JUST MERCY

PÖNIs: (4,5/5)

„JUST MERCY“ von Destin Daniel Cretton (Co-B + R; USA 2018/20; Co-B: Andrew Lanham; nach dem gleichn. Sachbuch von Bryan Stevenson/2014; K: Brett Pawlak; M: Joel P. West; 137 Minuten; deutscher Kino-Start: 27.02.2020); was für ein wichtiger Film!

Sein Name: BRYAN STEVENSON. Er ist 60 Jahre alt, Anwalt und Bürgerrechtler. Geboren wurde er in Milton in Delaware, dem zweitkleinsten Bundesstaat der USA. Dort wuchs er auch auf. Er studierte Jura an der Harvard-Universität. Nach seinem glänzenden Abschluss hätte er als Anwalt Karriere machen und dabei sehr reich werden können. Stattdessen entschied er sich, nach Alabama zu ziehen, um sich dort für arme, benachteiligte Menschen einzusetzen. Menschen am Rande der Gesellschaft. Stevenson setzt sich dort seit mehr als 30 Jahren für Häftlinge ein, die zu Unrecht verurteilt wurden, die allermeisten von ihnen Schwarze. Vor fünf Jahren erschien hierzulande sein Buch „Ohne Gnade“, in dem er von seiner Arbeit und von dem alltäglichen Rassismus der amerikanischen Justiz berichtet. In den USA wurde diese Lektüre „als bestes literarisches Werk“ in der Kategorie Sachliteratur ausgezeichnet und stand monatelang in den Bestsellerlisten. Der Spielfilm „JUST MERCY“ basiert auf dem Engagement von Bryan Stevenson (MICHAEL B. JORDAN). Der vor Ort, in Monroeville, mit einer dort ansässigen (weißen) Kollegin namens Eva Ansley (BRIE LARSON), die Hilfsorganisation „Equal Justice Initiative“ einst gründete, um unschuldig Verurteilten, die sich eine Verteidigung nicht leisten können, zu helfen.

Apropos – Monroeville, Alabama, ist d e r Ort, wo einst, 1960, die Schriftstellerin Harper Lee ihren Roman „Wer die Nachtigall stört“ ansiedelte, der später zu einem Weltbestseller wurde und als gleichnamiger Film von Robert Mulligan von 1962 zum Klassiker avancierte; drei „Oscars“ gewann, darunter für Gregory Peck als „Bester Hauptdarsteller“. Zudem: Das „American Film Institute“ hat diese Schwarz-Weiße-Literatur-Verfilmung 2007 auf Platz 25 der „besten amerikanischen Filme aller Zeiten“ gelistet.

Ende der 1980er Jahre trifft Bryan Stevenson (MICHAEL B. JORDAN) auf Walter McMillian (JAMIE FOXX). Im Gegensatz zu seinen sonstigen afroamerikanischen Klienten will dieser keinen rechtlichen Beistand mehr. McMillian wurde beschuldigt, eine junge weiße Frau vergewaltigt und ermordet zu haben. Der bigotte lokale Sheriff (MICHAEL HARDING) hatte ihn schnell, trotz vieler Widersprüche, als Verdächtigen ausgemacht. Der korrupte Staatsanwalt ignorierte die eindeutigen Unschuldsbeweise – McMillian befand sich zur Zeit der Tat überhaupt nicht am Tatort oder in dessen Nähe -, und dem Richter war es offensichtlich egal, „welcher Schwarze“ „dafür“ büßen muss. Hauptsache: ein Schwarzer. („Weniger.“) Das Schwurgericht übernahm die „eindeutigen“ Ermittlungsergebnisse, befand den Angeklagten für schuldig und verurteilte ihn zum Tode. Bryan Stevenson beginnt zu recherchieren und stößt auf ermittlungstechnische Ungereimtheiten. Und – es gelingt ihm, die Aussage des wichtigsten Zeugen der Anklage, Ralph Myers (TIM BLAKE NELSON), einem Kriminellen, als falsch zu widerlegen. Trotzdem ist der Kampf für Stevenson und McMillian noch längst nicht gewonnen. Denn „Alabama“ ist eine von Rassismus durchsetzte Bastion von Rassenhass-erfüllten wie diktatorischen Weißen, wo eine „gute Bürgerschaft“ gerne schweigt. Über die widerwärtigen (Rechts-)Zustände. Über diese skandalösen Vorkommnisse.

Ein Film, dessen Wirkung/Auswirkungen längst aktuelle USA-Regeln widerspiegeln. Dabei setzt der Film nicht auf eine Schreihals-Dynamik, sondern argumentiert besonnen wie, natürlich, empört. Und vermag mit einer erstklassigen Riege von namhaften, engagierten Schauspielern zu triumphieren: MICHAEL B. JORDAN, Jahrgang 1987, hier auch Co-Produzent, startete im Kino ins Bewusstsein durch seinen Part in „Nächster Halt: Fruitvale Station“ (s. Kino-KRITIK), wofür er u.a. als „Bester Nachwuchsdarsteller“ belobigt wurde. Als Bryan Stevenson trifft er präzise Nerv und Ton. „Oscar“-Preisträger JAMIE FOXX („Ray“) fügt sich angenehm unspektakulär, völlig unheldisch, als Walter McMillian in das Ensemble ein und mimt überragend-subtil wie auf den Seelen-Punkt gebracht-nuanciert. Während „Oscar“-Preisträgerin BRIE LARSSON („Raum“/s. Kino-KRITIK) als Stichwortgeberin für Bryan Stevenson fungiert. Der Autoren-Regisseur DESTIN DANIEL CRETTON, Jahrgang 1978, aus Hawaii stammend, hatte 2017 keinen sonderlich guten Kino-Start mit „Die Hütte – Ein Wochenende mit Gott“ (s. Kino-KRITIK), um kurz danach mit „Schloss aus Glas“ (s. Kino-KRITIK) viel stärkere Aufmerksamkeit zu erlangen. Mit „JUST MERCY“ ist ihm ein hintergründiges, spannungs-intensives wie aussagestark-fassungslos-gutes Werk gelungen (= 4 plus 1/2 fürs bedeutsame Engagement = 4 1/2 PÖNIs).

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