VERSCHWÖRUNG

„VERSCHWÖRUNG“ von Fede Alvarez (Co-B + R; Kanada/Schweden/USA/GB/D 2018; Co-B: Jay Basu; Steven Knight; nach dem gleichn. Roman von David Lagercrantz/2015; K: Pedro Luque; M: Roque Banos; 117 Minuten; deutscher Kino-Start: 22.11.2018); was für eine Enttäuschung! Stieg Larsson in der Erbschaftsfortsetzung als schwacher Thriller-Bastard. Warum?

1.) Zu den Anfängen. Stieg Larsson. Geboren am 15. August 1954; verstorben am 9. November 2004. Schwedischer Journalist und Schriftsteller. Wurde international bekannt als Herausgeber des antirassistischen Magazins „Expo“ und vor allem durch drei Kriminalromane, die sogenannte „Millenium Trilogie“, die erst posthum veröffentlicht wurden. Die deutschen Roman- beziehungsweise dann auch Filmtitel lauten: „VERBLENDUNG“ (s. Kino-KRITIK); „VERDAMMNIS“ (s. Kino-KRITIK) sowie „VERGEBUNG“ (s. Kino-KRITIK). Die Romane wurden weltweit über 82 Millionen Mal verkauft; die drei Filme erhielten sehr viel Zuspruch. Vor allem die Hauptdarstellerin NOOMI RAPACE  – in der Rolle der Lisbeth Salander – erhielt Lobeshymnen und wurde für den „Oscar“ wie auch für den „Golden Globe“ nominiert. Ihr Partner, als investigativer Journalist Mikael Blomkvist, war in allen drei Filmen der schwedische Schauspieler MIKAEL NYQVIST (*8.11.1960 – †27.6.2017).

2.) Unter der Regie von David Fincher („Sieben“; „Panic Room“; „Der seltsame Fall des Benjamin Button“; „The Social Network“) und nach einem Drehbuch von Steven Zaillian wurde 2010 in Schweden – als Co-Produktion USA/Schweden/GB/D – die Zweitverfilmung des ersten Stieg Larsson-Romans „Verblendung“ gedreht (s. Kino-KRITIK/Remake). In den Hauptrollen: Daniel Craig (als Journalist Mikael Blomkvist) und Rooney Mara (als Lisbeth Salander). Weitere geplante Remakes entstanden bisher nicht.

3.) Nach dem Tod von Stieg Larsson im Jahr 2004 – an den Folgen eines Herzinfarkts – gab es einen öffentlich aufsehenerregenden Erbschaftsstreit. Zwischen dem Vater und dem Bruder von Stieg Larsson einerseits und seiner Lebensgefährtin Eva Gabrielsson andererseits, mit der Stieg Larsson 32 Jahre lang liiert, aber nicht verheiratet war. Weshalb ihr keine Rechte an den Werken zufielen. Und sie somit auch nicht verhindern konnte, dass an dem Werk „Stieg Larsson“ „weiter-gefummelt“ wurde. Im Dezember 2013 gab der schwedische Verlag „Norstedts“ bekannt, dass der Journalist und Schriftsteller DAVID LAGERCRANTZ – nach Zustimmung von Stieg Larssons Vater und seinem Bruder – an einem neuen vierten Millenium-Roman arbeite. Am 27. August 2015 wurde dieser in Schweden unter dem Originaltitel „Det som inte dödar oss“ („Was uns nicht umbringt“) herausgebracht. Diese Veröffentlichung ist in Schweden teilweise auf scharfe Kritik gestoßen, da sie „nur“ Larssons Bekanntheit ausnutze. Unter dem (Film-)Titel „Verschwörung“ kam dieser Roman in diesem Monat hierzulande als 622-seitiges Taschenbuch („nach Stieg Larsson“ steht auf dem Cover) heraus. 2017 folgte in Schweden der Nachfolge-Roman von David Lagercrantz: „Verfolgung“. Eine Ebenfalls-Verfilmung ist in Planung.

4.) „VERSCHWÖRUNG“ oder: „The Girl in the Spider’s Web“, so lautet der Originaltitel vom aktuellen Roman und Film. Die Britin CLAIRE FOY (zuletzt auffallend in den Kinofilmen „Aufbruch zum Mond“ und „Unsane – Ausgeliefert“) als Cyber-Furie Lisbeth Salander und der Isländer SVERRIR GUDNASON (der Björn Borg in „Borg/McEnroe“) als Mikael Blomkvist besetzen die Hauptrollen. Regisseur ist der aus Uruguay stammende 40-jährige Filmemacher FEDE ALVAREZ, der vor geraumer Zeit mit seinem Horror-Thriller „Don’t Breathe“ (s. Kino-KRITIK) angenehm auffiel. Hier beziehungsweise hierfür erweist er sich, sowohl als einer von drei Drehbuch-Autoren wie auch als Spielleiter, völlig überfordert. Man konzentriert sich fast ausschließlich auf Lisbeth Salander und ignoriert in jeder Charakter- und Erzähl-Hinsicht die anderen Beteiligten. Denn:

5.) SIE ist „Heldin“. Ein in Leder gekleideter schwarzer Engel. Ebenso als Profi-Hackerin wie auch als weibliche „Robin Hood-Rächerin“. Die von Männern misshandelte Frauen „verteidigt“. Handfest. Mit klarer Ansage und entsprechenden Beweisen wie Drohungen. Für den jeweiligen Sau-Kerl. Eine Frau sieht rot. Buchstäblich, als ihre „üble Gegenseite“ auftaucht, ihre Schurken-Schwester Camilla (SYLVIA HOEKS/die Replikantin Luv aus „Blade Runner 2049“). Die sie einst beim väterlichen Drecksack-Vergewaltiger zurückließ und die nun auf schwesterliche „Züchtigung“ = Vernichtung aus ist. Eine von einigen inhaltlichen Füll-Nebenschienen. Wie zum Beispiel die eines kaum zu identifizierenden afroamerikanischen NASA-Typen namens Edwin Trallala (LAKEITH STANFIELD/“Get Out“), der auch – die USA sind schließlich Produktions-Beteiligte – irgendwie sinn-fremd mitmischen muss. Worum es geht? Um irgendein „schlimmes“ Computer-Programm, mit dem man Atom-Mächtiger sein kann. Die Kontrolle über sämtliche Nuklearraketen auf der Welt inne hat. Oder so. Vermag viel Geld einbringen. Viele hetzen hinter diesem „Juwel“ her, darunter auch eine terroristische Mörder-Truppe namens „The Spiders“. Mit denen sowohl Lisbeth wie auch ihr alter früherer Wegbegleiter Mikael Blomkvist heftig-deftig zu tun bekommen. Doch wie hier der einstige engagierte Journalist Mikael vorgeführt wird als lächerlicher Nonsens-Rechercheur, ist nur oberflächlich-peinlich. Mal taucht er kurz in der Millenium-Redaktion auf, dann tapert er wieder belanglos durch die Wohnung, ein total unwichtiger, linkischer, uninteressanter Grau-Typ. Wie so viele neben ihm und um ihn herum. Am Beispiel Sylvia „Camilla“ Hoeks, die als böse Sister Camilla mit grauslichen (Gesichts-)Bewegungen hantiert und nur dümmliches Wort-Geplapper zustande bringt. Ausnahme: Dieser Junge, der hochbegabte Sohn des (inzwischen) ermordeten Programm-Erfinders, dieser kleine August Balder (CHRISTOPHER CONVERY), der die Formeln seines Vaters im Kopf hat. Dieser Bengel ist spannend-ernst zu nehmen. Ansonsten – was für keine Stringenz, was für ein dummes, einfältiges Gut-Böse-Kuddelmuddel. Und was für eine schrecklich-wummernde musikalische Dauerdröhnung, die offensichtlich nur dazu da ist, die dramaturgischen wie personellen wie inszenatorischen Viel-Schwächen grässlich-beschallend zu übertünchen. Achtung, jetzt wird es gleich spannend. Hört Ihr das? JAAAAAAAAAAA!

6.) Für die erste halbe Stunde ist plausible Spannung annonciert. Nach dem beeindruckenden „Bond“-Vorspann. DA wird auf Tempo gemacht, die Story in Position gebracht, Figuren vorgestellt von denen man meint, DIE könnten interessant werden, und man zugleich hofft, das kann insgesamt-hier pikant-rüde-aufregend werden. Doch dann bleibt der Film „stehen“. Nach einer guten halben Stunde. Bebildert nur Behauptetes, aber nicht schlüssig Nachvollziehbares, verheddert sich in der Erzählung total, weiß nicht mehr so recht, was man hier eigentlich macht. Und wieso. Stieg Larsson? W e r bitte???

7.) Bleibt also alles bei „Lisbeth“ hängen. Und DIE, in sportiver Gestalt von CLAIRE FOY, ist viel zu melancholisch, mitunter weinerlich, angelegt. Da ist nichts von der Härte, von der kompromisslosen Zynik, von der konsequenten Power-Furie einer NOOMI „Lisbeth“ RAPACE aus den ersten drei „Larsson“-Movies. Stattdessen muss sie immer nur traurig-schauen wie eine geprügelte Hündin, um sich dann mal fightend – begleitet von dieser unsäglichen Krach-Musik – zu bewähren, und um schließlich den mörderischen „Spiders“-Ober-Schurken (die Szene auf der Brücke, wo der Junge gerettet wird) NICHT einfach für immer und verdientermaßen auszuschalten, bloß weil diese doofe Handlung noch weitergehen muss. Die Noomi-Lisbeth war pfiffig, ausgebufft, von tätowierter Härte, verständlicher Brutalität, ein listiger, femininer „Rambo-Stirb langsam“-Verschnitt mit enorm viel Dauer-Power-Wut; während das Girl-hier nur immer so traurig in die schlimme Gegend kuckt. Wenn sie nicht gerade mit dem Motorrad herum-düst. Motto: Muss ich tatsächlich wieder zu-hauen? Ach so ja – ich liege doch im Moment in der Badewanne und verschnaufe gerade. Und ahne von nichts. Is‘ da was? Tauchen etwa j e t z t Böse auf? Ist mental aber gerade ungünstig. Shit.

8.) Nein, Stieg Larsson hätte an dieser Verfilmung gar keine Freude. Und ich habe sie auch nicht. Gefunden. Ganz im Gegenteil. Ein Läppisch-Thriller, mit-ohne Faszination, „richtiger“ Wut und entsetzlich schlecht geführten „Aufsage“-Schauspielern plus der blamabel-lächerlichen Versuchs-Handlung. Die man woanders („Bourne“) viel „voller“ über die gespannten Augen geschmiert bekommen hat. Dreimal b = banal, belanglos, blöd (= 1 PÖNI).

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