AUFBRUCH ZUM MOND

„AUFBRUCH ZUM MOND“ von Damien Chazelle (USA 2017/2018; B: Nicole Perlman; Josh Singer; nach der Biografie „Der erste Mensch auf dem Mond“ von James R. Hanson/2005; K: Linus Sandgren; M: Justin Hurwitz; 142 Minuten; deutscher Kino-Start: 08.11.2018); DAMIEN CHAZELLE ist ein hochgeschätztes amerikanisches Filmkünstler-Talent; der am 19. Januar 1985 in Providence/Rhode Island geborene Drehbuch-Autor und Regisseur wurde 2017 mit 32 Jahren jüngster Regie-„Oscar“-Preisträger („La La Land“/s. Kino-KRITIK) und konnte davor schon mit seinem Außenseiter-Movie „Whiplash“ (s. Kino-KRITIK) einen überraschenden Erfolg landen („Jury-Preis“ in Sundance; 3 „Oscars“, darunter für den Nebendarsteller J. K. Simmons).

Sein aktueller Spielfilm Nr. 4 eröffnete am 29. August 2018 die Filmfestspiele von Venedig. Im Blick- und Mittelpunkt: Der US-amerikanische Testpilot und Astronaut NEIL ARMSTRONG (5.8.1930 – 25.8.2012), dargestellt vom 37-jährigen RYAN GOSLING („Drive“; „La La Land“). Der filmische Einstieg ist robust. Ein Mensch in einer Test-Raumkapsel. Neil wird hin- und hergeschleudert, die Motorengeräusche sind beängstigend-laut; es dröhnt und quietscht heftig; es ist ein Scheppern angezeigt, ein wüstes Geräte-Blinken, und die Kamera wackelt genauso mit diesem Blech-Monstrum mit. Gute zehn Minuten lang. Dröhnt auch mächtig der Sound. Die Signale, dass hier All-Überleben geübt wird, kommen überdeutlich ´rüber. Praktisch geht es dabei um den schweißtreibenden Austritt und Wiedereintritt in die Erdatmosphäre. Einschließlich eines gelungenen Rettungsmanövers, weil wieder einmal etwas schiefgelaufen ist.

Die USA Anfang der 1960-er Jahre. Die Kalten Kriegszeiten sind in vollem Gange. Einhergehend mit dem Wettlauf, wer bringt als erster den ersten Menschen auf den Mond. Und wieder lebend zurück. Die Russen oder WIR. Präsident Kennedy hat die Order erteilt: „First Man“, so der Originaltitel, „to the Moon“. Die amerikanische Weltraumbehörde NASA hat schon einige Menschenverluste hinnehmen müssen. Demzufolge ist die Nervosität groß. Doch der Wille bleibt ungebrochen, egal, was für immer mehr „Erfolgsmeldungen“ aus der UdSSR kommen: „Wir schaffen das eher!“. Mitte der Sechziger Jahre startet das Apollo-Programm. Doch dann erschüttert die nächste Katastrophe: „Apollo 1“ verunglückt. Explodiert. Alle Crew-Mitglieder kommen um. Doch niemand denkt ans wirkliche Aufgeben. Motto: Erlösung durch Technik: die Zweifel des renommierten amerikanischen Schriftstellers Kurt Vonnegut („Schlachthof 5“) daran werden im Film mittels einer Originaleinspielung von damals deutlich.

„Aufbruch zum Mond“ ist einerseits ein Spielfilm um kalte Mechanik, anderseits taucht er ein – besser: will er eintauchen – in diese Person, in den Menschen Neil Armstrong. Beobachtet ihn als Familienvater, als Ehemann von Janet Armstrong (hypnotisch-stark: CLAIRE FOY) und thematisiert den Tod der kleinen Tochter, die 1962 dreijährig an einem Gehirntumor stirbt. Für Neil sind dies immense „Bewährungszeiten“: privat wie beruflich. Die Spannungen zwischen dem Ehepaar sind ebenso greifbar wie die hektischen Bemühungen der NASA, das große Ziel bald zu verwirklichen. Die lange Vorlaufzeit mit den vielen Fehlschlägen und Entbehrungen „ist“ der Film, dessen Ausgang bekannt ist: Am 21. Juli 1969 betritt Neil Armstrong als erster Menschen den Mond.

Zu viel Geblinke; zu viele extreme Wackeleien, von und mit der stets nahen Kamera; zu bombastisch in der patriotischen Musikalität; zu viele theoretische Fachausdrücke; zu viel Dauerkälte. Die lähmt, die langweilt, untergräbt den Faktor SPIEL von SpielFILM. Ab und an unterbrochen durch bemerkenswerte politische Statements, etwa wenn ein afroamerikanischer Armstrong-Kollege das Gedicht „Whitey on the Moon“ von Gil Scott-Heron zitiert, in dem es darum geht, dass Teile der schwarzen Bevölkerung „auf der Erde“ Miete, Strom oder Arztrechnungen nicht bezahlen können, während weiße Landsleute teuer auf dem Mond spazieren. Hier wird der Streifen plötzlich emotional-rauhbeinig. Spannend. Um es dann aber gleich wieder „wackeln“ zu lassen.

Doch das größte Handicap an „First Man“ ist sein Hauptakteur: RYAN GOSLING. Dessen „staunende“ Bewegungslosigkeit hier oft nervt; dessen eindimensionale Mimik und Körpersprache extrem begrenzt ist; der dieser Figur NEIL ARMSTRONG nicht gewachsen ist. Einer Strohpuppen-Marionette gleich, „fegt“ er hier durch die Szenerie. Zurückhaltung schön und (manchmal) gut, aber hier ist sie in dieser Nichtwirkung mehr störend denn einnehmend. Vielleicht hätte man ihm sagen sollen, dass er sich nicht mehr als stoischer, cooler, einsilbiger Fahrer-Bruder in „Drive“ (s. Kino-KRITIK) befindet. Beziehungsweise – der Regisseur hat es offensichtlich unterlassen, dem Superstar dies mitzuteilen (= 2 1/2 PÖNIs).

P.S.: DONALD TRUMP, der auch mächtigste Filmkritiker der Welt wie wir wissen, hat darauf hingewiesen, dass der Film antiamerikanisch sei. Schließlich fehle jener Moment, als Neil Armstrong die US-amerikanische Flagge auf dem Mondboden festmacht. Wörtlich: „Es ist bedauerlich. Es scheint fast, als sei ihnen peinlich, dass es eine amerikanische Errungenschaft ist. Das ist schrecklich“, sagte Trump dem „Daily Caller“. „Deshalb würde ich den Film nicht sehen wollen“. Diese Flaggenunterschlagung, muss ich zugeben, ist mir gar nicht aufgefallen. Danke Donald, dass Du uns darauf aufmerksam gemacht hast. Übrigens – Donald DUCK wird in diesen Tagen 90. Fällt mir gerade auch ein.

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