THE CURED – INFIZIERT. GEHEILT. VERSTOSSEN.

„THE CURED – INFIZIERT. GEHEILT. VERSTOSSEN.“ von David Freyne (B + R; Irland/GB/FR 2017; Co-Prod.: Ellen Page; K: Piers McGrail; M: Rory Friers; Niall Kennedy; 95 Minuten; dtsch. Heimkino-Start: 25.5.2018); mit „Night of the Living Dead“, deutscher Kino-Titel anlässlich des BRD-Kino-Starts am 18.3.1971: „Die Nacht der lebenden Toten“, schuf der amerikanische Autoren-Regisseur George A. Romero (*4.2.1940 – †16.7.2017) 1967 einen der bedeutendsten, weil revolutionärsten politischen (Debüt-)Zombie-Filme aller Zeiten. Der mit einem geringen Budget von schätzungsweise 114.000 US-Dollar – die ausschließlich von privaten Investoren kamen – entstandene Schwarz-Weiß-Streifen gilt seit den 1980er Jahren als Kultfilm und wurde in die Filmsammlung des „Museums of Modern Art“ aufgenommen. Seit 1999 ist der Film als „erhaltenswertes Kulturgut“ im „National Film Registry“ eingetragen.

Die hauptsächlich irische Produktion „THE CURED“ ist der Debütfilm des irischen Autoren-Regisseurs DAVID FREYNE. Nach Betrachtung stellt sich heraus, dass dieser vom hiesigen Kino übergangene Film – ähnlich wie einst der Romero-Film beim Start – sich als Genre-Meisterwerk hervortut, als sozusagen „Die Nacht der lebenden Toten“ in der modernen Endlos-Schleife. Und: Jetzt 24 Stunden, also GANZ-tägig. Auch im Hellen. „Funktioniert“.

Jahrelang hat ein tierischer Virus für eine verheerende Epidemie in Europa gesorgt. Verursachte bei Menschen schwerwiegende Psychosen. Die sie zu mörderischen blutdürstigen „Zombies“ werden ließen. Auf dem Kontinent gelang es, diese Seuche unter Kontrolle zu halten, währenddessen Irland von dem Virus „überrannt“ und eingedeckt wurde. Inzwischen wurde ein Heilmittel entwickelt, das zu 75% half, aber: Die Geheilten können sich an ALLES erinnern, was sie während der Infektion fürchterliches getan, angerichtet, nämlich Menschen angefallen und blutrünstig-unkontrolliert getötet haben. Während die Regierung aktuell debattiert, was mit den 25% „Rest“ geschehen soll, die auf das medizinische Heilmittel nicht angesprochen haben, steht die letzte Welle der Geheilten davor, dank eines amtlichen Rehabilitationsprogramms in die – allerdings sehr meinungsverschiedene, aufgebrachte – Gesellschaft reintegriert zu werden. „Alles wird wieder normal“, hofft ein Insasse. Senan (SAM KEELEY) darf zurück. Seine Schwägerin Abbie (ELLEN PAGE) nimmt ihn bei sich und ihrem kleinen Sohn auf. Ohne zu ahnen, dass er „damals“ seinen Bruder, ihren Mann, im Virus-Wahn tötete. Demonstranten empfangen die Entlassenen: „Keine Geheilten freilassen. Abschaum!“ Und: „Tötet Sie! Dann herrscht endlich Ruhe“. Andere wiederum zeigen Verständnis: „Geheilte haben Rechte!“. Die Stimmung in der Dubliner Gesellschaft ist aufgeladen. Von verunsichert über unentschlossen bis stark aggressiv. Das – auch zu Hilfe gerufene amerikanische – Militär hat Mühe, für halbwegs Ordnung zu sorgen. Und gerade jetzt haben die Amis beschlossen, ihre Einheiten aus Irland abzuziehen. Senan ist bemüht, sich „normal“ einzurichten, weiß aber auch: Wenn man einmal infiziert war, bleibt im Körper ein Virus-Rest. Infizierte erkennen, „riechen“ dies und halten sich bei der Begegnung mit „Geheilten“ deshalb zurück. Halten diese für ihresgleichen. Und dann taucht Conor (TOM VAUGHAN-LAWLOR) auf, ein alter Kumpel und Bruder-im-Geiste von Senan. Aus den ganz schlimmen Zeiten. Er, der ehemalige Rechtsanwalt, der einst seine Mutter im Wahn abschlachtete und dessen Vater ihn heute verachtet und wegstößt, will sich nicht damit abfinden, von der Gesellschaft jetzt so „inhuman“ behandelt zu werden: „Das ist auch unser Land!“. Und gründet „Die Allianz der Geheilten“. Die sich mit aggressiven Terror-Aktionen hervortut. Mit ihm als Alphatier des Rudels. Während Senan nicht weiß, wie er sich verhalten, orientieren soll. Völlig hin- und hergerissen ist und sich – eigentlich – nicht manipulieren lassen möchte. Unterdessen beginnt die irische Regierung mit „humanen Eliminierungen“, um die verbliebenen eingesperrten 25% Infizierten und Nicht-Behandelbaren, rund 5000 Menschen, zu beseitigen. Zeitgleich kämpft eine Ärztin – praktisch im Alleingang – um ein verbessertes Heilmittel: „Ich kann sie heilen“. Dabei meint sie vor allem die gefesselte „Zombie“-Frau, um die sie sich intensiv kümmert. Ihre einstige Lebensgefährtin.

Es ist schizophren. Ein fragiler Zustand. Die Menschheit – völlig instabil. Werte? Was für Werte? Die althergebrachten, sie existieren kaum noch. Höchstens noch peripher. Vereinzelt. Die Zivilisation ist gerade dabei, sich aufzulösen. Gewalt als vermeintliche Lösung soll – wie stets – herhalten. Ansonsten bieten sich Bilder einer verzweifelten, entsetzen, schizophrenen, paranoiden, kaputten und äußerst gewaltbereiten Gemeinschaft. Zwischen „Gesunden“ und „Kranken“ gibt es kaum noch Unterschiede; jeder geht auf jeden los. Das gegenseitige Misstrauen steigert sich. Und mittendrin: Die Kain- und Abel-Geschichte: Und willst du nicht mein Bruder sein, dann hau‘ ich dir die Fresse ein. Die Menschheit: Eine Ansammlung von gestörten, aggressiven Wolfsrudeln, die sich in Gruppen verbrüdern, um sich zu bekriegen. Um irgendwie zu überleben. Aber: Ist „Überleben“ angesichts dieser moralischen (Endzeit-)Perversion überhaupt wünschenswert? Löblich?

„Ich wollte einen irischen Blockbuster schaffen“, tut der Autoren-Regisseur DAVID FREYNE im (deutsch untertitelten) Bonusmaterial kund. Sein spannendes, faszinierendes, aufwühlendes Debüt-Werk „THE CURED“ umfasst ein aktuelles zeitgemäßes globales Thema: Wohin mit fernen Minderheiten, die es Zuhause nicht mehr aushalten vor Armut, Leid, End-Zeit, doch nirgendwo mehr akzeptiert werden auf unserem Kosmos? Aktuell: Im Mittelmeer ertrinken gerade täglich viele verzweifelte alte und junge Menschen, die wir nicht (mehr) aufnehmen wollen; und wir akzeptieren dies um unseres Wohlstandes willen. Überdecken dies mit Fußball-WM-Emotionen und beim nächsten fröhlichen Amazon-Einkauf. Was für eine verdammenswerte, inhumane Abwehrhaltung. Signalisieren diese aufpeitschenden Filmbilder.

„The Cured“ ist kein herkömmliches klassisches Untoten-Movie, sondern einer der gegenwärtig besten, weil eben auch und vor allem gedanklich-robusten Horrorfilme überhaupt. Ihn zu ignorieren, wäre eine vertane Groß-Entdeckung, denn dieser überragende Genre-Film besitzt jetzt schon viel Kult-Geruch und phantastisch-bösen Meisterwerk-Geschmack (= 4 1/2 PÖNIs).

Anbieter: „splendid film“.

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