1.) THE BIG EMMA! (I Love You!) Titel = „POOR THINGS“ von Giorgos Lanthimos (Co-Produktion + R; GB 2022; B: Tony McNamara; nach dem gleichnamigen schwarzhumorigen Roman von Alasdair Gray aus dem Jahr 1992. Der Autor (1934-2019) zählt zu den bedeutendsten Vertretern der neueren schottischen Literatur; seine Werke zeichnen sich durch das Verschmelzen von Sozialkritik, experimenteller Schreibweise und skurrilem Humor aus; K: Robbie Ryan; M: Jerskin Fendrix; 141 Minuten; deutscher Kino-Start: 18.01.2024). Einfallsreich, mit sagenhaft vielen überraschenden, offenherzigen, verstörenden, wunderbar emanzipatorisch-aufmüpfigen weiblichen Gedanken sowie extrem feministischen „Taten“ umwoben. Gerne erzählerisch als furchtlose BELLA-Variation mit reichlich Frankenstein-Charme versehen. Ein freiheitsliebendes cineastisches Wunderstück. Eine Wundertüte, die neulich in Venedig mit dem Hauptpreis, mit dem „GOLDENEN LÖWEN“, bedacht wurde und demnächst mit in den „Oscar“-Ring steigt. Die internationale Filmkritik jedenfalls rezensierte „POOR THINGS“ als bislang besten Film des griechischen Regisseurs GIORGOS LANTHIMOS, der 2017 mit seinem opulenten Kostüm-Drama „The Favourite – Intrigen und Irrsinn“ in die internationalen Filmwerkparaden großartig abhob (s. Kino-KRITIK /4 1/2 PÖNIs). Nennen wir die namhaften Akteure, die das Ensemble an der Rampe bilden: Zum Beispiel die Anführerin, die „Oscar“-Preisträgerin EMMA STONE („La La Land“/2017/s. Kino-KRITIK /3 PÖNIs), die hier speziell-pikant dauerhaft-glänzt. Während der in bester Erinnerung in und mit „Vergiftete Wahrheit“ (s. Kino-KRITIK /4 PÖNIs) beeindruckende MARK RUFFALO hier als als Duncan Wedderburn einen brillant-zwielichtigen Schleimer gibt; und der herrlich schmutzig maskierte monströse WILLEM DAFOE als Dr. Godwin („God“) Baxter für sonderbar-ästhetische, phantastisch-absurde wie trocken-ironische, verbal-göttliche Verrenkungen sorgt; und RAMY YOUSSEF als sein gutmütiger Assistent Max McCandles die Bella baldmöglichst zu ehelichen beabsichtigt. Während „unsere“ HANNA SCHYGULLA – als Martha Von Kurtzroc – schon mal witzig-originelle Nebengeräusche anstimmt.
Was aber passiert eigentlich? Sollte man sehen, muss man erleben, weil: zum besten Staunen und Hören „und umfangreichen „Genießen“ geeignet. Verdammt. Nur so wenig-viel: England. Im 19. Jahrhundert. Wir erleben gerade, wie sich eine junge, schwangere Frau mit einem Sprung von der Londoner Tower Bridge in die Themse stürzt. Ertränkt. Und „Glück“ hat, wenn man das mal so sagen darf. Denn diese junge Frau „landet“ bei dem ebenso kuriosen wie unorthodoxen wie „göttlichen“ Wissenschaftler „God“-Doktor, der sie sogleich zu retten bemüht ist. In dem er, aufgepasst, IHR Gehirn durch das des ungeborenen Kindes ersetzt. Und tatsächlich stakst die Frau, mit tatkräftiger Hilfe einer Elektroschockbehandlung, von den Toten auf und bekommt von ihrem Retter den Namen Bella zugewiesen. Allerdings – Bella befindet sich erst einmal auf dem Niveau eines Klitze-Klein-Kindes. So das GODwin Baxter zu ihrem Lehrer avanciert. Doch BELLA ist als Schülerin gigantisch begierig. Hungrig. Auf das Leben. Und auf die fehlende Lebenserfahrung. „Sie ist ein Experiment. Ihr Gehirn und ihr Köper sind noch nicht ganz im Einklang. Aber sie entwickeln sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit“, notiert „GOD“. Das Leben – leben gerät nun zu Bellas Hauptanliegen. Zu ihrer Hauptbeschäftigung. Was – wie – wann – wo beziehungsweise wohin – mit wem – bedeutet jetzt aber auch, lieber besser filmisch eintauchen als etwas ausführlich schriftlich berichtet zu bekommen. Nur so viel-wenig: Mit diesem verruchten, raffinierten, reichen Anwalt Wedderburn haut sie ab zu rasanten Abenteuer über europäische Kontinente. Welche? ANSEHEN, sagte ich doch. Nur so viel-wenig mitgeteilt: BELLA befreit sich immer mehr von den – männlichen – Zwängen und – männlichen – Vorurteilen ihrer Zeit und wächst zunehmend in und mit ihrer Entschlossenheit, für – sexuelle – Gleichzeit und – sexuelle – Freiheit einzutreten. SIE avanciert – genüsslich – zur sexuellen Hauptakteurin. Zu DER, die ihre tägliche Lust in vollen Zügen gestaltet. Verantwortet.
Und immer ausführlicher, umfangreicher „zupackt“. Ohne Scham. Sondern mit viel genussreichem Vollgenuss. Wenn man das so formulieren darf. Also – will. Im Film beschreibt man diese Aktionen auch gerne als „wildes Herumspringen“. Beziehungsweise, man nennt DIES auch – im bizarr-komischen Original – „furiously jumping“. Genau.
Wenn Weiblichkeit die gesellschaftliche Führung übernimmt. Wenn Kerle darüber völlig verblüfft, entsetzt, aufgeregt sind. Denn: Sie sind überrascht. Werden überrannt. Auch, und vor allem, viel-geistig. Männer können ganz und gar nicht mithalten. Wenn „Frau“, Bella und „Angehörige“, das Kommando übernimmt. In diesem Retro-futuristischen London. Der späten 19. Jahrhundert-Zeiten. Wo FRAU als eine unbezähmbare erotisch-sexuelle Naturgewalt pointiert, heißhungrig, lustvoll, selbstverständlich austeilt. „Die Geschlechter-spezifischen Dinge“ bestimmt. Genau. Wann wurden Männer solchermaßen-verlustreich schon mal zurückgelassen. Abgekanzelt. Ausgerockt. EMMA-BELLA lässt uns alle hoffen. „POOR THINGS“ ist ein „Sexpositiver Retro-Science-Fiction-Film“, heißt es gerade im „Filmdienst“. Genau. Oder was, Frauen? ! Der Film vermittelt Stellungs-präzise und dabei äußerst wunderbar-absurde unterhaltsame Signale.
Will sagen, wir sind soweit, also bereit, uns Euch – Bellas – anzuschließen. Erst dieser FILM, dann der – endliche – REIFE-WANDEL. Versprochen. Was für ein Film-Glück! (= 5 PÖNIs).
2.) BLÖDSINN RAUSCHT. Titel = „THE PALACE“ von ROMAN POLANSKI (Co-B + R; Italien/Schweiz/Polen/Fr 2022; Co-B: Ewa Piaskowska; Jerzy Skolimowski; K: Pawel Edelman; M: Alexandre Desplat; 100 Minuten; deutscher Kino-Start: 18.01.2024). Lasst uns NUR mal Eben-so Spaß-Haben. Keine soziale, gesellschaftliche, politische oder Sonst-was-für-Deutung. BE-Deutung. Hier sind wir, die Ihr uns kennt, und dort, im Saal, feiert ihr mit. Oder halt nicht. (Dann allerdings stellt sich die Frage, was macht IHR überhaupt-hier im Lichtspielrummel?) Motto: Auf zum Blödsinn. Schließlich ist der Maestro ROMAN POLANSKI. Jahrgang 1933. Und mitspielen tun immerhin Charakter-Asse wie Ami-Rotz MICKEY ROURKE; die französische Dame mit Hund FANNY ARDANT; der Ex-Monty Python JOHN CLEESE („Ein Fisch namens Wanda“/s. Kino-KRITIK /5 PÖNIs); „Clockwise – Recht so, Mr. Stimpson“/s. Kino-KRITIK /4 1/2 PÖNIs); OLIVER MASUCCI als köstlich-eifriger gestresster Hotelmanager; und dann auch noch der lustige Spießer-Bursche und beamtete Sauf-Clown MILAN PESCHEL. In den Schweizer Alpen, inmitten eines verschneiten Tals, steht ein imposantes Bauwerk mit märchenhafter Kulisse. Verbreitet eine begeisternde Atmosphäre. Es ist das Palace-Hotel, in dem sich alljährlich eine – mehr oder weniger – illustre Schar reicher, snobiger und lasterhafter Gäste einfindet, um den Jahreswechsel zu feiern. Auch in der Silvesternacht des Jahres 1999. Wo gemeinsam das Ende eines Jahrtausends bejubelt werden soll. Doch die Party in dieser luxuriösen Residenz wird von – eigentlich – unerwarteten Wendungen begleitet. Eigentlich. Ein schnuffiges Komödien-Feuerwerk?: Na ja.
Wer schmunzeln, lachen, sich schütteln will, kann das. Tut nicht weh. Der Rest ist Polanski auf der lockeren 08/15-Gag-Spur (= 2 1/2 PÖNIs).
3.) SALZGEBER. Für Freunde. Titel = „KNOCHEN UND NAMEN“ von Fabian Stumm (B + Co-Produktion + R; D: 2022; K: Michael Bennett; 104 Minuten; deutscher Kino-Start: 18.01.2024). Boris (FABIAN STUMM) und Jonathan (KNUT BERGER) sind seit Jahren ein Paar, haben sich aber nicht mehr viel zu sagen. Schauspieler Boris vergräbt sich in die Proben zu einem neuen Film mit der ambitionierten Regisseurin Jeanne (MARIE-LOU SELLEM) und vermischt dabei reale und fiktive Charaktere, Jonathan versucht seine Stimme als Schriftsteller neu zu definieren. Während durch die Tage des Ringens um Distanz, Nähe, Vertrauen; Verlangen und Verlustangst geistertauch noch Jonathans kleine Nichts Josie. Fabian Stumm erzählt in seiner fein gewebten Tragikomödie, die auf der vorjährigen Berlinale mit dem HEINER-CAROW-PREIS ausgezeichnet wurde, von der tatsächlichen und möglichen Abwesenheit der Anderen. „Ein kleiner, großartiger Film“, schreibt Jens Balkenborg im „epd Film Magazin“, mit dem Stumm etwas Seltenes gelinge, nämlich „mit Humor und doppeltem Boden von eigentlich schweren Themen zu erzählen und mit ihnen zu spielen. Er gießt die existenziellen Freuden und Nöte seiner Großstädter, ihre Ängste und Verluste (…) in einen höchst unterhaltsamen sehr menschlichen Film, in dem sich Leben und Kunst berühren und durchdringen“ (= 4 PÖNIs).
4.) TV-TIPP = Dieser Film ist ein Genre-Leckerbissen. Ihn gibt es immer und wird es immer geben: „BLUE VELVET – Verbotene Blicke“ von DAVID LYNCH (B + R). Aus dem Jahr 1986. Mit KYLE MacLACHLAN, ISABELLA ROSSELLINI und – als hundsgemeiner Oberschurke – DENNIS HOPPER. ARTE präsentiert den Kultfilm am MONTAG, 22.1. ab 22.10 Uhr. Story: Ein junger Mann aus einer Kleinstadt findet zufällig auf einer Wiese ein abgetrenntes Ohr und beginnt, die Hintergründe zu ermitteln …, was nicht „ohne Folgen“ abläuft (= 5 PÖNIs).
5.) MUSIK: Habe den SONG neulich per Hörfunk serviert bekommen – „19th NERVOUS BREAKDOWN“ von den ROLLING STONES. Geschrieben von MICK JAGGER und KEITH RICHARDS wurde er Ende 1965 aufgenommen und am 4. Februar 1966 in Großbritannien und am 12. Februar 1966 in den USA als Single veröffentlicht. Die Single war die fünftbestverkaufte Single des Jahres 1966 in GB und erzielte im Gesamtjahr höhere Verkaufszahlen als „Paint It Black“ der Stones. Wird Zeit, den Song aufzufrischen; ist mein Lieblingshit dieser Woche:
Nach dem begeisternden „TATORT“ aus Köln am letzten Sonntag geraten wir an diesem Sonntag (20.1.) gen Stuttgart, Titel: „ZERRISSEN“, wo bekanntlich die auch sehr geschätzten Ermittler LANNERT & BOOTZ (RICHY MÜLLER und FELIX KLARE) sehr oft für raffinierte kriminalistische Spannung sorgen. Bin neugierig. Meine Kritik folgt nach der 20.15 Uhr ARD-Ausstrahlung. Auf den bekannten Kanälen.
PÖNI grüßt