TUVALU

Es war einmal… Es war einmal in einem fernen, düsteren Land. In einem NIEMANDS-Land sozusagen. Wo die Wortfetzen, die sich die Leute zuwerfen, fremd, aber keineswegs unverständlich klingen. (Vielleicht ein früheres “Ostblockland“, das von der großen Welt-Gemeinschaft und -Politik einfach übersehen/übergangen wurde???). Dort also existiert inmitten von viel Müll, Schrott und Regen ein altes, ausgedientes Schwimmbad. Anton lebt hier. Anton, der Einfaltspinsel; Anton, der Narr; Anton, der Ingenieur, Klempner, Bademeister und… Träumer. Der seinem blinden Vater Tag für Tag mit dem Tonband die guten alten Zeiten vorgaukelt und vortönt: Mit den Stimmen von vielen Menschen, die es sich im vollen Bad gut-gehen lassen. Die Wirklichkeit allerdings sieht anders aus: Das Gebäude ist arg heruntergekommen und baufällig. Und wird von Anton und der alten Kassiererin Martha mühsam immer wieder “zusammengeflickt“. Außerdem verirren sich nur noch wenige Besucher täglich hierher.

Eines Tages aber kommt doch wieder “Leben“ in dieses unwirtliche Haus: Eva taucht auf und wird zu Antons erster großer Liebe. Zugleich aber muss er sich auch seines geldgierigen Bruders Gregor erwehren. Denn der will das alte Bad abreißen lassen und erhofft sich davon, wie auch seine Investoren und Mandatsträger, großen Profit. Und außerdem steht ausgerechnet jetzt auch noch der Bäder-Inspektor auf der Matte, um eine amtliche Zustandsüberprüfung vorzunehmen. Natürlich ist seine Beanstandungsliste lang, und für die notwendigen Reparaturen bleiben nur wenige Tage. Besondere Einfälle sind jetzt gefragt. Einfälle, wie sie eben nur ein Underdog wie Anton und ein paar skurrile Helfershelfer zustande bringen können.

Der neue deutsche Kinofilm: „TUVALU“ von Veit Helmer (Co-B + R; D 1999; Co-B: Michaela Beck; K: Emil Christov; M: Goran Bgregovic, Jürgen Knieper; 91 Minuten; deutscher Kino-Start: 22.06.2000); ist ein ungewöhnliches, ist ein exotisches Leinwand-Ereignis. Debütant VEIT HELMER hat ihn sich ausgedacht, hat am Drehbuch von Michaela Beck mitgearbeitet, hat produziert und Regie geführt. Veit Helmer, Hannoveraner des Jahrgangs ‚68, ehemaliger Filmstudent und Kurzfilmer, kennt offensichtlich die bessere Filmhistorie ‘rauf und ‘runter. Denn er zitiert bei seinem abendfüllenden Erstling gleich reihenweise die berühmten Klassiker: Stummfilm-Giganten wie Charles Chaplin, Buster Keaton und Jacques Tati kommen über seine tapsige Figur des Anton ebenso zum Vorschein wie absurde Szenarien von Federico Fellini bis Emir Kusturica. Die Liebe zum Bild, zu den Bildern, ist immens und weitaus bedeutungsvoller als die hier nur fragmentarisch eingesetzte Sprache. Und: Veit Helmer sah seine Arbeit an dem fast stummen Kinofilm “Tuvalu“ auch als interessante Quelle, international zu arbeiten.

“Tuvalu“ entstand in 70 Tagen für gerade einmal 1,7 Millionen Mark. Eine Low-Budget-Produktion also, die in einem alten Schwimmbad in Sofia mit einem “gemischten“-kreativen Ensemble entstand: Mit Denis Lavant aus Frankreich als liebenswerter Tölpel Anton; mit Chulpan Khamatova aus Russland als Eva; Terrence Gillespie aus den USA als Gregor und mit Catalina Murgea als Martha aus Bulgarien. Gedreht wurde in Schwarz-Weiß; später dann wurden die Bilder speziell koloriert. Und atmen so eine seltsam melancholische, poetisch-altertümliche Atmosphäre aus. Mit dem ewigen Kinothema: Liebe und Kapital. Kapitalismus bzw. umgekehrt. Was oder wer ist letztlich wichtiger für den einzelnen Menschen? Und wie komme ich überhaupt nach Tuvalu, meiner paradiesischen Trauminsel?!?

Allerdings: Bei so viel Liebe zum cineastischen und philosophischen Detail vergisst Veit Helmer auch ein bisschen seine kleine Story. Sie wird schnell deutlich und schreitet langsam und manchmal auch mühselig voran. “Tuvalu“ ist für seine 91 Laufminuten zu lang; bisweilen wird es dramaturgisch “eng“. Dennoch: Ein durchaus origineller, eigenwilliger Debütfilm als Außenseiterschmaus mit Kultgeschmack: “Tuvalu“ von Veit Helmer (= 3 PÖNIs).

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