1.) ROBERT EGGERS: Jahrgang 1983, geboren in Lee/New Hampshire; begann seine Karriere am Theater in New York City, wo er experimentelle Theaterstücke inszenierte und auch für das Szenenbild verantwortlich zeichnete. Ab 2007 entstanden Kurzfilme (u.a. „Hansel and Gretel“), mit dem Horrorfilm „The Witch“ gab er sein Spielfilmdebüt, wurde beim „Sundance Film Festival“ 2015 mit dem Regiepreis „für den besten Spielfilm“ ausgezeichnet, während der Horror-Mystery-Zwitters auch das „Fantasy Filmfest“ bei uns und dann auch „reguläre Kinos“ erreichte und viel gelobt wurde (s. Kino-KRITIK/4 PÖNIs). Unter dem Titel „DER LEUCHTTURM“ (Original: „The Lighthouse“) fand auch der zweite Spielfilm von Robert Eggers seinen internationalen Festival- und Kino-Weg (u.a. „Cannes“) und wurde als hypnotisches Meisterstück entdeckt und vielgelobt (s. Kino-KRITIK/4 1/2 PÖNIs). In dem jetzt angelaufenen düsteren Historienfilm-Racheepos „THE NORTHMAN“ (GB/USA 2022) vereint der Autoren-Regisseur packende Bildgewalt und intensive Atmosphäre mit nordischer Mythologie und sagenhaften Schlachten. Jahre sind vergangen, seit Wikingerkönig Aurvandil (ETHAN HAWKE) bei einem Anschlag hinterrücks ermordet wurde. Sein Sohn Amleth (ALEXANDER SKARSGARD), der als Kind Zeuge der grausamen Tat war, kehrt körperlich gestählt nach Island anno 895 zurück, fest entschlossen gnadenlose Vergeltung zu üben, seine Mutter Königin Gudrún (NICOLE KIDMAN) zu retten und den Mörder Fjölnir (CLAES BANG) zu töten. Vor der Kamera sind auch WILLEM DAFOE („Heimir the Fool“) und die Kultmusikerin BJÖRK (in einem kleinen Part als The Slav Witch) in Aktion. Das Drehbuch zu „The Northman“ verfasste Regisseur Robert Eggers gemeinsam mit dem isländischen Autoren SJÓN, der das Kinopublikum neulich mit dem exzellenten Horror-Drama „LAMB“ (s. Kino-KRITIK/4 PÖNIs) verstörte. Insgesamt: Ein wüstes, bildberauschendes, gewaltiges, radikales Leinwand-Opus mit eindruckstiefer Musik, vereint um Götter, Hexen und mit diesem unglaublichen Köpfe-Gemetzel. Inmitten des verinnerlichenden Mottos: Wenn Klingen sich salbungsvoll ins Menschenfleisch schneiden. „Eggers fasziniert die Monochromatik der alten Meister, die gepaart mit der Archaik eine ganz andere Sinnlichkeit des Übernatürlichen erzeugt als Superhelden-Comics. Logisch, dass nun auch sein ‚Thor‘ in anderen Dimensionen agiert als der von Marvel“ (Jörg Gerle in der aktuellen „Film Dienst“-Kritik). Sowie, natürlich: Mit enormer Höllen-Action-Power – und mit: „Hamlet“-Charme (= 4 PÖNIs).
2.) KATZEN-MENSCH-KINO. Und umgekehrt. WUNDERBAR! Titel = „DIE WUNDERSAME WELT DES LOUIS WAIN“. Von WILL SHARPE (Co-B + R; GB 2020; Co-B: Simon Stephenson; K: Erik Wilson; M: Arthur Sharpe; 111 Minuten; deutscher Kino-Start: 21.4.2022). Dieser Film MUSS GEFALLEN. Hauptgrund: KATZEN spielen eine herrlich überdimensionale Vielfachrolle. Sowie auch „IHR MENSCH“. Namens LOUIS WAIN. London, Ende des 19. Jahrhunderts: Der ebenso begnadete wie exzentrische Zeichner und notorische Einzelgänger Louis Wain (genial empfindsam: BENEDICT CUMBERBATCH) lebt zusammen mit seiner Mutter und seinen fünf Schwestern in einem turbulenten Haushalt, in dem es an nichts fehlt – außer an Geld. Als Mann der Familie obliegt es ihm, diese zu ernähren. Weshalb er nur widerwillig eine Stelle als Illustrator bei der ‚Illustrated London News‘ annimmt. Eine Entscheidung, die sein Leben komplett verändert, denn seine Zeichnungen von KATZEN werden berühmt/weltberühmt. Doch damit nicht genug, der – eigentlich emotional schusslige – Louis verliebt sich Hals über Kopf in die für seine Schwestern neu eingestellte Gouvernante Emily Richardsen (CLAIRE FOY). Gegen alle Widerstände der Familie werden die beiden ein Paar. Und, ganz wichtig: Bald schon nehmen sie ein streunendes Kätzchen bei sich auf, das sie Peter nennen. Ungewöhnlich, denn im Victorianischen Zeitalter eine KATZE als Haustier zu halten, ist das schon etwas Außergewöhnliches. Alles scheint sich endlich zum Guten zu wenden, als ein Schicksalsschlag den eifrigen, schusseligen, HERZlichen Tierliebhaber Louis vor eine ganz andere Herausforderung stellt…..
LOUIS WAIN gehörte seinerzeit zu den berühmtesten britischen Malern. Mit seinen Katzen-Comics, die die Tiere in menschlichen Alltagssituationen zeigen, erlangte er Weltruhm. Der britische Superstar BENEDICT CUMBERBATCH, seit der legendären britischen Krimi-Serie „Sherlock“ als Titel-Darsteller bewundert wie SEHR geschätzt, spielt seinen Louis Wain (5. August 1860 – 4. Juli 1939) mit hinreißend-schrägem, wunderbar-schrulligem Schwung. Jede Szene mit ihm – was für ein Gewinn! Die Liebe seines Lebens wird von „Golden-Globe“-Preisträgerin CLAIRE FOY („The Crown“; „Aufbruch zum Mond“) gespielt. Die weiteren Rollen sind mit ANDREA RISEBOROUGH („Oblivion“) als herrschsüchtige Schwester und TOBY JONES („Sherlock“) als Louis Wain-Förderer vorzüglich besetzt. Regisseur WILL SHARPE, der im Format 4:3 drehte, lässt mit fantastischer Liebe zum Detail eine viktorianische Zeit auferstehen, die sich visuell grandios präsentiert, dabei bestechend imponiert, und er setzt diesem exzentrischen und „atmosphärischen“ Maler ein einzigartiges cineastisches Denkmal. Dieser Film ist ein wundervolles KINO-Prachtstück (= 5 PÖNIs).
3.) FAMILIENFILM. Titel = „MYSTÈRE: VICTORIAS GEHEIMNISVOLLER FREUND“. Von Denis Imbert (Co-B + R; Fr 2021; Co-B: Mathieu Oullion; Rémi Sappe; Stéphanie Vasseur; K: Fabrizio Frontemaggi; M: Armand Amar; 84 Minuten; Heimkino-NETFLIX-Start: 13.4.2022). „Das gefährlichste hier sind die Menschen, aber nicht die Tiere“: Eine simple, aber clevere Geschichte: Nachdem die Mutter verstorben ist, ziehen Vater und Tochter in die Berge des Cantal. Doch die 8jährge Victoria spricht kaum, vermag ihre Trauer und den Verlust ihrer Mutter nicht verdrängen. Und schon gar nicht verbergen. Das ändert sich erst, als die Kleine von einem alten Schäfer einen kleinen Hundewelpen namens Mystère anvertraut bekommt. Sie kümmert sich rührend um das Tier. Doch als der Welpe sich als ein kleiner Wolf entpuppt, beginnt der Ärger. Denn in der Region sind Wölfe verhasst. Die örtlichen Schäfer wollen deren Existenz nicht akzeptieren. Zumal andauernd ihre Schafe attackiert werden. „Mystère“ erzählt von der Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft, vermeidet kitschige Pointen und handelt auch von den Möglichkeiten, zwischen Natur und Toleranz zu vermitteln. Dazu fügt er die betörende Landschaft bildlich mit-ein. Eine durchaus liebevolle Zuhause-TV-Unterhaltung (= 3 PÖNIs).
4.) AUSSEHEN. Titel: „HAUTE COUTURE – DIE SCHÖNHEIT DER GESTE“. Von Sylvie Ohayon (B + R; Fr 2020; K: Georges Lechaptois; M: Pascal Lengagne; 101 Minuten; deutscher Kino-Start: 21.4.2022). Zwei soziale Welten und zwei gänzlich ungleiche Frauen prallen in dem schillernden Universum der Pariser Modeszene zusammen. „Hier erfreue ich mich am Leben“: Direktrice Esther (NATHALIE BAYE) steht kurz vor dem (eigentlich unerwünschten) Ruhestand und bereitet gerade ihre letzte Haute Couture-Kollektion vor. In der Metro wird sie von Jade (LYNA KHOUDRI) beklaut, doch die Diebin hat ein schlechtes Gewissen, möchte die Handtasche zurückgeben. So treffen sich Esther und die rebellische jugendliche Jade aus den Banlieue wieder. Trotz des Diebstahls will Esther dem Nachwuchs eine Chance bieten: eine Praktikumstelle in dem Haute Couture-Atelier. Für die Seniorin die letzte Gelegenheit, ihre Überzeugung an eine junge Frau weiterzugeben. Schönheit gilt es weiterhin zu erschaffen, denn sie ist von immenser Notwendigkeit in einer instabilen Welt. Der Film vermischt die Blicke auf die Hinter-die-Kulissen-Zustände in der brodelnden, intriganten und vielfach mit Neid und Missgunst gefüllten „Fabrik“=Modeherstellungswelt mit den sozialen Begebenheiten und höchst diffizilen empathischen Empfindlichkeiten – hier und in den privaten Milieus. Dabei schweift die Szenerie bisweilen ab, ohne dabei erklärend zu wirken. Die Hindernisse wirken hemmend. Während die beiden Hauptakteurinnen großartig auftrumpfen, in der Ton- und Befehlsart sind die vierfache „César“-Preisträgerin NATHALIE BAYE und „ihre Tochter“, die2020er- „César“-Preisträgerin LYNA KHOUDRI („Papicha“), eine Wucht. Und das Ende füllt schließlich grandios die Leinwand (= 3 PÖNIs).
5.) AH-JA-ABENTEUER. Mit viel lässiger KLISCHEE-SOSSE. Titel: „THE LOST CITY – DAS GEHEIMNIS DER VERLORENEN STADT“. Von Aaron Nee und Adam Nee (USA 2021; B: Seth Gordon; Oren Uziel; Co-Produktion: Sandra Bullock; K: Jonathan Sela; M: Pinar Toprak; 112 Minuten; deutscher Kino-Start: 21.4.2022). Es versammeln sich im Dschungel : 1.) Loretta Sage, die mit Romanschmonzetten über Liebe mit Abenteuer, und umgekehrt, bekannt wurde (SANDRA BULLOCK), aber inzwischen eine ziemlich frustrierte, zurückgezogene Lady mit Schreibblockaden bietet; 2.) der Held ihrer Geschichten, das Covermodel Alan (Dürftig: CHANNING TATUM), der so gerne auch „in echt“ solch ein Helden-Bubi wäre und sich deshalb an Loretta „klammert“; 3.) der Trainer Jack Trainer (BRAD PITT mit einem Fünf Minuten-Auftritt) sowie 4.) ein stinkreicher Dussel namens Mr. Fairfax (DANIEL RADCLIFFE !), der Loretta Sage entführt, also entführen lässt, und dadurch hofft, dass sie ihn zu einem Schatz der antiken verlorenen Stadt aus ihrem letzten Roman bringen möge. Logo. 5.) Dann hecheln noch ein paar Gestalten/Gestaltinnen herum. Und die Show kann starten. Übrigens mit diesem debilen Alan=Channing, der doch so gerne auch im realen Leben ein wahrer Draufgänger wäre, sein möchte, und sich leider permanent zu-blöd-anstellt, daneben benimmt. Bis er dann in Richtung Filmende plötzlich verständlicher zu sprechen in der Lage ist und auch noch zum Lover von Loretta Sage mutiert. Das Ganze ist eine leidlich komische Action-Abenteuer-Mimik-Show, bei der man über die ulkigen Klamotten und Hackenschuhe von Mit-Produzentin und Dschungelfrau Frau Bullock schmunzeln darf, während Channing und Radcliffe irgendwie nur mit-schwimmen. Und Brad Pitt, der eigentlich sogleich alle an die Wand klammern könnte, leider schnell wieder verschwindet. Am Ende allerdings dann, beim Yoga, nochmal kurz verbal winkt (= 2 1/2 PÖNIs).
6.) NÖ. Titel: „IN DEN BESTEN HÄNDEN“. Von Catherine Corsini (Co-B + R; Fr 2020; Co-B: Laurette Polmanss; Agnès Feuvre; K: Jeanne Lapoirie; M: Robin Coudert; 99 Minuten; deutscher Kino-Start: 21.4.2022). Im Pariser Krankenhaus sind, was Patienten betrifft, (zu) viele überkandidelt. Außerhalb sowieso, wo die Geldwesten-Demonstrationen dröhnen. Aber im Gebäude der Notaufnahme hecheln die Einge- und Betroffenen mächtig gewaltig. Zum Beispiel: Die Comiczeichnerin Raphaela (VALERIA BRUNI TEDESCHI) und ihre Verlegerin und Liebschaft Julie (MARINA FOIS). Man fetzt sich von Filmanfang-an und kommt auch hier nicht zum Abdampfen. Zoff lautet ihre Beziehung. Doch Raphaela hat sich den Arm gebrochen und schreit viel wie am Spieß. Was das sowieso schon überstrapazierte, überforderte Team-Ärzte die letzten Nervenkräfte kostet. Und als auch noch der nur-wütende LKW-Fahrer Yann (PIO MARMAI) mit seiner ekligen Beinverletzung zu der sowieso dauer-ausflippenden Raphaela ins Zimmer verlegt wird, prallen Vorurteile und Klassen-Ressentiments aufeinander. Bis die Luft ausgespuckt ist und man „sich nähert“. Die – so genannte – französische Realitätsfabel bewegt sich permanent wild und bebend und soll als Beispiel für den aktuellen „französischen Gesellschaftszustand“ herhalten. Dabei benehmen sich die Menschen in vielen Fällen dermaßen aufdringlich, unappetitlich und brüllend, dass von ergreifender Anteilnahme und geistigem zuschauerhaften Mitlauf keine verständliche Rede sein kann. Während der angestrebte intellektuelle politische Symbolismus den Bach runterdampft. Ein stressiges, quälerisches Anti-Movie-Polit- & Schwarzkomödien-Filmstück (= 2 PÖNIs).
7.) ABSCHIED. Als Jacques Simonet wurde er am 13. Juli 1941 in Paris geboren. Als JACQUES PERRIN produzierte er und drehte er Filme und war auch als Darsteller viel unterwegs. Gestern, am Donnerstag, verstarb er im Alter von 80 Jahren. Bis zu seinem Lebensende spielte er in mehr als 70 französischen und italienischen Filmen, darunter der „Oscar“-prämierte und auch in Deutschland hochgeschätzte Klassiker „CINEMA PARADISO“ (s. Kino-KRITIK/5 PÖNIs). Darin mimte Jacques Perrin den Filmemacher Salvatore, der seine Kindheit in einem sizilianischen Dorf, beim dortigen Kino (mit dem Vorführer Alfredo/Philippe Noiret), Revue passieren lässt. Jacques Perrin war an der Produktion von rund 15 Filmen beteiligt, unter anderem an dem bedeutsamen Politthriller „Z“ von Constantin Costa-Gavras, der 1970 den „Oscar“ als „Bester fremdsprachiger Film“ erhielt. Als engagierter Umweltschützer produzierte der Franzose außerdem mehrere Natur-Dokumentarfilme. Als Regisseur drehte er 2001 „Nomaden der Lüfte – Das Geheimnis der Zugvögel“, der für den „Oscar“ als „bester Dokumentarfilm“ nominiert wurde. Sein Film „Unsere Ozeane“ (s. Kino-KRITIK/5 PÖNIs) gewann 2011 den „César“ für die „beste Dokumentation“. Ein Abschied, der wehtut.
8.) Musikalischer ABSCHIED. Natürlich ist an dieser Stelle zu sehen und zu hören: ENNIO MORRICONE und Orchester mit der Titel-Musik aus dem Klassiker „CINEMA PARADISO“. Große Verbeugung:
Wünsche eine gelungene, GESUNDE Woche.
HERZlich: PÖNI PÖnack
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