LORO – DIE VERFÜHRTEN

„LORO – DIE VERFÜHRTEN“ von Paolo Sorrentino (Co-B + R; Italien/Fr 2016/2017; Co-B: Umberto Contarello; K: Luca Bigazzi; M: Lele Marchitelli; 145 Minuten; deutscher Kino-Start: 15.11.2018); der Neapolitaner PAOLO SORRENTINO, geboren am 31. Mai 1970, zählt zu DEN Autorenfilm-Größen in Italien. Begeisterte 2008 mit dem auch bei uns gezeigten, vieldiskutierten Porträt über den siebenmaligen italienischen Ministerpräsidenten Giulio Andreotti („Il Divo“) und gewann 2014 den Auslands-„Oscar“ für „La Grande Bellezza – Die große Schönheit“ sowie vier „Europäische Filmpreise“. Für „Ewige Jugend“, 2015 herausgekommen (s. Kino-KRITIK), erhielt PAOLO SORRENTINO die europäischen Auszeichnungen für „Bester Film“ und „Beste Regie“. Seinen aktuellen Film erleben wir hierzulande als Fragment. Denn „LORO“, es bedeutet das italienische Wort für „sie“ oder „ihre“, gemeint sind „die Anderen“, ist eigentlich ein Film-Zweiteiler. Und kam auch so in Italien ins Kino. Der erste Teil umfasst 100 Filmminuten, der zweite 104 Minuten. Insgesamt also 204 Minuten. Drei Stunden und vierundzwanzig Minuten. Für die deutsche Kinoauswertung wurde eine um rund 60 Minuten gekürzte Version von 145 Minuten erstellt.

Was sich „insgesamt“ bemerkbar macht. Mit abrupten Schnitten und den bisweilen nach Sinn suchenden Zusammenhängen. Nichtsdestotrotz ist „LORO – DIE VERFÜHRTEN“ ein kluges Mahn-Mal in Sachen Manipulation des Volkes durch einen dämonischen, widerwärtigen einheimischen Populisten. Am Beispiel: Italien. Wo die politischen und gesellschaftlichen Schleimspuren kürzlich besonders umfangreich waren.

Der Co-Autor und Regisseur PAOLO SORRENTINO beschreibt sein Anliegen in einem Presseheft-Statement wie folgt: „LORO ist eine fiktionale Erzählung in Kostümen. Sie handelt – verbürgt oder vorgestellt – von Ereignissen in Italien zwischen 2006 und 2010. Anhand einer bestimmten Konstellation von Figuren mit all ihren Schwächen und Ambitionen versucht der Film eine heute eindeutig abgeschlossene Ära zu umreißen, die man, allerdings nur auf den ersten oberflächlichen Blick, als zutiefst amoralisch und dekadent bezeichnen konnte, aber auch als extrem lebendig. Zugleich möchte LORO den Italienern – älteren wie jüngeren – von unserer heutigen Zeit erzählen. Von Seelen, die sich in einem ebenso imaginären wie modernen Fegefeuer wähnen und sich, angetrieben von unterschiedlichsten Leidenschaften wie Ehrgeiz, Bewunderung, Verliebtheit, Interessen oder von persönlichen Schicksalsschlägen, wie gebannt anlocken lassen von der erlösenden Verheißung eines Paradieses in Fleisch und Blut; verkörpert von einem Mann wie SILVIO BERLUSCONI.“

Italien, das Land der Korruption, der Manipulation, der Geldgier und Geilheit und der Immer-Suche nach „kribbeligem“ Ruhm. In einer „Revue“, die man irgendwann (bald) in seiner Erlebnis-Gesamtheit sehen und identifizieren sollte. Bis dahin ist vom Triumph eines italienischen „Robert De Niro“ zu berichten: TONI SERVILLO. Der Autodidakt begann seine Filmkarriere in den 1970-er Jahren und gilt heute als der beste und „wütendste“ Hauptdarsteller im radikalen italienischen Polit-Kino. Der internationale Durchbruch gelang ihm 2008 mit der Interpretation eines maliziösen, „tüchtigen“, korrupten Müllmanagers in „Gomorrha – Reise in das Reich der Camorra“ von Matteo Garrone (s. Kino-KRITIK). Danach war er unschlagbar als mächtig-schlauer, listiger Giulio Andreotti, dem Mafia-Verbindungen nachgesagt wurden, in „Il Divo“ (s. Kino-KRITIK). 2013 wurde die erneute Zusammenarbeit mit Paolo Sorrentino in „La Grande Bellezza – Die große Schönheit“ (s. Kino-KRITIK) weltweit gelobt und geehrt. Neben dem Franzosen Daniel Auteuil ist Toni Servillo der einzige Schauspieler, der zweimal von der „Europäischen Filmakademie“ ausgezeichnet wurde.

Als Silvio Berlusconi präsentiert er hinreißend und in voller Masken-Treffsicherheit einen selbstzufriedenen Narzissten, einen charismatischen Macht-Menschen, einen mondänen Tyrannen mit diabolischem Charme und seinen vielen ekligen „hilfsbereiten“ Hofschranzen. Ein polarisierendes „Dreiviertel“-Porträt über einen ganz normalen schändlichen Politiker. Die Neugier auf den „kompletten“ Film ist gegeben (= 3 1/2 PÖNIs).

 

 

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