VOM LOKFÜHRER, DER DIE LIEBE SUCHTE

„VOM LOKFÜHRER, DER DIE LIEBE SUCHTE“ von Veit Helmer (Co-B + R; D 2017/2018; Co-B: Leonie Geisinger; K: Felix Leiberg; M: Cyril Morin; 90 Minuten; deutscher Kino-Start: 07.03.2019); diese Film-Reise lohnt sich. Sie geht nicht nur in die schöne Landschaft Aserbaidschans, sondern auch zu einem speziellen, einheimischen Lokomotivführer dort, in den kaukasischen Bergen. Er heißt Nurlan (der serbische Star PREDRAG „MIKI“ MANOJLOVIC; bekannt aus Filmen von Emir Kusturica: „Papa ist auf Dienstreise“/“Underground“/“Schwarze Katze, Weißer Kater“). Nurlan befährt ein sehr spezielles Viertel in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku. Dort wurden Häuser so eng an Eisenbahngleise gebaut, dass die Gleise zuweilen auch als Fußweg, als Straßen und als Spielplatz herhalten müssen. Das Leben spielt sich in diesem Viertel auf den Gleisen ab, auf denen mehrmals am Tag riesige Ölzüge durchfahren. Die Bewohner nennen ihr Viertel „Shanghai“, obwohl es mit China nichts zu tun hat. „Mir kam die Idee zu einer Geschichte über einen einsamen Lokführer, der nach Feierabend den Bewohnern die Dinge zurückbringt, die seine Lok „vorhin“ mitgerissen hat.“ (Co-Autor und Regisseur Veit Helmer). Am Tag, als er in Rente geht, findet Nurlan einen BH. Der Film erzählt von seiner langen Suche nach der Besitzerin des Kleidungsstücks. Vielleicht, so hofft unser männliches „Aschenputtel“, ist sie ja die Prinzessin, nach der sich der einsame Alters-Prinz sehnt.

VEIT HELMER, Jahrgang 1968, aus Hannover: Für mich einer der unterschätztesten, deutschen Film-Träumer. Begibt sich immer auf exotische Pfade, um dort seine eigenwilligen, „anderen“ Märchengeschichten zu entwickeln, auszubreiten. So entstanden kleine, feine Kunstwerke wie 1999 „Tuvalu“ (s. Kino-KRITIK); 2003 „Tor zum Himmel“ (s. Kino-KRITIK); 2008 „Absurdistan“ (s. Kino-KRITIK) sowie zuletzt, 2014, der grandiose Kinder- und Familienfilm „Quatsch und die Nasenbärbande“ (s. Kino-KRITIK). Hier setzt er ganz auf die Sprache der Pantomime. Verzichtet gänzlich auf Dialoge, spielt mit diskreten Äußerungen seiner Bilder, die wirkungsvoll von Geräuschen und sparsam verwendeten Musikklängen unterstützt werden. Dadurch entsteht eine Art (Jacques-)Tati-Stimmung, jenem französischen, „stummen“ Clown und wehmütigen Narren, der die absurde Weltlichkeit (mit seinem Monsieur Hulot) so einzigartig-diffizil verspottete. Veit Helmer gelingt ähnliches, wenngleich ihm auch manchmal dabei die erzählerische Puste abhanden kommt. Was den Spaß an seinem exotischen Kosmos aber kaum mindert. Seinem beharrlichen, aserbaidschanischen „Hulot“ zu folgen, enthält viel köstlich-feines Pointen-Futter. Und: In einer Nebenrolle taucht Helmers französischer Lieblingsschauspieler DENIS LAVANT als „Lokomotivführer-Lehrling“ auf; wie schön.

Übrigens – 2014 schon wurde von der Regierung beschlossen, „Shanghai“ abzureißen. „Es war ein Glücksfall, dass die Finanzierung des Films endlich 2017 zustande kam und ich die Dreharbeiten einen Tag vor Beginn des Abrisses abschließen konnte“ (Veit Helmer). Ein Glückspilz (= 4 PÖNIs).

 

 

 

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