UNSER TEAM – NOSSA CHAPE

„UNSER TEAM – NOSSA CHAPE“ von Jeff Zimbalist, Michael Zimbalist und Julian Duque (USA/Brasilien 2016-2017; Co-Produzenten + B: Jeff Zimbalist, Michael Zimbalist; K: Federico Pardo, Julian Duque, Andrés Comanche Vergara, Colby Gottert; M: Alejandro Reyes; 101 Minuten; Original mit deutschen Untertiteln; deutscher Kino-Start: 28.03.2019); FUßBALL ist Leben. Und umgekehrt. Wie SEHR der Fußball und ALLES, was damit zusammengehört, eine Lebens-Geschichte sein kann, unterstreicht dieser großartige, aufwühlende, emotional tief unter die Haut gehende Dokumentarfilm. Der soeben beim weltweit größten Fußball-Filmfestival in Berlin = „11 mm“ = (21.-25.03.2019) als Eröffnungsfilm zu Recht begeistert gefeiert wurde. Um am Ende mit dem Jury-Preis gewürdigt zu werden. Die vierköpfige Fachjury um den Philosophen und Sportwissenschaftler Gunter Gebauer begründete ihr einstimmiges Urteil wie folgt: „Ein ergreifender Film über eine grauenhafte Flugzeug-Katastrophe und den Kampf um die Überwindung der Folgen, sportlich wie menschlich. Ein packender Dokumentarfilm, der das Pathetische und Melodramatische meidet und stattdessen eindrucksvollen persönlichen Gefühlen und Haltungen Ausdruck verleiht“.

2016 erlangte ein kaum bekannter Fußballverein aus einer abgelegenen 200.000-Einwohnerstadt Brasiliens namens Chapecó traurige Berühmtheit: CHAPECOENSE, abgekürzt „Chape“ genannt. 1976 gegründet. Im Westen der Region Santa Catarina gelegen. Kontinuierlich entwickelte sich der Provinzclub im Laufe der Jahre zu einer festen Größe im brasilianischen Fußball. Am 23. November 2016 gewann die Mannschaft das Halbfinale des „Copa Sudamericana“ und wurde damit zum ersten Team aus dem Bundesstaat Santa Catarina, welches das Finale dieses in Südamerika sehr populären Wettbewerbs erreichte. Doch am 28. November, als sie sich auf dem Weg zum Finale in das kolumbianische Medellin befanden, stürzte das Flugzeug, mit 22 Spielern an Bord, ab. (Später kam heraus, dass die Maschine – aus Kostengründen – mit zu wenig Treibstoff beladen war). Nur 6 der 77 Passagiere überhaupt überlebten schwer verletzt, unter ihnen: Torhüter Jackson Follmann; Abwehrspieler Hélio Neto und Linksverteidiger Alan Ruschel. Das tragische Schicksal von „Chape“ berührte damals die ganze Welt. Die ganze Stadt ist entsetzt. Wie gelähmt. Hinterbliebene, Vereinsvertreter, Fans, die Bewohner sind zerrissen zwischen Trauer, Ohnmacht und dem unsicheren Wunsch zum Weitermachen. Aber wie? Und mit wem? Mit welchem neuen Personal? Sowohl in der Führungsebene wie auch in einem neuen Team? Wie soll dies vonstattengehen? Erreicht werden? Können? Und dann auch binnen kürzester Zeit?

Die Kamera der amerikanischen Filmemacher begleitet den Klub bei dem verzweifelten Versuch weiter zu machen. Zugleich offenbaren sich zunehmend menschliche und zwischenmenschliche Probleme. Im Innern wie Außen. Wo Trauer mit „Vermarktung“ einher läuft. (Ein Funktionär bemerkt stolz, „dass wir derzeit bei den sozialen Medien der sechstbeliebteste Club in ganz Brasilien sind“). Und wo erste Niederlagen zu Saisonbeginn – zwei Monate (!) nach dem Absturz – von „Fans“ mit schlimmem, unsensiblem Missmut kommentiert werden. Währenddessen kämpfen die Witwen mit der Versicherung und dem Verein um ihre Entschädigungen. Die ganz normale Bürokratie und der weiterlaufende Alltag nehmen keine Rücksicht auf gepeinigte Seelen. Und „angemessene“ Trauer-Zeiten.

Der Dokumentarfilm berührt. Ungemein. Von wegen: Wie kann Normalität inmitten eines solch fürchterlichen Ereignisses einkehren. In einfühlsamen Gesprächen und mit hochemotionalem Archivmaterial wird das Porträt einer Gemeinschaft sichtbar, die letztlich durch Geschlossenheit und Zusammenhalt doch zu neuer Stärke findet. Der Weg dorthin allerdings schmerzt an (zu) vielen Stellen.

Die US-amerikanischen Brüder Jeff und Michael Zimbalist, die sich 2010 einen Film-Namen mit ihrer überragenden Dokumentation „The Two Escobars“ gemacht haben, über den kolumbianischen Drogenbaron und den kolumbianischen Fußballer gleichen Namens, die beide gewaltsam zu Tode kamen, setzen hier ein erneut spitzenmäßiges Markenfilm-Zeichen: „UNSER TEAM“ ist eine intensive, brillante Dokumentation (= 4 1/2 PÖNIs).

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