermeiden? Und wie gilt es, die Rücksichtnahme gegenüber der Zivilbevölkerung – hier: eines kleinen Mädchens – zu bewerten? Als schlimmen, aber zu akzeptierenden Kollateralschaden? Und wie überhaupt „sind“ die „guten“ Menschen, die darüber befinden? In ihrer Meinungsfindung? In ihrem Entscheiden? Ihrem Denken und Verhalten? Wie „benehmen“ sie sich? Und: sind ihre Argumente stichhaltig? Kann, darf man diese übernehmen? Für „richtig“ erklären? Was ist „gut“, was hier „weniger gut“?

„EYE IN THE SKY“ ist der aufregendste Debatten-Thriller, den ich kenne.

Unsere Zeit(en) heute. Kompliziert bis zum Geht-Nicht-Mehr. Zu welchen Ergebnissen die Entscheider hier auch immer kommen mögen, „falsch“ sind sie auf jeden Fall. Zumindest moralisch betrachtet. Aber wer kann sich angesichts des vielen Terrors auf der Erde überhaupt noch „Moral“ leisten? Hier wird es zumindest versucht. Doch: Niemand ist hier „Held“. Oder Loser. „Richtig“ oder „falsch“ gepolt. Die Sympathien sind eher begrenzt. Denn jeder, der hier mitmacht, kann sich noch so abzusichern versuchen: ER oder SIE hat danach Blut an den Händen.

Hochspannung auch durch das überragend auftretende, ausdrucksstarke Ensemble. Wirklich jeder Part wird Bis-unter-die Haut-pur empfindsam entwickelt. Von cool bis Nervlich-am-Ende. Darstellerisch brillant. „Oscar“-Lady HELEN MIRREN („The Queen“) im Camouflage-Kampfanzug und ALAN RICKMAN, der unheimliche „Severus Snape“ aus den Harry Potter-Filmen; der Schurke „Hans Gruber“ aus dem ersten „Stirb langsam“-Klassiker, als Militär-Führer ohne definitive Entscheidungsmöglichkeit in seiner letzten Rolle (*21.02.1946 – †14.01.2016), argumentieren verbal wie körpersprachlich brillant an der Promi-Rampe.

GAVIN HOOD, Jahrgang 1963, geboren im südafrikanischen Johannisburg, zählt seit Jahren zu den spannendsten internationalen Filmkünstlern. Wobei er sowohl als Schauspieler wie als Drehbuch-Autor und vor allem als Regisseur unterwegs ist. Mit „W pustyni i w puszczy“, deutscher Titel: „Durch Wüste und Wildnis“, schuf er den erfolgreichsten polnischen Film des Jahres 2001. Für sein nächstes Werk, „TSOTSI“ (s. Kino-KRITIK), in Südafrika hergestellt, bekam er 2006 den Auslands-„Oscar“ zugesprochen. 2007 folgte mit „Machtlos“ ebenfalls ein aufwühlender Spannungsfilm (s. Kino-KRITIK). 2009 schuf er in Hollywood den – unbedeutenden – X–Men-Ableger „X-Men Origins: Wolverine“; 2013 folgte das Science-Fiction-Movie „Ender’s Game – Das große Spiel“ (s. Kino-KRITIK). Mit „EYE IN THE SKY“ schuf Gavin Hood wieder ein filmisches Meisterstück.

Was die Frage aufwirft: Verdammt noch eins – wieso verzichtet eigentlich unser Lichtspielhaus = KINO auf solch eine Film-Delikatesse?

Dafür wartet unser HEIMKINO ab sofort mit einem 5 PÖNI-Premium-Knüller auf!!!

Anbieter: „Universum Film“

Teilen mit: