„UNDERDOG“ von Kornél Mundruczó (Co-B + R; Ungarn 2013; Co-B: Viktoria Pétranyi, Kata Wéber; K: Marcell Rév; M: Tamas Kurina; 119 Minuten; Start D: 25.06.2015); UNGARN ist in Europa weit nach rechts abgedriftet. Liberale Strömungen haben es schwer. Werden mühsam akzeptiert, im Grunde aber amtlich nicht (mehr) geduldet. Gestattet. Ein Film beschreibt jetzt diese Tendenz, dieses Abrutschen in die eklige rechtsradikale Ideologie, in einer packenden Spannungsgeschichte. AUS DER SICHT VON HUNDEN. Zynisches doppelbödiges Motto: Der ungarischen Gesellschaft geht es hundsmiserabel.
Das menschenleere Budapest. Heute. Als befänden wir uns in einem Science Fiction-Film. Verlassene Autos am Straßenrand, mit offenen Türen, ein leerer Bus steht im Weg. Die 13jährige Lili fährt Rad. Ruhig gleitet sie durch diese etwas sonderbare Szenerie. Dann werden die sie begleitenden sanften Musiktöne lauter. Härter. Bedrohlicher. Lili dreht sich um und sieht eine Horde von unterschiedlichen Hunden auf sie zu rennen. Wollen DIE ihr „ans Leder“ oder ist Lili die „Rattenfängerin von Hameln“ in der ungarischen Moderne?
Selbige Lili. Die Eltern sind geschieden. Die Mutter schiebt für die Sommerferien ihre Tochter zum alleinlebenden Vater ab. DER zeigt sich als strenger, genervter Typ, der in einem Schlachthof arbeitet und „die Zustände“ im Lande für mies hält. Lili hat ihren geliebten Hund Hagen (Gedanken an die Nibelungen-Sage sind zum Hunde-Namen nicht verkehrt) mitgebracht, der Vater hasst Hunde. Besonders Mischlinge. Wie Hagen. Schließlich hat die Regierung gerade eine Anordnung erlassen. Zur „Regulierung“ der Hundezucht. Reinrassige Vierbeiner sind ab sofort zu begünstigen. Dagegen ist die Steuer für „Promenadenmischungen“ erheblich erhöht worden. Woraufhin Hundebesitzer massenhaft ihre „Bastarde“ aussetzen. Die Tierheime sind überfüllt, auf den Straßen wimmelt es von „Underdogs“. Als Lilis Vater ihren Hund an einer Straßenkreuzung ´rausschmeißt, beginnt eine aufregende Odyssee. Für Tier und Mensch.
Während Lili ihren Hagen verzweifelt sucht, hat DER sich einem kleinen Rudel Streuner angeschlossen. Und erfährt am eigenen Leibe, dass „Mensch“ nicht nur Vertrauter, sondern, ganz im Gegenteil, auch „Bestie“ sein kann. Die ihn mit grausamen Methoden zu einem „Monster“ trainiert. Für profitable Aktionen. Doch das Tier, der Hund, kann auch sehr wohl „denken“. Mitbekommen. Empfinden. Und reagieren. Eine Rebellion anstacheln. Den Aufstand probieren. Was den herrschenden Menschen gar nicht gut bekommt. Der Kriegszustand ist ausgerufen. Mutiert zum Horror-Szenario. Mittendrin: Die unerschrockene Lili. Die sehr schnell sehr erwachsen werden muss. Gerade ihr autoritärer Musiklehrer in der Schule bekommt DAS schließlich auch immens zu spüren. Macht kaputt was euch kaputt macht. 1968 erreicht das heutige diktatorische Ungarn.
Eine Parabel. Irgendwann könnte das reaktionäre Fass der Despoten überlaufen. Könnte sich „der Pöbel“ aufmachen, um gegen die immer mieser werdenden Anordnungen, Regeln und Lebensbedingungen anzugehen. Nicht mehr mit „simplem“ Demo-Protest, sondern handfest. Underdogs, die ganz am gesellschaftlichen Rand existieren, wehren sich. Werden zu Haut-Tieren. Beginnen sich ihrer Fähigkeiten bewusst zu werden. Und ihrer Masse. Beginnen eine empfindliche Menge Gegen-Kraft zu entwickeln. Attackieren das neo-faschistische System.
Ein wüster Klassen-Film. Ohne digitale Tricks. Mit realen Pfoten-Helden. Von erfahrenen Trainern angeleitet. Ohne in Kitsch und Sentimentalitäten abzugleiten. Atmosphärischer Nervenkitzel auf Ungarisch. Als ungewöhnliches Rache-Klima. Mit der jungen ZSOFIA PSOTTA als couragierte Lili in der taff-sensiblen menschlichen Führungsrolle.
Dramaturgische wie logische Holprigkeiten werden gerne übersehen: Der Spannungsfilm „UNDERDOG“ ist Sinn-KLASSE (= 4 PÖNIs).