THE GENTLEMEN

PÖNIs: (4,5/5)

„THE GENTLEMEN“ von Guy Ritchie (B + R; GB/USA 2018/2019; K: Alan Stewart; M: Christopher Benstead; 113 Minuten; deutscher Kino-Start: 27.02.2020).

Gastkritik von Caroline „Carrie“ Steinkrug

Der am 10. September 1968 in der englischen Grafschaft Hatfield/Hertfordshire geborene Regisseur, Drehbuchautor und Filmproduzent GUY RITCHIE wurde vor allem am Anfang seiner Karriere als britische Antwort auf das amerikanische Enfant terrible Quentin Tarantino interpretiert. Ausschlaggebend für diesen Ruf waren primär seine Debütwerke „Bube, Dame, König, grAS“ (1998) sowie „Snatch – Schweine und Diamanten“ aus dem Jahr 2000. Markenzeichen: Gewalt(-voll), kluge Dialoge, (Film-)Systemanarchie, Charme, Coolness, Unkonventionalität – frei nach dem Motto: Frechheit siegt! Mit modernisierten Helden aus der United Kingdom-Kultur wie etwa „Sherlock Holmes“ (2009/s. Kino-KRITIK; 2011/s. Kino-KRITIK) oder „King Arthur“ (2017/s. Kino-KRITIK) verschwamm diese nicht-konforme Art zunehmend, gemeinsam mit seiner Vorliebe für Gaunerkomödien, bevor sie in Kommerzproduktionen wie dem Disney-Ableger „Aladdin“ (2019/s. Kino-KRITIK) beziehungsweise in dem Desaster von „Codename U.N.C.L.E.“ (2015/s. Kino-KRITIK) völlig verloren ging. Er, der Revolutionär, schien sich stilistisch immer mehr zu verlieren. Seine Wurzeln verratend. Der Karriere wegen? Wahrscheinlich. Doch nun kehrt er in s e i n Genre zurück. Und wie! Mit so viel Energie. Und Pomp. Hatte es zuletzt den Anschein, der 51-jährige Brite wäre schöpferisch mit angezogener Handbremse gefahren, dominiert jetzt der Eindruck: Man hat ihn wieder von der Leine gelassen! Der „feine Herr“ hat hier, und mit ihnen, den GENTLEMEN, einen anrüchigen Meisterstreich geschaffen, dessen Kultgeruch jetzt schon in die hochnäsigen (Kritiker-)Nasen steigt. GUY RITCHIE – ein zahmes Schoßhündchen der (Hollywood-)Industrie? Von wegen!

THE GENTLEMEN. Allesamt (Milieu-)Stars. Elegante Männer von Welt. Eine, in die nur die wenigsten eintauchen. Dürfen. Zum Glück, möchte man sagen, denn der US-amerikanische Drogenbaron Mickey Pearson (MATTHEW McCONAUGHEY) hat hier die Oberhand. In London … und auf der Rauschmittelproduktion. Ein gnadenloses Geschäft, das Tribut fordert. Körperlich wie mental. Physisch wie psychisch. Und er ist schon lange dabei. Genaugenommen seit Oxford, als er damit begann als Student sein Marihuana-Imperium aufzubauen. Seine Wahlheimat „das Inselkönigreich“ zunehmend mit Plantagen bestückte, die er nun aber verkaufen will. Um auszusteigen und in den wohlverdienten Ruhestand zu wechseln. Getreu dem Slogan: „Nur in gute Hände abzugeben!“, versucht er folglich einen geeigneten Käufer zu finden, der seine Geschäfte übernimmt. Ihm eine gute Aussteuer zahlt. Die unterschiedlichsten (Unterwelt-)Gestalten betreten daraufhin das Spielbrett, wollen das beste Tortenstück abhaben. Sorgen für reichlich Chaos. Im ach-so-perfekten Plan. Allen voran: Detektivschnüffler Fletcher (HUGH GRANT in der Rolle seines Lebens), der an einem Drehbuch über Mickey Pearsons „Firma“ arbeitet und dies gerne auf die Leinwand, oder in eine Boulevard-Zeitungen, bringen möchte … außer … ja, außer es fließen 20 Millionen Pfund. Auf sein Konto. Mit triefendem Mund und gezückter „Kuchengabel“ positioniert er sich wie eine Schlange vor dem Kaninchenbau. Doch wer frisst hier am Ende wen? Auf.

Dieses Story-Karnickel beginnt sofort Haken zu schlagen. Und zunächst braucht es eine Weile, bis sich die clevere Geschichte fassen lässt. Immer dann, wenn man denkt, man hat sie im Griff, ist es anders, verändert sie sich, überrascht sie, nimmt einen anderen Weg. Einen unerwarteten Kurs. Wahre Gentlemen tauchen hier kaum auf, eher betrogene Betrüger und jene, die es noch werden wollen. Harte Bandagen sind an der Tagesordnung, die der Regisseur in coolen sowie legeren Kampfszenen und deren Action-Gehabe spürbar werden lässt. Angenehm bodenständig ohne viel Special-Effect-Tamm-Tamm. Unterlegt mit einem Soundtrack, der nur so vor kultigen Songs strotzt. Mal ironisch-witzig („Old MacDonald Had A Farm“), mal rhythmisch-brachial („Bush“ von Bugzy Malone). Zu schlagkräftigen Choreografien mit: Gangsterrap, derbem Humor, kunstvoller Gewalt. Auf dass es so richtig gegen das Hirn und sein Spaßzentrum knallt.

Nicht minder kreativ und fix ist der Schlagabtausch in den smarten Dialogen. Schnelle Gespräche, mit messerscharfem Schalk, der den schrägen Charakteren dauernd im Nacken sitzt. Und auf der Zunge liegt. Gewaltig. Offensiv. Amüsant. (Bauern-)Schlau. Geben sich die Crème de la Crème-Herrschaften ständig die Leinwand-Klinke in die Hand. Der prominente Cast sprüht vor Esprit. In Detail. Mimik. Gestik. In kleinsten Bewegungen. Stimmfarben. Immer bemüht, in den exzentrischen Sprachgefechten das letzte Wort zu haben. Das verzaubert und unterhält die Ohren…

Aber nochmal: Werfen Sie bitte ein Auge auf diese unglaublichen Schauspieler mit ihren schrulligen Figuren. Ganz vorne an der Rampe: MATTHEW McCONAUGHEY (50) als lässiger American-Man in der zwielichtigen Londoner-Oberschicht. DER Boss. Geschäftsmann. Standesgemäß brillant. Befreit auftretend. An seiner Seite CHARLIE HUNNAM (39) als sein Vasall Raymond, die „rechte Hand des Teufels“, chillig darum bemüht, das Business an „die Männer“ zu bringen. Als da wären: Wichtigtuer „Dry Eye“ (herrlich grün hinter den Ohren als Verbrechensneuling: HENRY GOLDING; 33); JEREMY STRONG (41) als stinkreicher Platzhirsch auf der Interessentenliste oder COLIN FARRELL (43) als prolliger Coach einer Jugendboxclub-Gang, die sich leider mit den Falschen angelegt hat. Dann aber: ER! Mein Gott: HUGH GRANT (gerade mal 4 Tage am Set und nur auf 45 Seiten im Drehbuch notiert)! Was für eine Performance! So trat „Everybody‘s-Bridget-Jones-Darling“ noch n i e auf: Schmuddelig, bärtig, schmierig, genial. Als Privatermittler Fletcher in siffiger Lederjacke dominiert er jede Spielszene, in der er mitmischt. Urkomisch. Eklig. Kraucht er in diesen Schleimscheißer hinein. Schmeißt er sich an Charlie-Hunnam-Raymond ‘ran. Grätscht dazwischen mit seinen Erpressungsversuchen. Schmückt seine nicht immer ganz korrekten Beobachtungen aus. Phantasiert wild herum. Formt damit den Rahmen des Films. Und stielt mit seinen 59 Jahren wirklich allen Anderen die Show.

GUY RITCHIE IST ZURÜCK! Im Ursprung seines Schaffens – alias: in der „endlich wieder“ britischen Ganoven-Posse – glänzt er prächtig. Schafft ein Prunkstück der Genre-Extraklasse. Schamlos. Vorlaut. Rasant. Schick in Form einer modern verbalen Action-Achterbahn. Dabei: klassisch zugleich. Lässt somit ein Gefühl des Verblüfft-Seins zurück. Durch herausragende Rampensäuen auf der Filmbühne. Die durchweg dieses Top-Level (mit-)halten. Wow, tut das g u t, zur Abwechslung mal solch abgezockt-spannende-faszinierende Kerle im Rampenlicht zu bestaunen… HERR-lich! (= 4 ½ „Carrie“-PÖNIs; …This is a man`s world … at its best!)

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