WIR SIND DANN WOHL DIE ANGEHÖRIGEN

PÖNIs: (4/5)

„WIR SIND DANN WOHL DIE ANGEHÖRIGEN“ von Hans-Christian Schmid (Co-B + R; D 2021; Co-B: Michael Gutmann; K: Julian Krubasik; M: The Notwist; 118 Minuten; deutscher Kino-Start: 03.11.2022);

UNMENSCHLICH. GRAUENHAFT. Titel = „WIR SIND DANN WOHL DIE ANGEHÖRIGEN“ von Hans-Christian Schmid (Co-B + R; D 2021; Co-B: Michael Gutmann; basierend auf dem gleichnamigen autobiographischen Buch von Johann Scheerer; K: Julian Krubasik; M: The Notwist; 118 Minuten; deutscher Kino-Start: 3.11.2022). Zwei Täter überwältigten Jan Philipp Reemtsma am 25. März 1996 gegen 20:20 Uhr auf seinem Grundstück in Hamburg-Blankenese. Sie hinterließen einen mit einer Handgranate beschwerten Brief mit einer Lösegeldforderung von 20 Millionen-D-Mark.

Der Sozialforscher Jan Philipp Reemtsma hat die Erlebnisse in Zusammenhang mit seinem 1997 erschienenen Buch „Im Keller“ dargestellt. Sein Sohn Johann Scheerer reflektiert die Ereignisse aus Sicht der Familie in dem 2018 veröffentlichten Buch „Wir sind dann wohl die Angehörigen. Die Geschichte einer Entführung“. Zum Zeitpunkt der Entführung war er 13 Jahre („Ich hab vorher nicht gewusst, was Angst ist und was sie mit einem macht. Vorher hab ich gedacht, ihr seid sowieso da und passt auf mich auf“): Der Autoren-Regisseur HANS-CHRISTIAN SCHMID (Debütfilm: „Nach fünf im Urwald“/1995) schuf den Film aus der Perspektive der Angehörigen, als erschütterndes Familiendrama. Besetzt mit einem entsetzlich-guten Ensemble.

Für den 13-jährigen Johann (CLAUDE HEINRICH) ist an einem Tag des Jahres 1996 plötzlich nichts mehr wie zuvor. Mit der Entführung seines Vaters (PHILIPP HAUß) erlebt er zum ersten Mal in seinem Leben wirkliche Angst. Wird Zeuge beklemmender 33 Tage. Polizisten werden zu Hausgenossen mit fragwürdiger Kompetenz. Zwischen gescheiterten Geldübergaben erreichen ihn die verzweifelten Briefe seines Vaters. Dabei wird immer deutlicher, dass das Leben des Vaters nur entgegen der Polizeistrategie zu retten ist.

„Wir sind dann wohl die Angehörigen“ besitzt eine ungeheure emotionale Dichte, mit Gefühlen, die packend unter der Haut zündeln. Dabei sind besonders „die Kleinigkeiten“ von atmosphärischem Wert; wenn es darum geht, die bedrückende, verzweifelte Ohnmacht der Angehörigen ohne dicke Ausrufungszeichen einzubinden. Wie überhaupt die bedrückenden Bilder der Spannungsdramaturgie für eine beklemmende, wütende, ebenso hilflose atmosphärische Anteilnahme sorgen. Ein wahnsinnig interessanter, aufregender Spielfilm über eine nachhaltige deutsche Tiefgang-Panik  (= 4 PÖNIs).

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