PÖNIs: (2/5)
„TONI ERDMANN“ von Maren Ade (B + R; D 2014; K: Patrick Orth; 162 Minuten; deutscher Kino-Start: 14.07.2016); MAREN ADE, geboren am 12. Dezember 1976, Film-ausgebildet an der HFF München. Debüt-Film als Studium-Abschlussfilm: „Der Wald vor lauter Bäumen“ (2003). Ihr Film danach war schrecklich: „Alle Anderen“, 124 Minuten (s. Kino-KRITIK), lief im Wettbewerb der Berlinale von 2009 und wurde dort doppelt ausgezeichnet: für den Film mit dem „Silbernen Bären“ als „Großer Preis der Jury“ sowie für Birgit Minichmayr mit dem „Silbernen Bären“ als „Beste Darstellerin“.
Ihr neuer Film, 162 Kino-Minuten aus über 120 Stunden Drehmaterial, gedreht von Juni bis September 2014 in Aachen und überwiegend in Bukarest, lief im Frühjahr als deutscher Wettbewerbsbeitrag bei den Filmfestspielen von Cannes (der erste deutsche Wettbewerbs-Beitrag dort seit „Palermo Shooting“ von Wim Wenders 2008), bekam geradezu hysterische Kritik-Lobeshymnen und dann doch keinen Preis der Wettbewerbs-Jury.
Was ich nachvollziehen kann. Die Kapitel-Kritik:
1.) Als erstes fällt diese kleine Leinwand auf. Breitwand von vorgestern. (Spöttisch: „Super 8-Format“.)
2.) Sie. Ines (SANDRA HÜLLER/zuletzt in „Amour Fou“ von Jessica Hausner/2014/als Marie, Cousine des selbstmord-süchtigen Heinrich von Kleist). Mit zumeist strengem wie trägem Deutsch-Gesicht. Sozusagen: Die preußische Anstrengung. Bei der Karriere. In einem Unternehmen, das dazu da ist, Firmen „zu optimieren“. Business-Atmosphäre. Deshalb wird auch permanent Business-Englisch gesprochen. (Arroganterweise nicht untertitelt.) Eine Kino-Stunde lang sehen wir sie, wie sie sich bemüht. Mühe gibt. Derzeit in Rumänien. Warum Rumänien? Warum nicht. Kann man noch ganz gut ausbeuten. So etwas in der Business-Art.
3.) Winfried, der Vater von Ines (PETER SIMONISCHEK/einer der drei Kumpel aus dem überragenden und SEHR komischen Bühnenstück „KUNST“ von Yasmina Reza, das immer mal wieder im Berliner „Renaissance-Theater“ aufgeführt wird). Großer Stur-Kopf. Nörgler. 65. Musiklehrer. Im Presseheft heißt es zu seiner Figur: „Gefühlvoller, sozialromantischer Alt-68er“. Jetzt wissen wir Bescheid. Und (er-)kennen ihn. Diesen eher Dauer-Nöler, der seinen alten Hund abgöttisch liebt. Alleine mit ihm lebt.
4.) Als der Hund stirbt, reist Winfried spontan seiner Tochter nach. Gen Bukarest. Man mackt herum. Hat sich im Grunde nichts zu sagen. Linkische Bewegungen und Ansprache auf beiden Seiten. Endlich: Er, der Nervige, haut wieder ab. Ines kann wieder ungestört in ihrem Business hantieren. Doch:
5.) Von wegen. Er taucht weiterhin auf. Jetzt mit Affen-, sprich schwarzer Langhaar-Perücke und Scherz-Gebiss. (Hat er immer bei sich; haut er sich immer mal wieder auf die Zähne; ist nicht ulkig.) Gibt sich als Toni Erdmann aus. Sie ist erst – innerlich – mokiert, dann lässt sie es zu. Wenn Papa in ihrer Nähe ständig spinnert aktiv ist. Mal als Geschäftsmann, mal als Kultur-Sachverständiger. Irgendwann kettet er sich mit Handschellen an die Tochter. Weil, ihr Verhältnis ist verkrampft. Signal-Botschaft des trockenen Familienzusammenführung-Films: Und diese Verkrampfung soll gelöst werden! Interessant? Nö.
6.) Sex? Auch. Mit Kühlschrank-Atmosphäre. Erst soll ihr Lover (= irgendein Stall-Typ aus der Firma) mit seinem bevorstehenden Sperma die herumliegenden Törtchen treffen. Motto: Wie weit kommst du? Meine Güte, habe ich mich nicht ausgeschüttet vor Lachen. Dann gibt sie schließlich eine „Team-Party“. Nackig. Also, erst Ines, als einzige, dann die – verunsicherten – Anderen. Eine Nackt-Party. Für die Verständigung. Im Dienst und überhaupt. Mein Gott, so etwas klapprig-unerotisches. Nacktheit mit Botschafts-Appeal: Gleichheit bei Nacktheit. So kommt keine Hormon-Freude auf. Gut, etwas Lächeln. Na ja.
7.) Zwischendurch singen Tochter und Vater den Rumänen privat etwas vor. Er begleitet sie am Klavier beim Whitney Houston-Song „The Greatest Love of All“. Da schmelzen die Emotionen. Endlich: Vater & Tochter beziehungsweise umgekehrt beginnen (sehr) langsam zu harmonisieren. Am Film-Ende deutsch: Man steht stumm und lange herum. Aha. Viel (nach-)denkend. Und ich soll mir auch so meine Gedanken machen. Dabei will ich längst nur noch ‘raus hier. Aus dieser müden intellektuellen Volks-Musik.
8.) Was soll das? Lese was von einem „Amoklauf aus Scherzen“? Wie bitte? „Toni Erdmann“ ist ein Amoklauf der Pappnasen. Staub-Bürger in Nadelstreifen und Jeans werden bei ihrer armseligen, ellenlangen Tun-Langweiligkeit beobachtet. Vorgeführt. „Maren Ade hat einen unbeirrbaren Blick für die Unerträglichkeit des Alltags“; hieß es im Mai in der „Süddeutschen Zeitung“. Stimmt: Selten so viel nicht gelacht. Diese allgemeine flachwitzige Unerträglichkeit. Bei diesem stocksteifen deutschen Anti-Humor. Mit seinen vielen pädagogischen Pointen-Ausrufungszeichen! Ummantelt von – natürlich – auch ein bisschen Kapitalismus-Kritik. Motto: Diese blöde globale Pfui-Deibel-Ausbeutung. Muss DIE, muss DAS denn wirklich sein? Linkes Schäkern. Widerlich.
9.) Von Billy Wilder ist überliefert: „Schneller, knapper, witziger“. Der Film „Toni Erdmann“ hält voll dagegen. Zäh schleppen sich krampfige Blähungen hin: an Inhalt wie beim Personal. Marke: die Marionetten-Show. SANDRA HÜLLER, die strenge Tochter, strengt an. Was sie wo, warum und wie als genervte Ines macht, ist meistens uninteressant. Reizlos. Von nur begrenztem Interesse. Ohne Nähe. Oder gar Spaß. Der gute PETER SIMONISCHEK gockelt grantig durch diese beknackte Dra-Mödie (Drama-Komödie; so was soll‘s doch wohl sein); wenn er sich die Affen-Perücke auf- und diese Horror-Zähne einsetzt, ist er nur deppert-albern. Ohne dabei komisch zu sein. Oder spannend zu wirken. Ein alter Zausel halt, mit Tochter-Problemen. Weil die ihr eigenes Leben lebt und er keins findet. Und deshalb sie belästigt. Bis sie kapituliert. Was im Presseheft so erklärt wird: „Je härter sie aneinander geraten, desto näher kommen sie sich“. Ach du liebe Güte = Langeweile-Schmerz lass nach.
10.) Der neue deutsche Film „TONI ERDMANN“ von Maren Ade wirkt wie ein emotional unterkühlter, flacher Dauer-Witz von 162 Minuten, ist zäh-konstruiert wie humoristisch-dürftig geraten (= 2 PÖNIs; für zwei Schmunzel-Lächel-Attacken).