SORRY WE MISSED YOU

PÖNIs: (4/5)

„SORRY WE MISSED YOU“ von Ken Loach (GB/Fr/Belgien 2018; B: Paul Laverty; K: Robbie Ryan; M: George Fenton; 100 Minuten; deutscher Kino-Start: 30.01.2020); ich mag ihn. Ich mag ihn sogar SEHR. Filmisch. Der Kerl ist inzwischen 83 und verliert einfach nicht seine rebellische Wut. Über die ungleichen, elenden, menschenverachtenden sozialen Verhältnisse. Im gierigen, mitleidlosen Briten-Kapitalismus. Wo extreme Benachteiligungen an der Tagesordnung sind. Die Rede ist vom britischen Polit-Provokateur KEN LOACH. Der schon seit Jahren den Rückzug vom Filme-Machen ankündigt, um dann doch wieder ein weiteres Werk nachzusetzen. Zur Erinnerung: Zuletzt sahen wir von ihm den wütenden Aufschrei „Ich, Daniel Blake“ (s. Kino-KRITIK/“Goldene Palme“ von Cannes 2016), davor „Jimmy’s Hall“ (s. Kino-KRITIK); „Angels‘ Share – Ein Schluck für die Engel“ (s. Kino-KRITIK/“Preis der Jury“ in Cannes) und der Spaß „Looking for Eric“ (s. Kino-KRITIK) mit Éric Cantona. Sowie „The Wind That Shakes the Barley“, mit dem er schon 2006 die „Goldenen Palme“ von Cannes gewann.

Heuer ist er wieder – verständlich – stinke-sauer. Denn in der nordenglischen Stadt Newcastle stimmen mal wieder die Sozialverhältnisse nicht. DIE FAMILIE. Bestehend aus Ricky (KRIS HITCHEN), Abbie (DEBBIE HONEYWOOD) plus zwei Kinder. Man geht gütig mit- und untereinander um. Während Ricky sich mit Gelegenheitsjobs durchschlägt, arbeitet Abbie als mobile Altenpflegerin. Einst lebten sie im eigenen Heim, doch nach der Finanzkrise 2008 mussten sie es verkaufen. Man lebt jetzt in einer bescheidenen Mietwohnung. Als Ricky die Möglichkeit erhält, als selbstständiger Kurierfahrer endlich eine feste Arbeit zu bekommen, wird ihr Auto verkauft, um die Chance zu nutzen. Ein neuer Lieferwagen wird angeschafft. Ricky ist bereit für die neue Herausforderung. Doch was euphorisch startet, wird mehr und mehr zum individuellen Alptraum. Stichwort: Der Druck durch seinen Auftraggeber steigert sich immens. „Ausfallzeiten“, zum Beispiel durch Stau oder Pinkelpausen, kommen nicht in Frage. Werden nicht „geduldet“. Unsinnige „Anordnungen“ häufen sich. Der Zusammenhalt innerhalb der Familie gerät erheblich ins Wanken. Als der Sohn in der Schule „patzt“, kann der Vater den dortigen Termin nicht wahrnehmen. Die Zustände werden immer unerträglicher. Für sämtliche Beteiligten.

„Es ist meine Absicht, dass mein Film zornig macht. Vor dem Millenium hatte man eine redliche Arbeit und konnte mit seinem Gehalt die Familie ernähren. Heute ist das Leben, die Welt eine würdelose, ohne Mitleid und Mitmenschlichkeit. Die Menschen wissen nie, ob sie morgen noch einen Job haben“, verbreitete KEN LOACH seine Verbal-Wut während der Pressekonferenz auf den Filmfestspielen von Cannes im letzten Frühjahr. Wo sein Film im Wettbewerb lief. Und in der Tat: Diese neue bedeutsame Ken Loach-Anklage trifft Nerven und Gehirn. Lässt viele kritische Gedanken nachhaltig wie spannend routieren. Auch diese: Warum sind eigentlich hierzulande Autoren und Regisseure nicht willens – oder in der Lage -, auch solche gesellschaftskritischen Wut-Kinofilme wie die eines Ken Loach herzustellen? Zu drehen? Aus vielen – zum Beispiel -„Spiegel“-Artikeln kann man wöchentlich heiße hiesige Themen für engagierte Filme finden. Wenn man nur will (= 4 PÖNIs).

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