THE WOLF’S CALL – ENTSCHEIDUNG IN DER TIEFE

PÖNIs: (4/5)

„THE WOLF’S CALL – ENTSCHEIDUNG IN DER TIEFE“ von Antonin Baudry (B + R; Fr 2019; K: Pierre Cottereau; M: tomandandy; 116 Minuten; deutscher Heimkino-Start: 07.11.2019); stieß im Vorjahr beim französischen Nachbarn – mit über 1,5 Millionen Kinobesuchern – auf enormes Interesse. Hierzulande hat sich das Kino einen prickelnden HOCHSPANNUNGSFILM entgehen lassen, so dass das hiesige Heimkino gleich mit einem spektakulären Premieren-Thriller aufwarten kann. Von einem Filmemacher, dessen (Kultur-)Leben bislang außerordentlich „anders“ war: ANTONIN BAUDRY. Jahrgang 1975, in Frankreich auch als Diplomat („für kulturelle Angelegenheiten“), Comic- und Drehbuch-Autor und Regisseur bekannt. Er hat einen Diplom-Abschluss als Ingenieur (für Brücken, Wasser und Wald), hat danach ein Literatur-Studium abgeschlossen, war von 2010 bis 2014 Kultur-Berater an der französischen Botschaft in den USA, gründete 2014 den einzigen französisch-sprachigen Buchladen in New York und hat auch das „Festival Albertine“ ins Leben gerufen, das jeden Herbst stattfindet und amerikanische und französische Schriftsteller und Künstler für interkulturelle Debatten zusammenbringt. Sein erster Kinofilm entstand im Vorjahr und wurde in über 50 Länder verkauft. Ab sofort, das ist die Erkenntnis nach Besichtigung seines ersten Spielfilms als Autoren-Regisseur, gehört sein Name in die Spitzen-Aufmerksamkeits-Liga des besseren internationalen Genre-(Thriller-)Kinos: ANTONIN BAUDRY.

Die ersten 20 Filmminuten hauen einen schon um. Von wegen – ununterbrochener Suspense. Vorab heißt es: „Es gibt drei Arten von Menschen: Die Lebenden; die Toten; und die, die zur See fahren“ (Aristoteles). SONAR, das ist ein „Verfahren zur Ortung von Gegenständen im Raum und unter Wasser mittels ausgesandter Schallimpulse“. Er heißt Chanteraide (FRANCOIS CIVIL) und verfügt als Sonar-Akustiker über das „absolute Gehör“. Chanteraide ist bei der französischen Marine angestellt, die gerade an der syrischen Küste dabei ist, vier einheimische Kampfschwimmer zu bergen. Kommandant Grandchamp (REDA KATEB) verlässt sich dabei auf das „spezielle Gehör“ seines Geräusche-Experten. Als Chanteraide kurz vor der Aufnahme der Kampfschwimmer tatsächlich „merkwürdige Geräusche“ ausmacht, die er nicht eindeutig zu identifizieren vermag, beginnt der Stress. Unter dem großen Aufklärungsdruck begeht der junge Mann einen folgenschweren Fehler.

Zuhause, in Frankreich, wird Chanteraide vom Dienst degradiert. Doch dann überstürzen sich die aktuellen Ereignisse. „Es ist alles leicht entflammbar“, beschreibt Admiral Alfost (MATHIEU KASSOVITZ) die fatale Situation. Zusammengefasst: Man ortet ein russisches U-Boot, das eigentlich nicht mehr „vorhanden“ sein sollte, in Frankreich längst vom amtlichen Beobachtungsschirm „heruntergenommen“ wurde. Was sich als „falsche Klassifizierung“ herausstellt. Dieses Boot befindet sich inzwischen im Besitz von islamischen Terroristen. Und die verwenden es gerade für ihre Zwecke. Soll heißen: Frankreich soll glauben, dass Russland soeben eine atomare Rakete abgeschossen hat. Auf „DIE“ man nun entsprechend reagieren muss. So dass ein Weltkrieg die Folge sein wird. Gemäß den Vorschriften wird ein U-Boot unter dem Kommando von Kommandant Grandchamp beauftragt, den atomaren Gegenschlag auszuführen. Als man bei den Verantwortlichen den gewaltigen Irrtum bemerkt, ist es zu spät. Denn das mit dem Raketen-Gegenbeschuss beauftragte einheimische Boot ist ab sofort nicht mehr erreichbar. Darf keinen Kontakt mehr aufnehmen. Mittendrin: Chanteraide, der Akustiker, zwischen Verzweiflung, Resignation und dem Bemühen, doch noch eine Lösung zu signalisieren.

SPANNUNG-pur. Erinnerungen an Unter-Wasser-Klassiker wie „Jagd auf Roter Oktober“ (s. Kino-KRITIK) von 1989 werden wach. Auf engstem Raum läuft ein sagenhaft packendes Drama ab. Dessen „Wirklichkeits-Charme“ ständig an die Nerven pocht. Antonin Baudry entwirft, als Autor und Regisseur, ein Szenario, das einiges Entsetzen auslöst. Weil ES „irgendwie“ möglich erscheint. In dieser überkandidelten Welt von heute; inmitten des chaotischen Zustands der Welt von heute; mit diesen vielen politischen Psychos an Entscheider-Spitzen. So dass eine Jagd entsteht, zwischen – eigentlich – befreundeten U-Booten, die sich – unwissentlich – als Feinde betrachten und entsprechend handeln. Müssen. Weil es ihnen „so“ eingetrichtert wurde. Schizophren, aber nachvollziehbar.

Die Ensemble-Schauspieler unterwerfen sich dem Reißer-Thema und besetzen hervorragend ihre Positionen. Auf engstem Raum. Bis auf Superstar OMAR SY („Ziemlich beste Freunde“), der ziemlich lustlos als Mitglied der Chefetage herumwuselt und glatt fehlbesetzt ist. Und die charmante PAULA BEER (überragend in „Frantz“/s. Kino-KRITIK) als Kurzzeit-Liebchen des jungen Hör-Helden, dies riecht auch nur nach femininem Alibi.

Ansonsten aber: Frankreich „kann“ Hollywood: Aufregend geht’s zu; „Das Wolfs-Geheul“ stimmt und ist riesig stimmungs-intensiv (= 4 PÖNIs).

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