DIE WACHE

PÖNIs: (4/5)

„DIE WACHE“ von Quentin Dupieux (B; K; R + Schnitt; Fr/Belgien 2018; Produktions-Design: Joan Dupieux; M: Jean Thévenin, Nicolas Worms; 73 Minuten; deutscher Kino-Start: 12.12.2019); der Vorname QUENTIN klingt nach QUALITÄT.

Quentin Dupieux, Jahrgang 1974, ist Franzose. Und in Frankreich populär – als elektronischer Musiker, DJ und Musik-Produzent – unter seinem Künstlernamen Mr. Oizo. Seinen richtigen Namen dagegen verwendet er als Filmemacher. Drei Spielfilme hat er bislang geschaffen, die allesamt hierzulande gleich ins Heimkino kamen: „Wrong“ (2013/s. Heimkino-KRITIK)/4 PÖNIs); „Reality“ (2015/s. Heimkino-KRITIK/4 PÖNIs) sowie, im Jahr 2009 produziert und ab 1. Juli 2011 bei uns auf DVD herausgekommen – das schärfste B-Movie der Neuzeit, der sensationelle 1. KILLERREIFEN-Streifen: „RUBBER“ (s. Heimkino-KRITIK/4 PÖNIs).

Früher … war nicht alles besser, aber – früher waren schräge, von vieler Logik befreite, beeindruckend-absurde neue Kinofilme (in den damaligen „Off-Spielstätten“) des Öfteren angenehm-unterhaltsames Kinoprogramm-Futter. Wie zum Beispiel „Ein Toter hing im Netz“ von Fritz Böttger (D 1960; mit einer „aufgeschlossenen“ Barbara Valentin) oder „Frankensteins Todesrennen“ von Paul Bartel (1975) oder „Parasiten-Mörder“ von David Cronenberg (ebenfalls: 1975). Heute bilden solche Quer-Filme die Ausnahme. Einer aber macht sie beständig, wenn er denn mal wieder dreht: QUENTIN DUPIEUX. Der sei eine „Mischung aus Roger Corman und Samuel Beckett“, schrieb mal ein Kollege über ihn. Zutreffend. Wie hier wieder:

Am Beginn gerät gleich die Ouvertüre ins eigenwillige Bild. Auf einer Wiese spielt ein Orchester. Fein und sauber. Dirigiert von einem Dirigenten. In Badehose. Fein und professionell. Bis die Polizei auftaucht. Der Lenker will abhauen, aber die Beamten kriegen ihn und bringen ihn aufs Revier. Wo das „Wiesen“-Konzert weiterhin in vollem Gange ist, denn gebannt lauscht Kommissar Buron (BENOÎT POELVOORDE) jenen Orchester-Klängen, die nun aus dem Radio tönen. Ansonsten aber hat der ziemlich ruppige Polizist gerade viel am Hut. Denn er ist mit einem Verhör beschäftigt, dessen Erkenntnisse er in die Schreibmaschine rockt. Dabei fühlt er sich ziemlich angeödet: „Ich habe mich noch nie so fürchterlich bei einer Befragung gelangweilt“, stöhnt er schon mal. Zwischendurch. Im Übrigen: Hier riecht es nach Mief aus den Siebzigern. Wenn man sich Tapeten, Frisuren und Klamotten oder Büroschränke anschaut. Aber das ist egal. Nicht egal ist, dass ein Monsieur Louis Fugain (GRÉGOIRE LUDIG) der Verhörte ist. Er hat, als pflichtbewusster Bürger, einen Leichenfund vor seinem Wohnhaus gemeldet und sich dadurch verdächtig gemacht. Penibel bemüht sich der grantige Ermittler Buron herauszubekommen, was er vermutet.

Als dieser aber dann mal für eine kurze Zeit aus dem Büro verschwindet und sein etwas debiler, tollpatschiger Assistent Philippe als Aufpasser „das Sagen“ bekommt, beginnen „SACHEN“ TYPISCH DUPIEUX. Die nicht zum Beschreiben, sondern – in ihrer praktischen konsequenten Trivialität – erlebt werden sollten. Ganz wie man will, von saukomisch über verblüffend über originell über grell bis amüsant-surreal und banal-köstlich. Und zurück.

Highlight dabei, wenn sich der Kommissar eine Zigarette anzündet und der Rauch aus einem Loch in der Brust steigt. „Ist halt so. Muss ich mit leben“. GRÉGOIRE LUDIG, hier: wenig bekannt, mimt den erstaunten Verhörten, der endlich nach Hause will. Mit standesgemäßer Co-Partner-Verblüfftheit. Die sich steigert. Während „die Bühne“, besser: „das Zimmer“, eindeutig dem belgischen Star BENOÎT POELVOORDE gehört. DEN kennen UND schätzen wir hierzulande auch SEHR über seine grandiosen Auftritte in Filmen wie „Mann beißt Hund“ (1992/s. Kino-KRITIK) oder „Mein liebster Alptraum“ (2011/s. Kino-KRITIK) oder als eklig gestimmter „Herr-Gott“ in „Das brandneue Testament“ (2015/s. Kino-KRITIK). Seine Visage mimt Louis de Funès, seine Körpersprache zielt in Richtung grotesk und müdem Jacques Tati, sein Ton hört sich virtuos-aufgesetzt-lustig an. Oder: pikiert-betrüblich-witzig.

Übrigens – wie aus dem Presseheft zu erfahren ist, sind sowohl Quentin Dupieux als auch Benoit Poelvoorde mit ihren Hunden an das Set gekommen.

Ansehen. Sich foppen lassen. Von urigem, pointiertem Schräg-Dampf. Dauert ja nur kurze 73 Minuten. Danach ist die Laune auf Betriebstemperatur (= 4 PÖNIs).

P.S.: Meine Schreibmaschine heißt „Gabriele 10“, ist von „Triumph“ und wurde gekauft am 27. Oktober 1977 für 377,- DM. Ich pflege sie gerne.

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