PÖNIs BLOG (180): „CONTRA“-Heimkino; Iranischer Spitzenfilm: „A HERO“; Damals war’s in Zürich; „DAS EREIGNIS“; TV-TIPP; BRUCE WILLIS

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0.)   SÖNKE WORTMANN daddelt nicht gerne öffentlich herum, sondern lässt lieber seine besonderen Kinofilme sprechen. Sein letzter hieß „CONTRA“, startete am 28. Oktober 2021 und fand viel verdienten Zuspruch (s. Kino-KRITIK/4 1/2 PÖNIs). Jetzt kommt er – mit „Extras“ – im hiesigen Heimkino auf DVD & Blu-ray heraus: DIE EMPFEHLUNG GILT weiterhin.

1.)   SPANNENDER, DOPPELBÖDIGER HUMANISMUS. Titel = „A HERO – DIE VERLORENE EHRE DES HERRN SOLTANI“ Von ASGHAR FARHADI (B, Co-Produktion + R; Iran/Frankreich 2020; K: Ali Ghazi; 127 Minuten; deutscher Kino-Start: 31.3.2022). ER ist einer der bedeutendsten europäischen Filmemacher: ASGHAR FARHADI, geboren am 7. Mai 1972 im Iran, in der Provinz Isfahan. Seine Kinofilme wurden auf zahlreichen internationalen Festivals ausgezeichnet, zum Beispiel „Nader und Simin – Eine Trennung“ erhielt 2011 den „Goldenen Berlinale Bären“/s. Kino-KRITIK (5 PÖNIs) und danach den „Oscar“ für den „besten fremdsprachigen Film“. 2017 wurde ihm für seinen Film „The Salesman“ zum zweiten Mal der „Fremdsprachen-Oscar“ verliehen, und danach in Cannes im Frühjahr wurde ihm der Preis für das „Beste Drehbuch“ ausgehändigt. Thema: Wann ist „WER“ gut? Wann ist jemand ein Wohltäter? Wann ein Heuchler? Ein herzloser Geizhals? Ein „Täter“? Ein Opfer? Ein stupider Mitläufer? Wer ist inmitten der menschlichen Gesellschaft ehrenwert? Wer lügt? Wer „spielt“? Wer ist unehrlich? Wer berechnend? Das Ergebnis, das uns Asghar Farhadi mit „A HERO -Die verlorene Ehre des Herrn Soltani“ präsentiert, ist eine ziemlich eisige Bestandsaufnahme einer Gemeinschaft, die genau so schnell Heldenbilder erschafft wie sie bereit ist, diese sogleich wieder zu zerstören. In Cannes erhielt Asghar Farhadi für seinen neunten Spielfilm im Vorjahr den „Großen Preis der Jury“, die zweitwichtigste Auszeichnung.

Rahim (ein phantastisch-lächelnder: AMIR JADIDI) ist naiv. Oder etwa berechnend?: „Was ist schon gerecht in dieser Welt?“: Seine Freundin übergibt ihm eine von ihr gefundene Handtasche. In dieser befinden sich wertvolle Münzen. Mit denen könnte er den größten Teil seiner Schulden abbezahlen. Um so seine Gefängnisstrafe zu verkürzen. Doch er entscheidet anders. Rahim will ehrlich sein. Entscheidet sich, den Fund zurückzugeben. Als die Gefängnisleitung von dieser guten Tat erfährt, machen sie dies öffentlich. Journalisten und Fotografen werden hellhörig. Von wegen – an Rahim, den Helden, sollte sich die Allgemeinheit ein gutes Beispiel nehmen. Und dies muss doch sogleich der (TV-)Öffentlichkeit mitgeteilt werden. Ein Wohltätigkeitsverein verleiht ihm eine Urkunde. Was für ein HERO dieser Herr Rahim doch ist. Dessen Gefängnisaufenthalt, von dem er gerade kurz „frei“ gekriegt hat, überprüft werden sollte. Doch dann kriegen „die Dinge“ eine neue Wertung. Eine verflixte Wendung. Plötzlich erscheint alles ganz anders als eben noch so gefeiert.

„A HERO“ erzählt von der Vermischung zwischen Positionen und Manipulationen. Wie eng diese Moralbenennung zusammenprallen kann, wenn man sie „unglücklich“ handhabt. Von wegen – Du Mensch entscheidest. Begehst du dabei „Schwächen“, kann es sein, dass du damit / dadurch abstürzt. WIE dies ASGHAR FARHADI beschreibt, entwickelt, besitzt Allgemeingültigkeit, Von wegen – die angestrebte Ehre und ihre unbarmherzigen Folgen. Wie in einem unanständigen Spannungsthriller bleiben Taten doppelbödig. Nichts ist so wie es den – eigentlichen – Anschein hat(te). Jedes freundliche Lächeln gilt es jetzt zu überprüfen. Motto: Der Mensch und seine „Möglichkeiten“  oder –  nichts ist so wie es ausschaut. „A Hero“ wurde 2021/2022 für über 30 internationale Film- bzw. Festivalpreise nominiert, von denen das erstaunlich listige Werk elf gewinnen konnte. Was für ein raffiniertes Kunststück von bedeutungsstarken, meisterlichem Gegenwartsfilm. Mit einer enormen empathischen Ideen- sowie einer pikanten politischen Ensemble-Schlagkraft (= 4 1/2 PÖNIs).

2.)   UNGERECHT ist GERECHT. Titel = „BIS WIR TOT SIND ODER FREI“. Von OLIVER RIHS (Co-B + R; Schweiz/D 2020; Co-B: Dave Tucker; Ivan Madeo; Norbert Maass; Oliver Keidel; frei nach dem Buch „Stürm – Das Gesicht des Ausbrecherkönigs“ von Reto Kohler; inspiriert von einer wahren Geschichte; K: Felix von Muralt; M: Beat Solér; 118 Minuten; deutscher Kino-Start: 31.3.2022). „Wir werden alles ändern. Alles“. Es sind die frühen 1980er-Jahre in der Schweiz. Rebellion liegt in der Luft. Die engagierte Anwältin Barbara Hug (MARIE LEUENBERGER), die schwerbehindert ist, will das rückständige Justizsystem von Grund auf umkrempeln. Sie vertritt Linksautonome wie die rebellische Heike (JELLA HAASE) und nutzt den Gerichtssaal als ihre anklägerische Bühne. Eines Tages sucht der Industriellen-Sohn und Berufskriminelle Walter Stürm (JOEL BASMAN), der gerade mal wieder aus dem Gefängnis geflohen ist, ihren Rat. Der charismatische Stürm widerspricht allen Regeln, lebt bedingungslosen Egoismus und „stört“ andauernd das staubige Schweizer System. Nicht nur Heike verfällt seinem jungenhaften Charme, auch Barbara fühlt sich zu ihrem „schwierigen“ Mandanten hingezogen. Als der als Ausbrecherkönig bekannte Walter erneut im Knast landet, kommt er in Isolationshaft. Und ausgerechnet Stürm, der auf keine Ideologie zählt, wird in linken Kreisen zum Symbol für Freiheit und die Würde des Einzelnen.

Der robuste Spielfilm nähert sich seinem authentischen Personal. Barbara Hug (1946 – 2005) kämpft als gesundheitlich angeschlagene Wutbürgerin um neu zu formulierendes „tatsächliches“ Schweizer Recht („So machen Sie die ganze Schweiz zum Gefängnis“), während Walter Stürm (1942 – 1999) mit seinem subversiv-schlitzohrigen Humor sein ganz individuelles Recht, nämlich ausbrechen zu dürfen wann und wie er es für richtig-notwendig hält, ausnutzt: „Freiheit ist das, was man sich nimmt“. Ein Film, der das Recht auf gerechtes Recht plädiert (= 3 PÖNIs).

3.)   ERSCHÜTTERND EHRLICH. Titel = „DAS EREIGNIS“. Von AUDREY DIWAN (B + R; Fr 2020; nach dem gleichnamigen autobiografischen Roman von Annie Ernaux/2000/in Deutschland am 12.09.2021 veröffentlicht; K: Laurent Tangy; 100 Minuten; deutscher Kino-Start: 31.3.2022). Frankreich, 1963. Anne (beeindruckend, enorm dicht: ANAMARIA VARTOLOMEI) ist eine begabte Literaturstudentin. Kann auf eine vielversprechende Zukunft setzen. Als sie schwanger wird , sieht sie ihre Chancen schwinden, ihr Studium zu beenden und sich aus den Zwängen ihrer sozialen Herkunft befreien zu können. Abtreibung ist gesetzlich streng verboten: „Das Gesetz dafür ist unerbittlich“. Die Beratung bei einem Arzt ist deutlich: „Frauen sollten nicht selbst entscheiden. Sie müssen es akzeptieren. Sie haben keine Wahl“. Anne sieht sich plötzlich auf sich ganz alleine gestellt. Die Wochen verstreichen, die Abschlussklausuren stehen an. Anne entscheidet zu handeln, auch wenn sie dabei riskiert, bestraft zu werden, ins Gefängnis zu kommen. „Ich kam aus dem Screening und war sehr bewegt. Das Einzige, was ich zu Audrey Diwan sagen konnte, war: ‚Du hast einen wirklich wahrhaftigen Film gedreht. Er behauptet nichts, verurteilt niemanden und neigt nicht zur Dramatisierung dessen, was damals geschah'“, sagt Annie Ernaux, auf deren autobiographischem Buch „DAS EREIGNIS“ basiert. Beim Filmfestival von Venedig 2021 setzte sich das bewegende Drama gegen die filmische Konkurrenz von Filmemachern wie Paolo Sorrentino und Pedro Almodóvar durch und wurde mit dem „GOLDENEN LÖWEN“ als „BESTER FILM“ geehrt. In diesem Jahr bekam die großartige Hauptdarstellerin ANAMARIA VARTOLOMEI den „César“ in der Kategorie „Beste Nachwuchsdarstellerin“. 

„DAS EREIGNIS“ ist ein wichtiger, zu vielen nachhaltigen Diskussionen anregender, intensiver Spielfilm in einer Zeit, in der das Recht auf die weibliche Selbstbestimmung selbst innerhalb Europas und in Amerika (gerade: in Texas) immer wieder unter Beschuss gerät (= 4 1/2 PÖNIs).

4.)   TV-TIPP: Wer einen der besten französischen Kriminalfilme der fünfziger Jahre (nach-)sehen möchte, hat dafür am kommenden MITTWOCH, 6. April 2022 ab 22.45 Uhr bei ARD One mit / bei „RIFIFI“ von Jules Dassin die Gelegenheit. Verweise auf die ausführliche Archiv-Kritik (s. Kino-KRITIK / 5 PÖNIs). „Rififi“ war 1955 bei den Filmfestspielen von Cannes im Wettbewerb um die „Goldene Palme“ und bekam den Regie-Preis. Wieder steht fest: DIE EMPFEHLUNG für einen besonderen cineastischen Wurf GILT! UNBEDINGT!

5.)   MUSIK: Unvergessen  – erstmals habe ich ihn in der vorzüglichen Ami-Comedy-Krimi-TV-Serie „Das Model und der Schnüffler“ (Original: „Moonlighting“) Mitte der Achtziger-Jahre (gemeinsam mit Cybill Shepherd) gesehen: BRUCE WILLIS , präzise Walter Bruce Willis, geboren am 19. März 1955 in Idar-Oberstein. Der danach, ab 1988, mit „STIRB LANGSAM“, die Karriereleiter riesig-ACTION-erfolgreich hochstieg. Jetzt musste er aussteigen. Soeben, kurz nach seinem 67. Geburtstag, gab dies seine Familie bekannt, nachdem bei ihm eine Aphasie diagnostiziert worden war. Bruce trat auch als Sänger in Erscheinung, und ein legendärer Song mit ihm (and „The Temptations“) ist von mir zum LIEBLINGSCLIP DER WOCHE gekürt worden: „UNDER THE BOARDWALK“, von 1987. Tschüss Bruce, du wirst fehlen:

Wünsche eine Prima -BRUCE MACH’S GUT-WOCHE.

HERZlich:   PÖNI PÖnack

kontakt@poenack.de

 

 

 

 

 

 

 

 

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