TIP-Interview im Januar 1986
„UWE OCHSENKNECHT“ wurde 1956 in Südafrika geboren und lebt seit 1977 in München. Als 15jähriger spielte er seine erste Rolle in Kinderstücken am Nationaltheater Mannheim. Mit 18 besuchte er die Schauspielschule Bochum, die er nach drei Jahren verließ. Bereits während der Schauspielzeit übernahm er kleinere Rollen in Fernsehfilmen, danach Engagements an verschiedenen großen deutschen Theatern: Bochum, Hamburg, Wuppertal. Außerdem erste größere Fernsehrollen, so u.a. in zwei „Tatort“-Folgen. 1981 erster Kinoauftritt in „Das Boot“ von Wolfgang Petersen. Seit 1984 regelmäßige Arbeit in Spielfilmen, so u.a. „Vergesst Mozart“ von Slavo Luther, „Der Rekord“ von Daniel Helfer und jetzt „Männer“ von Doris Dörrie (s. auch KINO-Kritik). Im Juni erhielt Uwe Ochsenknecht in München den Preis als „Bester Deutscher Nachwuchsspieler“.
Dass er in Südafrika geboren wurde – „darauf kann man ja mittlerweile nicht mehr so stolz sein“ – war ein Zufall. Der Vater war Musiker und machte zu der Zeit eine zweijährige Tour durchs Land, bei der auch die Mutter dabei war. Danach ging es wieder zurück nach Mannheim. Über den Kinderchor seines Gymnasiums kam er zum Kinderchor des Theaters „und dabei blieb etwas hängen“. Das war mit 11, während die Schule in der Folgezeit „immer uninteressanter“ wurde. „Ich habe mir gesagt: warum fahren viele im Unterricht bloß auf diese Dreiecke ab, auf Algebra und auf Zahlen und wissen darüber alles. Entweder stimmt bei denen was nicht oder bei mir“. Und steckte seine ganze Energie statt in die Schulaufgaben ins Theater. Denn so ab 14 fing er an, auch in Kinderstücken („Karlsson vom Dach“, „Emil und die Detektive“) mitzuspielen. Das lief über den Kinderchor. Die Eltern unterstützten das, solange die Zensuren in der Schule nicht übermäßig darunter litten, und in der Schule akzeptierten sie diesen „Nebenberuf“ auch, „weil das ja etwas mit Kultur zu tun hatte“. „Wenn ich in einer Rockband gespielt hätte, hätten sie es sicher nicht akzeptiert“.
Zwangsläufig aber rutschten die Noten in der Schule nach unten, aber „komischerweise habe ich mir da nie ein schlechtes Gewissen einreden lassen. Ich wusste ziemlich, was ich wollte. Es stimmte für mich einfach nicht mehr, mich in die Bank zu setzen und Mathe oder Chemie zu kapieren“. Andere Fächer wie Deutsch, Englisch oder Erdkunde bereiteten ihm dagegen überhaupt keine Schwierigkeiten, weil sie ihn interessierten. Einige Lehrer akzeptierten sogar diese „private Gut/Böse-Teilung“, und ein Satz eines Lehrers ist ihm deshalb besonders in Erinnerung geblieben: „Hör‘ mal Uwe, du weißt, was du willst, aber lenk‘ doch bitte die anderen nicht ab, die vielleicht noch nicht wissen, was sie beruflich machen wollen!“ Der Vater, der aufgehört hatte, Musik zu machen und in seinen Beruf als Feinmechaniker bei Daimler Benz zurückgegangen war, hatte sich inzwischen nach einer Lehrstelle dort umgehört, aber da spielte Uwe, der nun von der Schule geflogen war, nicht mit. Sich drei Jahre in einer Lehre zu langweilen, das war nicht sein Bier, er wollte auf die Schauspielschule. Bis 18 jobbte er. Bei der Post, in einer Großhandelsdrogerie, nebenbei Statisterie im Theater und in der Abendschule den Hauptschulabschluss nachmachen, „denn der Deutsche braucht ja immer ein Papier“.
1974 wurde er in Bochum an der Schauspielschule angenommen. Die Zeit dort möchte er nicht missen, da habe er viel mitbekommen, sehr viel gelernt. „Ich finde, dass Theater immer noch die Basis für Schauspieler ist. Du erarbeitest dir die Rolle anders. Die Proben sind anders. Es ist nicht die Sekunde, in der die Kamera läuft und die sich beliebig wiederholen, austauschen lässt, sondern du musst wirklich auch von den Knochen her diese Figur sein und du musst bis zur letzten Reihe die auch transportieren, immer wieder neu und jeden Abend“.
Erste Zäsur. Ich finde, das diese Erinnerungen zu glatt ablaufen, keine Fragen, keine Zweifel, kein Ärger um sich herum: Uwe Ochsenknecht bleibt ruhig. Er sei immer schon so ausgeglichen gewesen, sieht seine Fähigkeiten, sein Talent eher als Gabe an, auf die er sich nichts einbilde. „Ich habe mittlerweile eine Ausgeglichenheit bekommen, die das Gefühl nicht aufkommen lässt, ich würde hier und da etwas verpassen. Ich bin auch nicht auf andere neidisch, bei denen es vielleicht schneller geht als bei mir. Diesen Stress habe ich nicht mehr. Und, ehrlich gesagt, habe ich diese Existenzangst, so mit Schweißausbrüchen und nachts nicht schlafen, nie gehabt“. Spielt Geld überhaupt keine Rolle für ihn? „So schnell verhungert man heutzutage nicht mehr. Irgendwie ein Dach übern Kopf und was zu essen, das kriegst du immer“.
Im letzten Schauspieljahr krachte es. Er arbeitete in einer guten Klasse, und die wollte so weiter machen, wollte als ganze Gruppe an ein Theater. „Gruppenpsychose und so“ und das stank ihm gewaltig. „Ich habe keine Lust, morgens schon mit Kleist aufzustehen und nach einem Stundenplan zu arbeiten, in dieser Form den Beruf auszuüben wie in einer Kaserne“. Außerdem nahm ihm seine zwischenzeitlichen kleinen Fernseh(serien)rollen übel – „Du willst doch sowieso nur Karriere machen, du willst nur bekannt werden, dann mach‘ doch dein blödes Fernsehen“ – dabei waren doch gerade die für ihn „eine unheimlich gute Übung, ein exzellentes Training“. Da ihm die Lust auf ein Ensemble vergangen war und ein Stück Abschlusspapier für ihn sowieso nie viel Bedeutung hatte, stieg er aus und stellte sich wieder auf eigene Füße. Diesmal in München, wo er seitdem lebt, und wo er ein halbes Jahr später für eine TV-Serie mit Jugendlichen und Rockern („Die Straße“) engagiert wurde. „Wenn ich es zurückverfolge, hatte ich auch immer Glück. Ich bekam Angebote, die ich verkraften konnte und wo ich das Gefühl hatte, das ist eine Arbeit, die ich überschauen kann“.
Brauchte er nie zu Agenturen gehen, bei TV-Redakteuren anzustehen, rumzurennen, um sein Bild bekannt zu machen?
„Einmal habe ich das gemacht, aber dann habe ich mir gedacht, dass es ausreichen müsste, wenn sich die Leute für mich wirklich interessieren. Öfter hätte ich das sowieso nicht machen können“.
Er hat Fernsehen, Theater und Kino gemacht, obwohl er Uwe Ochsenknecht heißt. Kam eigentlich nie die Idee zu einem Pseudonym? Er grinst. „Seit meiner Kindheit bin ich damit geprügelt. Hey Ochsenkopf, hey Ochsenfrosch. Ich habe hin- und her überlegt. Jimmy Brown oder so, oder wenigstens Knecht, Ochsen oder Axen. Aber dann kam ich drauf, dass ich ja hinter mir selbst stehe, dass letztendlich nur die Qualität zählt und nicht der Name, oder?“ Außerdem bringt ihm der Name huet einen gewissen Bekanntheitsgrad, Erkennungseffekt. „Diesen Namen kann man nicht so leicht aus dem Gedächtnis streichen“, spöttelt er. Der sich inzwischen die Rollen nach Belieben aussuchen kann. Wonach entscheidet er, was er machen will und was nicht?
„Ich muss immer wieder das Gefühl haben, mich weiterentwickeln zu können. So wie in einer Beziehung, dass da die Erotik irgendwie drinbleibt“. Also kämen ‚Traumschiff‘ – und ‚Schwarzwaldklinik‘-Rollen in Frage? „Nein. Ich setz‘ mich lieber mit meinem Arsch irgendwo nach Thailand und weiß genau, ich habe 20 Jahre darauf gewartet, verdient, und musste nicht sagen, na ja, ich habe es halt wegen der Reise gemacht, aber im Grunde schäme ich mich. Das ist für mich gut, dass ich nicht korrupt geworden bin“. Aber es ist doch nicht zu leugnen, dass man ihn im Kino und Fernsehen, Theater weiß ich nicht genau, gerne immer wieder in eine schauspielerische Ecke zwängt, in die des jugendlichen, dynamischen Mackers und Rebell nämlich, so als Lederjacken-Macho. Stört ihn das nicht?
Ochsenknecht widerspricht. Früher sei das die Regel gewesen, bis er dann damit aufgehört und entsprechende Angebote abgelehnt habe. Heute gehen die Rollen, die er spielt, immer mehr davon weg. „Ich muss sehen, dass eine Rolle eine Logik, also auch Widersprüche hat, so wie jeder Mensch widersprüchlich ist. Ich will keine Fantasiefiguren spielen, die es nicht gibt oder geben kann. Insoweit will ich in einer Rolle glaubhaft dahinterstehen“. Hat ihm der Preis als ‚bester Nachwuchsschauspieler‘ geholfen?
Irgendwie kapiert er den nicht. Denn er ist 29, „und da ist man doch kein Nachwuchs mehr“. Natürlich sei dieser Preis als Anerkennung „eine nette Beigabe“. Auf der anderen Seite ist es auch irgendwie ein Rot-Signal, was sagt: auf dem Teppich bleiben“.
In dem Sinne, dass seine Verantwortung wächst, je größer die Rollen und je bekannter er wird. Dann tobt er nochmal auf die zunehmenden deutschen Serien-Soßen los. „Ich finde, es ist verantwortungslos, Serien wie ‚Traumschiff‘ oder ‚Lindenstraße‘ zu machen, wo die Zuschauer in Ermangelung, von was Besserem auf ein Niveau geschraubt werden, dass sie nach der ersten oder zweiten Folge sagen – so eine langweilige Scheiße, so ein Dreck. Nach der vierten/fünften Folge gewöhnen sie sich dran und meinen plötzlich Qualitäten entdeckt zu haben. Und dann gewöhnen sie sich so dran wie Zur-Arbeit-Gehen und sind dann irgendwann auch auf dem Level, alles gut zu finden. Wenn dann einmal wirklich etwas Gutes kommt, sind sie nicht mehr in der Lage, das aufzunehmen. Och, ich habe keine Lust, mir sowas Schwieriges anzusehen, wenn ich von der Arbeit komme. Oder: mit dieser schwierigen Scheiße habe ich nichts zu tun. Das finde ich unerhört verantwortungsvoll“.
Welche Rolle würde er einmal im Leben gerne spielen, wenn es so etwas überhaupt bei einem Typ wie ihn gibt? Die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen: „Stevie Wonder. Ich würde gerne mal im Film den Stevie Wonder spielen. Die Kombination reizt mich. Die Musik, die der macht. Er ist von Geburt an blind und hört nur – ’nur‘ ist gut – aber er hört wahrscheinlich besser, als wir sehen. Was sich in ihm wirklich abspielt, wie das zustande kommt, dass er schon seit 20, 30 Jahren solche Musik macht, wie der lebt, das würde mich interessieren zu zeigen“. Aber dafür müsste er ja nach Hollywood, und das ist für ihn im Augenblick noch Zukunftsmusik.
„Aber unmöglich ist es nicht“, gibt er abschließend lachend zurück. Dabei hört es sich so komisch gar nicht an.