PÖNIs BLOG (139): „DER MAURETANIER“; „CRIME GAME“; Blöd: „CHAOS WALKING“; „DUNKLE ABGRÜNDE“; BOB DYLAN

0.)   Ist das Zufall?: Habe seit der langsamen Öffnung hiesiger (= Berliner) Kinos mit Pressevorführungen einige neue Filme DORT gesehen. Dabei „wütete“ ich bei schlechten Leinwandwerken mehr als sonst. Bin „persönlich“ beleidigt. Über – manchmal – so viel beknacktes Nonsens-Niveau. Und merkte, dass mäßige Home-Office-Streifen längst nicht so viel geistige Wut-Spuren hinterließen als jetzt die Bilder fernab im Parkett. Würde, wenn Anfang Juli der Normallichtspielbetrieb startet, von Euch wissen wollen, wie Ihr DAS empfindet. Ich jedenfalls bin schon nach wenigen Tagen, mit jetzt auch wieder diesen „Draußen-Lichtspielen“, ziemlich gefrustet. Oder bin ich viel zu empfindlich? Nehme Eure diesbezügliche Antwort-Post wie immer gerne entgegen.

Apropos – beim FUSSBALL ist es inzwischen genauso: Je mehr tägliche Spiele die diversen Privat-TV-Kanäle anbieten, um so weniger schalte ich ein. Von wegen  –  diese GELD-GIER wird immer Geruchs-intensiver, also: unerträglicher. Vermiest einem den einst so wunderbaren tollen Sport. Noch ein Wettbewerb mehr und dann noch ein Wettbewerb mehr und schnell noch einen internationalen Wettbewerb dazu sowie: noch ein weiteres unnützes Länderspiel mehr … , IHR habt sie doch nicht mehr alle.

1.)   MUSS-FILM. Einführung: DIES IST EINE WAHRE GESCHICHTE. Thema: Wir leben frei. In Freiheit und Demokratie. Auch in den Vereinigten Staaten von Amerika ist das so. Soll das so sein. Sollte dies so sein. Herrschen. Doch die fürchterlichen Anschläge vom 11. September 2011 sorgten für undemokratische Rechtszustände. Stichworte: Verdächtige wurden ohne rechtlich fundierte Anklagen „behandelt“. Auf sich außerhalb der USA befindenden „amerikanischen“ militärischen Gefangenenlager. Wo hunderte Gefangene aus der ganzen Welt – wie in GUANTANAMO BAY auf Kuba – über Jahre ohne Anklage festgesetzt, verhört und gefoltert wurden. Um die Wahrheit über die zu ermitteln, die für diese entsetzlichen Angriffe vom 11.9.2011 verantwortlich waren. Sind. Davon handelt: „THE MAURITANIAN“USA/GB 2019/2020. B: Michael Bronner; basierend auf dem „Guantanamo-Tagebuch“ von Mohamedou Ould Slahi; Regie: KEVIN MACDONALD. 

Der am 28. Oktober 1967 im schottischen Glasgow geborene Regisseur, Drehbuchautor und Filmproduzent ist der Enkel des ungarisch-britischen Drehbuchautors und Kult-Filmregisseurs Emeric Pressburger (1902-1988). Schuf die auch hierzulande vielbeachteten großartigen Filmwerke „Der letzte König von Schottland“ (s. Kino-KRITIK/4 1/2 PÖNIs) sowie „State of Play – Stand der Dinge“ (s. Kino-KRITIK/4 PÖNIs). Sein aktuelles politisches Filmwerk lautet: Der Mauretanier – (K)Eine Frage der Gerechtigkeit“. 129 Minuten. Die USA, zwei Monate nach dem Terroranschlag auf das New Yorker World Trade Center, der als „9/11“ in die Geschichte einging. Die Stimmungslage ist hochgradig angespannt, die Nation sucht nach Schuldigen. Mit dem Mauretanier Mohamedou Ould Slahi (TAHAR RAHIM) scheint ein Drahtzieher gefunden zu sein. Er soll die Attentäter während seines Aufenthalts in Deutschland verpflichtet haben. Mehr Beweise als einen verdächtigen Anruf, den er erhalten hatte, braucht es nicht, um einen Menschen für 14 Jahre in Guantanamo Bay wegzusperren. Wo Mohamedou Ould Slahi mit brutalsten Methoden wochenlang verhört, gefoltert wird und gesteht. Und lebt dort weiterhin ohne Anklage oder Gerichtsverfahren. Währenddessen sich die US-Anwältin Nancy Hollander (JODIE FOSTER) und ihre Kollegin Teri Duncan (SHAILENE WOODLEY) in seinen Fall „einmischen“. Ohne selbst von der Unschuld des Häftlings mit der Nummer 760 überzeugt zu sein, übernehmen sie den Fall. Dabei müssen sie sich mit vielen Hindernissen befassen. Stapel von Aufzeichnungen durcharbeiten. Deren Lesbarkeit bzw. Deutbarkeit alleine sich als schwierig erweist – die Texte sind meistens geschwärzt. Gegenspieler ist der US-Staatsanwalt Stuart Couch (BENEDICT CUMBERBATCH), von dem erwartet wird, Indizien zu liefern, die Slahi weiter belasten. Aber schon bald wird deutlich – es gibt keine. Im Gegenteil: Die schonungslose Realität in Gunantanamo entblättert sich mehr und mehr: fensterlose Zellen, schaurige Methoden, von körperlicher und sexueller Misshandlung bis hin zur Drohung, seine Mutter zu inhaftieren. Diese Realität der unsagbaren Demütigungen hinterlässt auf beiden Seiten tiefe Spuren. Slahi führt als Häftling Tagebuch. Dieses wird eine immense Rolle bei der späteren juristischen Wertung spielen. (Und wir wissen, dass aus diesem Tagebuch später „Das Guantanamo-Tagebuch“ entstand, das ein internationaler Bestseller und Grundlage für diesen Film wurde).

Die Fakten: Nach dem Terroranschlag veranlasste George W. Bush die Errichtung des Gefangenlagers in der kubanischen Bucht. Das Ziel war der Schutz der Vereinigten Staaten vor Terroristen. Die Rechtslage der Gefangenen und die Verstöße gegen die Menschenrechte in Guantanamo führten international zu großer Kritik. Seit 2002 wurden hier insgesamt 779 Gefangene inhaftiert. Allein im Jahr 2003 versuchten 120 Häftlinge, sich das Leben zu nehmen. Der Film ist mehr als nur ein ästhetisch und erzählerisch starkes Werk, er ist zugleich ein wichtiger und brandaktueller Beitrag zu einem der dunkelsten Kapitel der USA, und ist längst noch nicht abgeschlossen. Noch immer warten 40 Menschen in Guantanamo auf einen fairen Prozess und ihre Freilassung. Barack Obama wollte zu seiner Amtszeit als US-Präsident die Fälle prüfen. Diese Strategie setzte sein Nachfolger Donald Trump vorübergehend aus. Heute ist Präsident Biden dafür zuständig. In den letzten Jahren hat das Ansehen der Vereinigten Staaten von Amerika – „America first“ – mächtig gelitten. Antidemokratische Auswüchse, der latente Rassismus, die exzessive Polizeigewalt, Guantanamo. Es wird auch über dieses tief-einwirkende, bedeutsame, emotional entsetzlich aufrüttelnde Spielfilm-Drama deutlich, wie sehr die rechtlichen und menschlichen Defizite das Markenzeichen U S A enorm beschmutzen (= 5 PÖNIs).

2.)   Na Ja. Titel = „CRIME GAME“. Spanien 2020. Credits: Regie: JAUME BALAGUERÓ; 5 Drehbuch-Autoren; K: Daniel Aranyó; M: Arnan Bataller; 118 Minuten. Der Traum, der Wunsch: „Große Dinge entwachsen dem Kleinen“. Einen monumentalen spanischen Einbruch wagen. Das isses doch. In den am besten gesicherten Tresorraum der Welt, ruhend in der Bank von Spanien, einzubrechen. „Du bist so klug = du überlegst zu viel“, erklärt die Frau ihrem Gatten Walter (LIAM CUNNINGHAM). Der sich gerade mit einem Team, darunter befindet sich auch der scharf-kluge Student Thom, FREDDIE HIGHMORE, und der als bärtiger Computer-Hacker agierende German-AXEL STEIN („Scheiße, it’s frozen!“) daranmacht, einen solchen diabolischen Coup durchzuführen. Die Zeit, die dafür schließlich zur Verfügung steht, sind die 90 beziehungsweise 120 Minuten beim Fußball-WM-Finale 2010. Wo Spanien zuhause um den Pokal fightet. (Gegen wen hab‘ ich vergessen). Und die Massen-Massen in SEHR lauter Bewegung sind. Während dieser Prime-Time soll das Klau-Unmögliche gelingen. Begleitet von einer mitunter zu doll schreienden Erklärungsmusik. Wie ein ziviler Western spult sich das Geschehen ab. Wobei – einer vom Walter-Team ist ein Bank-Falsch-Spieler. Sozusagen – der bietet das Outlaw-Arschloch an. Ansonsten, das Geschehen: Leidlich und zuletzt immer mehr spannender. Für die passable Na Ja-Heimkino-Unterhaltung (= 2 1/2 PÖNIs).

3.)   Fürchterlich. Titel = „CHAOS WALKING“Von immerhin: DOUG LIMAN. New Yorker des Jahrgangs 1965. Dessen Filme höchst unterschiedlich erscheinen. „Die Bourne Identität“ war 2001 knallig (s. Kino-KRITIK/4 PÖNIs), ebenso 2010 „Fair Game – Nichts ist gefährlicher als die Wahrheit“ (s. Kino-KRITIK/4 PÖNIs). Dagegen stürzten zwei Tom Cruise-Streifen von ihm ab: 2014 „Edge of Tomorrow“ (s. Kino-KRITIK/0 PÖNIs) und auch 2017 „Barry Seal: Only in America“ (s. Kino-KRITIK/0 PÖNIs). Das aktuelle Chaos ist auch ein solches. Basiert auf dem Roman „The Knife of Never Letting Go“ von Patrick Ness, dem ersten Buch der Chaos-Walking-Trilogie von 2008, das hierzulande unter dem Titel „New World: Die Flucht“ veröffentlicht wurde. USA 2017/2019; B: Charlie Kaufman, Jamie Linden, Gary Spinelli; K: Ben Serensin; M: Marco Beltrami; Brandon Roberts; 109 Minuten; deutscher Kino-Start: 17.6.2021. Motto: Murks. Science Fiction im Jahr 2257. Auf der Erde ist kein Leben mehr, also hat sich Menschheit auf einen kolonisierten Planeten begeben. New World. Dort hausieren, zum Beispiel in Prentisstown, nur Kerle, weil die Frauen in einem Krieg umgekommen sind. Heißt es. Dann aber landet doch eine – hübsche – Frau dort und wird von Todd Hewitt ge- und beschützt. Oder auch umgekehrt. Denn Mayor Prentiss (grauenvoll: MADS MIKKELSEN; reitend und dumm-quatschend im rotbraunen Wintermantel) hat die Anweisung gegeben, Viola (DAISY RIDLEY) einzufangen. Was Todd Hewitt, der noch nie ’ne Frau gesehen hat, natürlich verhindern will. Ahnt Todd, was der schurkische Boss mit Viola anzustellen beabsichtigt?

Was passiert: Murks. Männer kreisen herum, können LAUT ihre verhuschten Gedanken lesen UND hören, so dass man nichts verheimlichen kann. Jeder darf mit-lauschen. Eine Pointe, die nur nervt und überhaupt nicht wirkt. Todd Hewitt (TOM HOLLAND) ist ’ne Murks-Niete. Bei dem immer ein kleiner Terrier mitläuft. Manchee. Der ist niedlich. Dass der dann umgebracht wird, ist gemein. Und lässt diese dauerlangweilige Posse noch doofer wirken. In der „Los Angeles Times“ hat Kevin Crust etwas von Reizüberflutung ebenso geschrieben sowie diesen letzten Satz: „Aber auch wenn Liman und der Supervisor für visuelle Effekte, Matt Johnson, einen angemessenen filmischen Weg gefunden hätten, ‚The Noise‘ auf die Leinwand zu bringen, wirke sich die Kakophonie der Stimmen nachteilig auf den Film aus, insbesondere auf die Zeichnung der Figuren und den Subtext“. Was ich gerade auch mitteilen wollte: Totaler Murks (= 1/2 PÖNI).

4.)   JA, DIESE POINTE. Titel = „FROM THE DEPTHS – DUNKLE ABGRÜNDE“. USA 2020. Von Jose Montesinos (B + R). Am 29. Dezember 2005 lief in den Kinos das Woody Allen-Meisterwerk „MATCH POINT“ an (s. Kino-KRITIK/4 1/2 PÖNIs). Dabei entschied sich erst in den letzten Filmminuten, ob der erstmals vollständig in London gedrehte Allen-Streifen ein Volltreffer oder ein Mitläufer ist. Heute habe ich ebenfalls solch einen Film anzubieten. Wo sich auch erst ganz zum Schluss, durch eine vorzüglich gesetzte Pointe, zeigt, ob dieser Amazon Prime-Streich gelingt oder misslungen ist. Am Anfang – ein emotionales Kuddelmuddel. Schuld daran: Ein biestiger Hai. Der immer und immer wieder Liz (Angelica Briones) behelligt. So dass sie schweißgebadet aus diesem Alptraum-Schlaf aufwacht. Liz hat vor einem Jahr bei einem wässrigen Ausflug ihre Schwester und deren Freund bei einer Hai-Attacke verloren. Seitdem kriegt sie sich tags und – vor allem – nachts kaum ein. Ist in psychiatrischer Behandlung. Nimmt aber keine Pillen, will „so“ aus diesem Hai-Schlamassel herauskommen. Wird dabei von ihrer Freundin Roberta (Terra Strong) unterstützt. Doch der Hai klingelt weiterhin täglich mindestens zweimal. Taucht nicht nur im Wasser „erwartet“ auf, sondern befindet sich mittenmal – fliegend – auch am Wohnungsfenster oder gar in ihrer Wohnung. Ein emotionales Dauerchaos. „Ich fühle mich nutzlos und schwach“: Liz beginnt zu resignieren. Und dann taucht auch noch „verrückter“ Besuch auf. Ihre tote Schwester „kümmert“ sich um sie. „Wie ist es tot zu sein?“ „Es ist langweilig. Nichts anderes als lebendig zu sein“. Halluzinationen haben keine Logik, heißt es mittendrin. Und plötzlich meldet sich bei Liz doch der Mut: Klar doch – „Ich hab es satt, Angst zu haben“. 

Was ist hier los? Wie gesagt, schauen sie die 85 Minuten und lassen sie sich dann überraschen. Also – wirklich überraschen (= 4 PÖNIs).

5.)   Auf dem Nachspann von „DER MAURETANIER“ läuft der Bob Dylan-Song: „THE MAN IN ME“. Stammt aus seinem 1970er Album „NEW MORNING“, erlangte Popularität durch das filmische Coen-Brother-Kult-Leckerli „The Big Lebowski“ von 1998, wurde u.a. von Joe Cocker und Jeff Bridges gecovert und ist jetzt wieder im Gespräch: „Der Mann in mir wird sich manchmal verstecken, um nicht gesehen zu werden / Aber das ist nur, weil er sich nicht in irgendeine Maschine verwandeln will / Er hat eine Frau wie dich gebraucht, um zu dem Mann in mir durchzudringen“. Klar – mein Lieblingssong dieser Woche, nicht wahr Carrie:

Wünsche eine empfindungsreiche GESUNDE Woche.

HERZlichst:  PÖNI PÖnack

kontakt@poenack.de

 

 

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