MEINEN HASS BEKOMMT IHR NICHT

PÖNIs: (4,5/5)

„MEINEN HASS BEKOMMT IHR NICHT“ von Kilian Riedhof (Co-B + Co-Produzent + R; D/Fr/Belgien 2021; Co-B: Jan Braren; Marc Blöbaum; Stéphanie Kalfon; K: Manuel Dacosse; M: Peter Hinderthür; 102 Minuten; deutscher Kino-Start; 10.11.2021);

LEBENDIGES ENTSETZEN. Titel = „MEINEN HASS BEKOMMT IHR NICHT“ von Kilian Riedhof (Co-B + Co-Produzent+ R; D/Fr/Belgien 2021; Co-B: Jan Braren; Marc Blöbaum; Stéphanie Kalfon; nach dem autobiographischen Roman von Antoine Leiris; K: Manuelk Dacosse; M: Peter Hinderthür; 102 Minuten; deutscher Kino-Start: 10.11.2022). Normalerweise werden Filme „mit solchen Themen“ „andersrum“ erzählt. Verbrechen sind geschehen, die Verbrecher werden gejagt. Aufgespürt. Gekriegt. Verurteilt. Hier ist es „andersrum“. Rund eine halbe Stunde dreht der Film am Rad. Wir sehen, empfinden – eine Familie. Mit Frau, Ehemann, kleinem Kind. Wir wissen, „es“ wird gleich passieren. Und das macht einen ‚verrückt‘. Dann geschieht „es“, und wir sind traurig. Empört. Wütend. Entsetzt. Wir empfinden. Mit. Die Unruhe auf der Leinwand nimmt uns mit.

Am 13. November 2015 sieht Antoine Leiris (PIERRE DELADONCHAMPS) seine Frau Hélène (CAMÉLIA JORDANA) zum letzten Mal. Sie wird an diesem Abend mit 89 weiteren Personen im Konzertsaal Le Bataclan Opfer der Terroranschläge in Paris. Während die Welt geschockt und in tiefer Trauer versucht, eine Erklärung für das Unfassbare zu finden, postet der Witwer auf Facebook einen offenen Brief. In bewegenden Worten wendet er sich an die Attentäter und verweigert „den toten Seelen“ seinen Hass – und den seines damals 17 Monate alten Sohnes Melvil: „Freitagabend habt ihr das Leben eines außerordentlichen Wesensgeraubt, das der Liebe meines Lebens, der Mutter meines Sohnes, aber meinen Hass bekommt ihr nicht“. Der Post löst eine weltweite Welle der Anteilnahme aus und wird auf der Titelseite der Le Monde gedruckt. Erreicht viele Mitmenschen.

Antoine kämpft innerlich mit seiner Verzweiflung und jenem Hass, dem er eigentlich keinen Raum geben will. Als er begreift, wie sehr sein kleiner Sohn ihn braucht, stellt er sich der neuen Realität. KILIAN RIEDHOF, geboren am 27. April 1971 im rheinhessischen Jugenheim, drehte im Herbst 2012 seinen ersten Kinofilm, „Sein letztes Rennen“, mit Dieter Hallervorden in der Rolle eines Marathonläufers (s. Kino-KRITIK), der zu einem Erfolg an den Kinokassen avancierte (und Dieter Hallervorden beim „Deutschen Filmpreis“ die „Lola“ für die „Beste männliche Hauptrolle“ bescherte). Danach schuf er die vielbeachteten und vielfach prämierten Fernsehfilme „Der Fall Barschel“ sowie den TV-Zweiteiler „Gladbeck“. Mit „MEIN HASS BEKOMMT IHR NICHT“ gelingt ihm und seinem Team ein bedeutsames Stück Momentaufnahme eines Lebens im Ausnahmezustand; aus der sehr persönlichen Perspektive eines Vaters: „Mein Sohn und ich, wir sind stärker als alle Armeen der Welt“, schreibt Antoine Leiris in seinem Post. „Das ist unsere Hoffnung. So fragil wie lebendig“, heißt es im Statement von Kilian Riedhof. Dessen Bilder enorm schmerzen (= 4 1/2 PÖNIs).

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