WILLKOMMEN IN DER BRETAGNE

WILLKOMMEN IN DER BRETAGNE“ von Marie-Castille Mention-Schaar (Co-Pr., B+R; Fr 2011; K: Myriam Vinocour; M: Erwann Kermorvant; 90 Minuten), die Wut der Bürger…ist nicht immer dieselbe. Im Ausdruck. Aggressiv verständlich neulich in Stuttgart (wg. „Stuttgart 21“; Start D: 31.01.2013), eher „aufmuckend- wütend“, aber nicht minder begreifbar, unterstützt mit livehaftigen keltischen Klängen, in der bretonischen Gemeinde CARHAIX (präzise: Carhaix-Plouguer), im zentralen Westen der Bretagne gelegen. In der Nähe von Quimper (50 Kilometer entfernt), etwas weiter entfernt, 68 Kilometer, von der Groß- und Hafenstadt Brest. Hier existiert ein Krankenhaus. Mit einer „gut funktionierenden“ Entbindungsstation. Weil diese aber nicht genügend Profit abwirft, obwohl in Carhaix durchaus fleißig „geboren“ wird, soll „damit“ Schluss sein. Denn dieser Kotzbrocken-Bürokrat von Direktor will, dem Kapitalismus sei Dank, schnell „Klar Schiff“ machen und die Station wie ihre Angestellten „optimieren“. Will die gesamte Abteilung nach Brest abschieben. Die existenziellen wie sozialen Sorgen der Betroffenen interessieren ihn wenig. Und weil er auch zu faul oder zu bequem oder beides und offenbar auch reichlich dämlich ist, hat er Catherine (CATHERINE FROT) aus Paris „bestellt“. Eine Personalmanagerin, die alles möglichst schnell und geräuschlos abwickeln soll. Und die Großstadtpflanze macht sich treu an die gestellte Aufgabe.

Mathilde (MATHILDE SEIGNER) und Firmine (FIRMINE RICHARD) sind als Hebamme und Krankenschwester in der Klinik tätig und bowlen gerne bei ihrer Freundin Louise (LAURENCE ARNÉ), der stolzen Besitzerin der hiesigen Bowling-Halle. Aber: Nicht nur „mal so“, zum Nur-Vergnügen, sondern auch als regionales Team. Im Wettbewerb. Als Catherine zu ihnen stößt, stößt sie – verständlicherweise – auf ziemliches Misstrauen. Beruflicherseits. Auf der einen Seite ist sie eine Art Verwaltungschefin, andererseits kann sie formidabel wie gewinnbringend bowlen. Doch sich hier „richtig einzufügen“, bedarf schon ein geschicktes Händchen. Von Catherine. Wie von den Kolleginnen. Die zu Freundinnen (im Geiste) werden. Irgendwann aber ist Schluss mit lustig. Die Konfrontationen sind programmiert.

2008 haben die Einwohner von Carhaix, 7659 waren es insgesamt am 1.1.2010, tatsächlich „deswegen“ gestreikt. 17 Wochen lang. Und „gewonnen“. Die Entbindungsstation IHRER Klinik wurde NICHT geschlossen. Der Debüt-Spielfilm der Produzentin, Drehbuch-Autorin und Regisseurin Marie-Castille Mantion-Schaar ist ein toller Film um tolle Frauen. „Normale“, arbeitende, denkende, fühlende wie gewitzt schlitzohrige Frauen. Denen die Gleichgültig ihres Krankenhaus-Chefs auf den Keks und auch an die Nieren geht. Weil damit unnötige soziale wie unsinnige berufliche „Brüche“ angeordnet werden, die keinerlei Sinn ergeben. Sich nur nach kaltem Geld unvernünftig orientieren. Motto: Die Interessen der Klinik sind nicht die Interessen der Frauen, die dort arbeiten. Demzufolge machen sie Rabatz. Erst überschaubar, dann immer umfangreicher. Und immer lauter. Und größer. Die inzwischen vielen Chefs immer nervender. Währenddessen müssen sie aber auch in der Bowlinghalle „ihren Mann“ stehe. Schließlich wollen sie auch hier – endlich mal – gewinnen. Im Wettbewerb um die bretonische Meisterschaft. Sie sind ganz schön aktiv. Mit- wie gegeneinander. Diese herrlichen vier Grazien.

Was einst Claude Sautet in der männlichen Gemeinschaft zelebrierte („Vincent, Francois, Paul und die Anderen“), setzt Mention-Schaar gezielt in der Mädelswelt fort. „Bowling“, so der Originaltitel, erzählt unaufdringlich, aber vehement, kratztief, aber couragiert von der Lebens-Magie Freundschaft, Zusammengehörigkeit, Solidarität und Spaß. Haben am Leben. Dazu hier – dieser einmalige Charme der wunderschönen wie „eigenwilligen“ Bretagne. In Landschaft und Charaktere. Aber das alles würde nicht ausreichen, um eine HERZliche Gesellschaftskomödie überzeugend in Bewegung und Stimmung zu bringen. Natürlich ist „Willkommen in der Bretagne“ ein phantastischer Ensemblefilm. Mit überzeugenden temperamentvollen, cleveren „Weibsen“. Angeführt von einer einmal mehr charmant- kräftigen Pariserin CATHERINE FROT, die mit darstellerischem Galaauftritten in Werken wie „Typisch Familie!“ (von Cédric Klapisch /„Cesar“ als „Beste Nebendarstellerin“), „Zwei ungleiche Schwestern“ (von Claude Chabrol, neben Isabelle Huppert) und natürlich „Odette Toulemonde“ (von Éric-Emmanuel Schmitt) zum französischen Kino-Star avancierte. Und die auch in leichterer französischer Komödien-Kost, wie kürzlich in „Die Köchin und der Präsident“ und jetzt auch hier, ihren pointiert- klugen Blickfang gibt. Eine wunderbare Persönlichkeit!

Ein Taxi-Aufkleber gibt eingangs die süffisante ironische Richtung vor: „Die Bretagne – man liebt sie oder nicht“. Ich bin vernarrt. Sowohl als auch (= 4 PÖNIs).

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