REALITY

PÖNIs: (4/5)

Unter den – im besten Sinne – Film-Verrückten ist er einer der schärfsten: QUENTIN DUPIEUX, Jahrgang 1974. Das französische Multitalent, auch bekannt unter seinem Künstlernamen „MR. OIZO“. Viele Jahre war er als Musiker & Musik-Produzent unterwegs, bevor er begann, auch „appetitliche“, also (sehr) ungewöhnliche Spielfilme zu drehen. Zwei sind bei uns bisher im Heimkino herausgekommen und ganz und gar „außer-ordentlich“: „RUBBER“, das 1. Killerreifen-Movie (s. Heimkino-KRITIK) sowie „WRONG“, die irrationale No-Komödie (s. Heimkino-KRITIK). Nach dem Deutschland-Start auf dem diesjährigen Fantasy-Filmfest ist jetzt die aktuelle Fein-Irre-Arie dieses französischen „Monty Python“ für das hiesige Heimkino annonciert:

„REALITY“ von Quentin Dupieux (B; K + R + Schnitt + Musik; Fr/Belgien/USA 2014; 89 Minuten; Heimkino-Veröffentlichung: 20.11.2015).

Den Inhalt einigermaßen „vernünftig“ wiederzugeben, fällt hier schwer. Ist eigentlich unmöglich. Und auch nicht unbedingt Detail-nötig. Ich verlasse mich diesbezüglich mehr auf meine „Wahrnehmungen“, gelistet auf meinem Stichwortzettel. Alle haben was an der Waffel, aber haben nicht alle was an der Waffel, heißt es eingangs dort. Mit Ausrufungszeichen! Papa schießt auf Wildschwein. Töchterchen, sie heißt Reality, wartet im Wagen. Bis Daddy mit dem totem Tier erscheint. Das Zuhause ausgenommen wird. Von seinen Innereien befreit wird. Reality behauptet, eine Videokassette im Bauch des toten Wildschweins gesehen zu haben. Was die Eltern als Kinderphantasie abtun. Wildschweine futtern keine VHS Kassetten. Weiteres passiert. Denis, ein neurotischer TV-Moderator einer beliebten TV-Kochsendung, zeigt hypochondrische Anzeichen. Leidet an einer imaginären Hautkrankheit. Es juckt enorm, er muss sich ständig kratzen. Der Hautarzt, den er aufsucht und der ihn ob seiner Obsession beschimpft, leidet an extremen, ekligen Hautausschlagproblemen. Und wird später seine Kochsendung moderieren.

Währenddessen erleben wir Jason Tantra (ALAIN CHABAT/“Auf den Spuren des Marsupilami“), einen der Kameramänner der Koch-Sendung, der sich zu Höherem berufen fühlt. Und unbedingt einen Horrorfilm drehen möchte. Einverstanden, meint der namhafte wie egozentrische und bisweilen hochgradig „gestört“ wirkende Produzent Bob Marshal (JONATHAN LAMBERT) – der zum Beispiel von seiner Terrasse seines Luxus-Büros aus gerne auf Surfer im nahen Wasser schießt -, Bedingung: Er will „das beste Stöhnen der Filmgeschichte“ in dem Film von Jason hören. „Ich will d a s ‚Oscar‘-Stöhnen, der Rest ist mir egal“. 48 Stunden verbleiben Jason, „ES aufzutreiben“. Das Spitzen-Stöhnen. Was seine Frau, eine Psychotherapeutin, sagen wir mal – verwundert. Behandelt sie doch gerade einen bärtigen Mann, der im Jeep mit Frauenkleidern „merkwürdig“ unterwegs ist und sich später als Schuldirektor von Reality herausstellt. Nicht fragen, schon gar keine Erklärungen. Ist so. Köstlich irre. Beklopptheit, wie schön.

Was haben wir noch? Zum Beispiel einen Regisseur, der einen Film dreht, in dem ausführlich Reality beim Einschlafen zugesehen wird. Was wiederum zur besagten VHS-Kassette führt, die tatsächlich existiert. Währenddessen der aufstrebende Filmer Jason seinen Film – Titel: „Waves“ -, der noch gar nicht gedreht ist, bei einem Kinobesuch auf der Leinwand sieht. Was ihn natürlich mächtig aus der Realitätsbahn wirft. Und zu erstaunlichen Sätzen führt wie: „Kubrick kann mich mal“. Oder zur Erkenntnis: „Ich stecke in einem Alptraum fest“.

Der Staffel-Lauf. In der Leichtathletik. So in etwa muss man sich dies hier vorstellen. Einer übergibt den Part an den nächsten. Und der wieder an den nächsten. Wobei die Teilnehmer schließlich bekannt sind und sich immer wieder „neu anstellen“. Zum Weiterlaufen. Zum Weiter-Kaspern. Ein Ensemble spielt vehement in einem „Es gibt keinen Sinn, aber…“-Movie. „REALITY“ ist ein Filmfilm-im-Film-Film-FILM. Völlig meschugge, aber hochgradig die volle komische Portion sinnvoller Sinnfrei-Pointen. Von vielen – so genannten – Irren. Die sich dabei wie eigentlich „ganz normal“ aufplustern. Was ja das Eigentlich-Unverschämte ist. Bedeutet.

Was ist das hier bloß? Überdreht? Ja. Ulkig? Ja, auch. Absonderlich? Zuhauf. Irgendwie irgendwie? Aber so was von… Phantastisch absurd? Definitiv. Quentin Dupieux ist ein Anarcho-Clown des Voll-Absurden. Der herrlichen Gegen-Normalität. Sich auf seine neue filmische Psychose einzulassen, entwickelt eine sinn-schräg, kultige Sog-Wirkung. Und wenn irgendwann einmal der Satz fällt, „GÖNNEN SIE IHREM GEHIRN MAL URLAUB“, sind wir auf der richtigen Locker-Spaß-Spur.

Oder wie wäre es mit der Feststellung, „Es ist tatsächlich ein Ekzem, aber von innen, also eine reine Kopf-Sache?“ Diesen Film „RÉALITÉ“ kann man nur mögen. Oder auch gern ablehnen. Beides bereitet fies Vergnügen (= 4 PÖNIs).

Anbieter: „Pierrot le Fou“.

Teilen mit: