X-MEN: APOCALYPSE

„X-MEN: APOCALYPSE“ von Bryan Singer (B + R; USA 2015/2016; Co-B: Simon Kinberg, Dan Harris, Michael Dougherty; basierend auf den gleichn. MARVEL-Comics; K: Newton Thomas Sigel; M: John Ottman; 143 Minuten; deutscher Kino-Start: 19.05.2016); die Comic-Adaptionen haben KINO-Hochkonjunktur. Dabei „duellieren“ sich filmisch „DC Comics“, gegründet: 1934 (kürzlich: „Batman v Superman: Dawn of Justice“) und „Marvel“, gegründet: 1939 (kürzlich: „The First Avenger: Civil War“). Nun gleich noch einmal und wieder bombastisch „Marvel“, diesmal mit einer verlauteten 250 Millionen Dollar Produktion um ihre berühmten Mutanten, die X-Men. SIE wurden von Stan Lee & Jack Kirby erschaffen; existieren in den Marvel-Comics seit September 1963. Auf der Leinwand tauchten sie erstmals im Jahr 2000 aufwendig auf, und seitdem in nun mehr insgesamt 9 Filmen. Zuletzt im Februar 2016, in Solo-Gestalt von „Deadpool“ (s. Kino-KRITIK). Weitere ausführliche X-Men-Informationen bei den Texten zu: „X-Men: Der letzte Widerstand“ (s. Kino-KRITIK), „X-Men Origins: Wolverine“ (s. Kino-KRITIK), „Wolverine: Weg des Kriegers“ (s. Kino-KRITIK) sowie „X-Men: Zukunft ist Vergangenheit“ (s. Kino-KRITIK). Und nun:

Zurück in die Zukunft: „X-MEN: APOCALYPSE“ blickt in die Vergangenheit. Die Hintergrundgeschichte(n) der Mutanten, ihre Anfänge, sind das Thema. Wie diese „speziellen“ Menschen, die dank ihres besonderen Gen-Codes übermenschliche Fähigkeiten besitzen und von den „normalen“ Menschen weitgehend akzeptiert sind, zusammenkommen, um die Menschheit vor einer ihrer größten Bedrohungen zu schützen. Vor dem Untergang, der Apokalypse. Diese Bedrohung heißt denn auch bezeichnenderweise: Apocalypse. Seine Figur und Struktur tauchte erstmals 1986 auf, in der Ausgabe 5 der Comic-Reihe „X-Faktor“, ausgedacht von der Autorin Louise Simonson und gezeichnet von Jackson Guice. Apocalypse entwickelte sich zügig zu einem der populärsten Gegner der X-Men. Deren Anführer Charles Xavier alias Professor X (JAMES McAVOY) eingangs auf das Grunddilemma der X-Men-Spezies verweist: „Gifts can be curses“ = Besondere Begabungen und Fähigkeiten können auch ein Fluch sein.

3600 vor Christus. Im uralten Ägypten. Der Monumentalfilm bebt. In voller Pracht und Massen-Dröhnung. Antike pur. Mit pharaonischem Gigantismus. Der als Gott verehrte mächtige En Sabah Nur, ein menschlicher Super-Mutant, der erste seiner Art, ist dabei, seine Kräfte auf einen neuen, jungen Körper „übergehen“ zu lassen. Was schief läuft. Auch damals schon gab es „praktisch veranlagte“ Widerständler. Die DAS zu verhindern wissen. So dass die Zeremonie buchstäblich zusammenbricht. En Sabah Nur kann erst einmal ausschlafen. Für lange Zeit. Für eine SEHR lange, tausende Jahre währende Zeit. Genauer gesagt, bis 1983. Dann „wacht“ er wieder auf. Über Jünger, die ihn reaktivieren. In die Ami-Zeit von Knight-TV-Rider, Haarspray-Frisuren, Pack-Man und „Sweet Dreams“ von den Eurythmics. Was der unsterbliche Mutanten-Kerl nun speziell wie allgemein betrachtet, gefällt ihm überhaupt nicht. Apocalypse (OSCAR ISAAC), wie er jetzt heißt, ist zunehmend desillusioniert über den erbärmlichen, sprich unvollkommenen Zustand der Welt und seiner Bewohner. Die aus seiner Betrachtung schwachen Menschen „stören“ ihn. „Nerven“ ihn. Die sind doch völlig „unnütz“. Also will er alles und alle vernichten. Für einen globalen Neuanfang. Sozusagen: für die Neuschaffung, den Neuaufbau, unseres Planeten. Dafür sucht er drei Unterstützer, von wegen: die vier zerstörerischen apokalyptischen Reiter. Aus den Reihen der weltweit verstreuten „anfälligen“ Mutanten. Wie Erik Lehnsherr alias Magneto (MICHAEL FASSBENDER), der im polnischen Exil lebt und gerade in der Fabrik enttarnt wurde. Bei der Hilfe für einen Kollegen. Als Frau und Kind umkommen, ist sein Hass genau auf der von Apocalypse gewünschten Betriebstemperatur. Um ihn rekrutieren zu können. Ein gemeinsamer Besuch in Auschwitz beseitigt den letzten Glauben an diese Menschheit. Die vernichtet gehört.

Auf der Gegenseite formiert sich eine Gruppe um Professor X, die Apocalypse aufhalten will. Mit dabei: die „unsichtbare“ Raven Darkholme alias Mystique (JENNIFER LAWRENCE); Erfinder Dr. Hank McCoy alias Beast (NICHOLAS HOULT), Scott Summers alias CYCLOPS (TYE SHERIDAN), dessen Augen ständig „Feuerstrahlen speien“, wenn er seine Sonnenbrille absetzt, sowie die telepathisch begabte Jean Grey alias Phoenix (SOPHIE TURNER), die vor ihren eigenen Fähigkeiten Angst hat, und der blau-häutige Deutsche Kurt Wagner alias Nightcrawler (KODI SMITH-McPHEE). Der Figurenaufwand ist diesmal ungewöhnlich. Stehen sich sonst zwei überschaubare Parteien banal-kriegerisch gegenüber, sind es hier viele und vor allem viele „gleichfähige“ interessante Gestalten. Zu denen sich auch einmal ganz kurz „Oldie“ Wolverine-HUGH JACKMAN „hilfreich“ wie ironisch gesellt.

Der phantastische Kick: das emotionale Eintauchen in das eben nicht beliebige 08/15-Personal, sondern in sorgfältig geschilderte Mutanten-Charaktere. Die sich als anfällige Helden-Lebewesen zeigen, also mit moralischem Denken ausgestattet sind. Mitgefühl. Mit tatsächlichen Zweifeln, wie „Mensch“ sich hier auf der Erde präsentiert. Wie er den Planeten mehr und mehr zerstört. Über den alarmierenden Zustand, wie unmenschlich der Homo Sapiens sich gegenüber Gleichen verhält. „X-Men: Apocalypse“ bietet zunächst einen unterhaltsamen erzählerischen Fiction-Fantasy-Plot, um es dann in der letzten Dreiviertelstunde richtig krachen zu lassen. Da brillieren die Effekte, da kriegen Videospiel-Nerds ihren Push. Die spektakuläre Angeberei läuft auf Hochtouren. Im 3D-Format. Die Zerstörungen, auch von prachtvollen Legenden-Brücken, sind einmal mehr enorm. Ergänzen einen faszinierenden Genre-Film, in dessen Blick- und Mittelpunkt viel Menschliches wie Aktuelles rückt: Eigentlich bräuchten wir heutzutage und baldmöglichst auch erfolgreiche „X-Men“. Um unsere Apokalypse noch aufzuhalten.

Ziemlich verblüffend, erstaunlich, überraschend: Die oft so hirnlose Blockbuster-Kino-Comic-Welt nimmt plötzlich ernsthaft-coole Unterhaltungsfahrt auf (= 4 PÖNIs).

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