PÖNIs: (4,5/5)
„VERACHTUNG“ von Christoffer Boe (Dänemark/D 2018; B: Bo Hr. Hansen, Nikolaj Arcel, Mikkel Norgaard; nach dem gleichn. Roman von Jussi Adler-Olsen; K: Jacob Moller; M: Anthony Lledo, Mikkel Maltha; 118 Minuten; deutscher Kino-Start: 20.06.2019); man muss ob der vielen verknappten deutschen Titel aufpassen, wessen Krimis hier gerade filmisch adaptiert wurden. Bei den Verfilmungen der drei Stieg Larsson-Romane lauteten die deutschen Roman- wie Filmtitel: „Verblendung“/“Verdammnis“/“Vergebung“. Bei den Romanen seines dänischen Kollegen JUSSI ADLER-OLSEN handelte es sich bislang um folgende Roman- beziehungsweise Film-Titel: „Erbarmen“ (2014/s. Kino-KRITIK); „Schändung“ (2015/s. Kino-KRITIK) sowie „Erlösung“ (2016/s. Kino-KRITIK). Thriller 4 jetzt kann sich erneut sehen lassen. Und wie!
Mit IHM im Mittelpunkt, Grummelkopf Carl Morck (NIKOLAJ LIE KAAS). Der immer mies drauf ist. Eine „schlecht gelaunte Arschgeige“, nennt ihn denn auch Kollegin Rose (JOHANNE LOUISE SCHMIDT), die mit Carl und Kollegen Assad (FARES FARES) im Keller des Polizeipräsidiums alten Fällen nachstöbert. Als „Sonderdezernat Q“. Ein neuer Fall löst Entsetzen und Ekel aus: In einer Wohnung werden hinter einem Geheim-Raum drei skelettierte Leichen gefunden, gefesselt, um einen Tisch herumsitzend. Ein weiterer Stuhl ist unbesetzt. Die ersten Ermittlungen ergeben – die Menschen sind seit zwölf Jahren tot. Die Spuren führen auf die kleine, unzugängliche Ostsee-Insel Sproge.
Wo sich einst ein dunkles Kapitel dänischer Geschichte offenbart, denn hier wurden zwischen 1923 und 1961 in über 10.000 Fällen Sterilisationen an labilen oder „auffällig“ gewordenen jungen Frauen durchgeführt, in vielen Fällen auch Zwangseingriffe. Dabei kam es zu übelsten Misshandlungen. Um den Wohlfahrtsstaat „vor Schaden“ „zu bewahren“. Parallel zu den heutigen Ermittlungen wird die erbarmungswürdige Geschichte der jungen Nete (FANNY BORNEDAL) von einst aufgeblättert, die auf Veranlassung ihres Vaters damals in die Anstalt eingeliefert und zum „Spielball“ eines sadistischen Arztes, einer gewissenlosen Aufseherin und einer gnadenlosen Mitgefangenen wurde.
Ein nicht nur außerordentlich spannender, sondern auch relevanter Thriller. Der auf grausamen historisch verbürgten Vorkommnissen basiert. Bis zum heutigen Tag haben die betroffenen Frauen keine Entschädigung vom dänischen Staat erhalten. Und der davon handelt, dass heute dort weitergemacht wird, wo einst weiße arische Machthaber mit ihrer „natürlichen Auslese“ und ihren „genetischen Säuberungen“ wüteten. Wo ein Rassist in Weiß, als Anführer einer neuen-alten Bewegung stolz verkündet: „Je weiter die Menschen nach Norden fortschritten, desto gnadenloser war die Selektion. Nur die Intelligentesten überlebten. Diesen gesellschaftlichen Fortschritt dürfen wir nicht gefährden, indem wir Menschen, die das nicht durch machen mussten, erlauben, sich zu vermehren!“. Und so werden heutzutage muslimische junge Frauen „auserkoren“. „Behandelt“. Während die Arbeit der Polizisten weit über die Routine von „normaler“ Polizeitätigkeit hinausgeht.
Weil sie es mit eigentlich hoheitsrechtlich-staatlichen, also politischen Tätigkeiten zu tun bekommen. Um dann auch noch von eigenen Befugten immer wieder „wegen ihrer Ergebnisse“ gemaßregelt zu werden.
NIKOLAJ LIE KAS ist inzwischen wie geschaffen für diesen mürrischen Polizistenbruder; sein Kompagnon FARES FARES kann adäquater nicht sein. Regisseur CHRISTOFFER BOE setzt auf eine faszinierend-düstere skandinavische Thriller-Atmosphäre. Mit diesmal extremer Brisanz.
„VERACHTUNG“ ist der beste der bislang vier dänisch-deutschen Adler-Olsen-Thriller. Natürlich kabbelt sich das Team Morck & Assad einmal mehr gehörig, weil Assad aussteigen und in eine andere Abteilung wechseln will. Was Morck überhaupt nicht passt, er aber nicht in der Lage ist, dies angemessen auszudrücken. Von wegen Empathie-Vorzeigen. Im Vordergrund aber steht die Bösartigkeit und die Dringlichkeit eines Falles, der diesmal ganz besonders hohe Gesellschafts-Wellen auslöst. Hoffentlich wird die erstklassige Spannungs-Reihe fortgesetzt.
PÖNIs: (4,5/5)