„STAR WARS – KRIEG DER STERNE“ von George Lucas (R + B; USA 1975-1977; K: Gilbert Taylor; M: John Williams; 121 Minuten; deutscher Kino-Start: 09.02.1978).
Seit Jahren elektrisiert nicht nur in den Kinos, sondern auch in den Debatten als Dauer-Thema: STAR WARS. Hierzulande einst als „Krieg der Sterne“ Ende der Siebziger Jahre beginnend, entwickelte sich die Reihe zu einem kinematografischen Ereignis. Aber wie entstand wann, wieso und mit welchen Hintergründen dieser Genre-Kosmos? Anlässlich des Starts des nächsten Kinofilms dieser Reihe am 18. Dezember 2019 – „Star Wars – Episode IX: Der Aufstieg Skywalkers“/Regie: J. J. Abrams – haben wir Fantasy-Experten Dr. Rolf Giesen gebeten, einmal diese „Gesamt-Geschichte“ STAR WARS in zwei Essays zusammenzufassen.
Nachfolgend Teil 1:
Ein Gast-Essay von Dr. Rolf Giesen
Das Interesse an Geschichte ist im Schwinden begriffen, also auch das an der Filmgeschichte. Aber hier ist eine Geschichte, die vor über 40 Jahren begann und in unsere Zeit hineinwirkt: von der analogen in die digitale Ära, von einer anfangs sehr kleinen Company hinüber zur Blockbuster-Franchise eines weltumspannenden Konzerns, vom Ende Richard Nixons bis zum Anfang der Trumps. Es ist auch eine Geschichte der Globalisierung. Ich bin Pöni zu großem Dank verpflichtet, dass er mir die Möglichkeit zu einer so umfangreichen Darstellung gegeben hat: ungekürzt.
Die Trompeten von Jericho
Star Wars war von Anfang an ein Hybrid: Patchwork eines genialen Flickschusters. Ein Weltraum-Märchen, die Brüder Grimm im All. John Boorman glaubte, als ich mit ihm darüber sprach, in der Story die Geschichte von Artus (= Luke Skywalker) und seinem Lehrmeister Merlin (Obi-Wan Kenobi) wiederzuerkennen und in den Lichtschwertern das Schwert des Königs: Excalibur. Pate standen wohl auch die Comic-Film-Serials der 1930er- und 1940er-Jahre, wie Flash Gordon, Buck Rogers und Captain America. Ritter, Räuber und Gendarm, Cowboys und Indianer im Weltall. Nicht zuletzt aber war Star Wars auch eine Reaktion auf den verlorenen Krieg in Vietnam, der Amerikas Jugend kriegsmüde gemacht hatte. Viele Filme, die für sich das Etikett Science Fiction beanspruchen, hatten und haben nichts zu tun mit ernsthafter Zukunftsforschung. Umso mehr sind es veritable Kriegsfilme, die in Serie nach dem Zweiten Weltkrieg vom Band liefen: War of the Worlds (Kampf der Welten, 1953), This Island Earth (Metaluna 4 antwortet nicht, 1955), Earth vs. the Flying Saucers (Fliegende Untertassen greifen an, 1956 – die „Blaupause“ von Independence Day), The Mysterians (Weltraum-Bestien, 1957), Battle in Outer Space (Krieg im Weltenraum, 1959). Das ist die Tradition, die auch George Lucas geprägt hat: Star Wars ist Zweiter Weltkrieg im Universum. Kein anderer als Ernst Udet, des Teufels General, gilt als Erfinder der sogenannten Jericho-Trompete, des Stuka-Sounds, den George Lucas für seine TIE Fighters bemühte. Kader für Kader studierte Lucas Wochenschauen des Zweiten Weltkriegs und übertrug den Luftkrieg von damals in sein Kriegsmärchen der Zukunft.
Walt Disneys gelehriger Schüler
Schon Walt Disney griff nach den Sternen. Seine TV-Ambitionen, die er entschieden gegen den Widerstand der meisten anderen Hollywood-Produzenten betrieb, die das neue Medium Fernsehen boykottierten, brachten Disney mit den Raketeningenieuren aus Peenemünde und Mittelbau-Dora zusammen, die im Kalten Krieg für die US-Administration arbeiteten. Disneys TV-Shows waren Werbung für das neue Disneyland in Anaheim, wo es auch ein Tomorrowland gab – und dazu lief im US-Fernsehen eine Reihe von Filmen, die Amerikas Griff nach den Sternen thematisierte. Regie führte Disney-Zeichner Ward Kimball: „…da ich schon immer ein Interesse an Science Fiction hatte, bot Walt mir an, hier einige Filme zu produzieren. Okay, sagte ich, und in Zusammenarbeit mit diesen ganzen deutschen Weltraumexperten wie Wernher von Braun und Heinz Haber drehte ich mehrere Filme: Man in Space, Tomorrow the Moon, Mars and Beyond und The Spy in the Sky. Damals hatten die Vereinigten Staaten noch kein großes Interesse an der Erforschung des Weltraums, und erst, als der russische Sputnik hochgeschossen wurde, sollte sich das ändern. Der damalige Präsident Eisenhower fragte sogar Walt Disney, ob er sich eine Kopie meines ersten Films Man in Space ausborgen könne, um ihn dann seinen Generälen zu zeigen. Man muss sich das vorstellen: Ich habe da einen kindgerechten Film gemacht, und der wurde dann vom Militär verwendet! Er lief dann noch einmal auf einer Tagung von lauter Raketenexperten in Dänemark, wo ihn auch die Russen sahen, und die wollten dann auch eine Kopie haben. Ich rief Walt an, der aber strikt ablehnte.“ [Interview mit Ward Kimball am 30. Oktober 1980 in: Strzyz, Klaus/Knigge, Andreas C.: Disney von innen. Gespräche über das Imperium der Maus. Frankfurt/M./Berlin 1988, S. 157.]
Ob Eisenhower Man in Space wirklich seinen Generälen gezeigt hat, ist umstritten. Nicht umstritten ist die Wirkung, die die ab März 1955 ausgestrahlte Reihe auf den US-Steuerzahler hatte. Wernher von Brauns Vergangenheit wurde totgeschwiegen. Von Braun (*1912 – †1977) war Mitglied der NSDAP und SS-Mann gewesen, aber gleichzeitig hatte er beim amerikanischen Militär Begehrlichkeiten geweckt, weil er der führende Raketenwaffen-Ingenieur Hitler-Deutschlands gewesen war, der technische Leiter der V2-Versuche. Disney, der gute Kontakte zum Pentagon unterhielt, tat sich ohne moralische Skrupel mit von Braun zusammen. Waren nicht Hitler, Goebbels und Ribbentrop selbst zu Lebzeiten ausgesprochene Disney-Fans?
Walt Disney hatte einen legitimen Nachfolger: George Walton Lucas jr. Beide sind einander nicht begegnet, aber beide haben viel dafür getan, dass die aus dem Zweiten Weltkrieg resultierende NASA-Idee ein fester Bestandteil von Leinwand, Bildschirm und Merchandising wurde.
Ein anderer Lucas-Vorgänger war Stanley Kubrick. Aber wir müssen daran erinnern, dass sowohl Disneys frühe Utopien wie auch Kubricks 2001: A Space Odyssey (2001: Odyssee im Weltraum), der im Jahr vor der Mondlandung herauskam, noch komplett analog waren. Dies gilt auch für die Simulationen, die auf den 2001-Rechnern zu sehen und in Wirklichkeit 16-mm-Projektionen waren. Als „Überläufer“ hat der Film von Kubrick, der in Gemeinschaft mit dem SF-Autor Arthur C. Clarke entstand, dennoch eine große Bedeutung. Nicht wegen irgendwelcher Zukunftsprognosen, die samt und sonders nicht aufgingen. Nicht einmal einige der Konzerne, für die geworben wurde (PAN AM), existieren heute noch, nein, wegen der wissenschaftlich-spekulativen, (pseudo)religiösen Transzendenz und Heilserwartung, die sich diametral zur Dystopie der 68er-Bewegung verhielt.
Richard Milhous Nixon als Vorbild des Imperators
Die Dreharbeiten zum ersten Star Wars-Film begannen 1975 in englischen Ateliers und in Tunesien, gleich nach dem US-Debakel in Vietnam. Im Jahr zuvor war Richard Nixon infolge der Watergate-Affäre zurückgetreten. Beide Ereignisse wurden, indirekt, von George Lucas thematisiert. Kriegsbilder wurden mittels raffinierter Kameratechnologie auf ein Weltraum-Szenario übertragen. Und aus Nixon wurde ein böswilliger galaktischer Imperator, der nicht davor zurückschreckte, Familien zu entzweien und Vater gegen Sohn aufzuhetzen, um über das Universum zu herrschen. Der Krieg der Sterne war auch ein Krieg der Generationen. Der mythologisch mit Campbell-Suppen hätte ich fast gesagt: nein, mit Gedanken des amerikanischen Mythenforschers Joseph Campbell angereicherte Science-Fiction-Eintopf, der zu einer Zeit serviert wurde, als von der NASA niemand mehr etwas wissen wollte, als irrigerweise der Spruch kursierte, einziger Nutzen der Mondlandung sei die Teflonpfanne gewesen, hat das Kino nachhaltig verändert. Der daraus resultierende, inzwischen voll digitalisierte Krieg der Blockbuster, der mittelständisches Kino mehr und mehr unmöglich macht, hat zum Siegeszug der Neuen Medien beigetragen. Wenn wir irgendetwas aus diesem Krieg der Sterne „lernen“ können (außer der Allgegenwart von Product Placement), dann ist es das unbestimmte Gefühl, von der Macht naiver, dafür aber zukunftsweisender, später digitalisierter Medieninhalte absorbiert zu werden: Form triumphiert über Inhalt, martialische Schauwerte triumphieren über den Verstand und über das Drehbuch. George Lucas mag ein Medien-Visionär sein, ein besonders guter Science-Fiction-Autor war er nicht.
Annikin Starkiller und Leia Aguilae
Nach dem Erfolg von American Graffiti hatte sich Lucas zwischen zwei Kriegsfilmen entscheiden müssen: Apocalypse Now oder Star Wars. Lucas hätte gern beides gemacht. Also ging er zu seinem Freund Francis Ford Coppola, der die Apocalypse produzieren wollte, und bat ihn, dieses Projekt zu verschieben zugunsten von Star Wars. Aber Coppola mochte nicht warten und inszenierte das Ding auf eigene Faust.
Die Legende geht, Lucas habe von Anfang eine Saga im Sinn gehabt. Tatsächlich hatte er nicht mehr als ein paar Blätter, ein 13-seitiges Exposé. Die Geschichte sollte im 23. Jahrhundert spielen und die Flucht der Rebellenprinzessin Leia Aguilae vor einem bösen galaktischen Diktator schildern, der die Demokratie im Universum beseitigt hatte. Leia zur Seite stehen der Jedi-General Luke Skywalker, sein Freund Annikin Starkiller und zehn Rebellenjungen im Alter von 15 bis 18 Jahren.
Mit dem Exposé unterm Arm meldete sich Lucas bei David Picker von United Artists an, aber der fand das alles technisch zu kompliziert und winkte ebenso ab wie Ned Tanen von Universal/MCA, mit dem Lucas ohnehin im Clinch lag. Umso interessierter zeigte sich Alan Ladd jr. von 20th Century Fox, der Lucas für einen „äußerst talentierten jungen Nachwuchsfilmer“ hielt und ihm deswegen eine Chance einräumte.
In den folgenden zwei Jahren deckte sich Lucas reichlich mit Comic- und SF-Lektüre ein und sah Unmengen von alten Filmen, von MGMs Forbidden Planet (Alarm im Weltall, 1956) bis hinunter zu Roger Cormans Day the World Ended (Die letzten Sieben, 1955) – und sogar Leni Riefenstahls Triumph des Willens, der NS-Reichsparteitag von 1934, sollte zitiert werden. Zwischendurch mühte er sich mit mehreren Drehbuch-Fassungen ab.
In der ersten Fassung sind der 18-jährige Kane Starkiller und General Luke Skywalker, ein betagter Herr Anfang 60, die einzigen Überlebenden eines Massakers, das die bösen Sith-Ritter des Usurpators unter den Jedi-Bendu angerichtet haben. Die beiden, heißt es, wüssten um das Geheimnis von der „Macht der anderen“, einer mystischen Tafelrunde der Jedi-Ritter. Dieses Geheimnis verleiht ihnen, gleich dem Heiligen Gral, außerordentliche Kräfte. Gegenspieler der Jedi sind Prinz Valarium, der Schwarze Ritter der Sith, und sein finsterer Adlatus Darth Vader, der einen Samurai-Helm trägt. (Lucas ist Kurosawa-Fan.) Auf der Seite der Guten stehen zwei abgetakelte sprechende Roboter, C-3PO und R2-D2 (ursprünglich ein Kürzel für: Rolle 2, Dialog 2), 2,40 m große Wookies mit grauem Pelz und ein grüner Kiemenmensch namens Han Solo.
Die zweite Fassung, die am 28. Januar 1975 fertig war, trug den Titel Die Abenteuer von Starkiller, Teil eins vom Krieg der Sterne. Hier also begann die Sache mit den Fortsetzungen, und ab hier beginnt die Nacherzählung verwickelt zu werden. Sie spielte in einer von Bürgerkriegen und Barbarismus erschütterten utopischen Republik namens Galactica. Im Mittelpunkt steht die Suche nach dem Kiberkristall, der das Energiefeld der „Macht der anderen“ magisch auflädt. Die Macht hat eine gute Seite, Ashla genannt (eine Anspielung auf den Löwen Aslan, das Symbol für Christus in den Narnia-Büchern von C. S. Lewis), und eine böse, Bogan oder Para-Macht geheißen. Die Ashla-Seite repräsentieren der alte Skywalker und seine zwölf Söhne (im Alten Testament hatte Jakob zwölf leibliche Söhne!), die zu den Jedi-Bendu gehören. Ihr Feind auf der Seite des Bösen ist der Hüne Darth Vader, der dunkle Vater. Vaders Gegenspieler im Kampf um den Kiberkristall ist der Silberbart Starkiller.
Langsam kristallisierte sich eine Familiengeschichte heraus: Der junge Luke Skywalker befreit seinen älteren Bruder Deak aus den Klauen Vaders. Leia ist die Tochter von Onkel Owen Lars und seiner Frau Beru und scheint Lukes Cousine zu sein. Beide, Luke und Leia, besuchen das Grab von Lukes Mutter, die angeblich mit seinem Vater auf einem Planeten umgekommen ist, der vom Todesstern vernichtet wurde. Han Solo ist jetzt kein Kiemenmensch mehr, sondern ein abenteuerlustiger Pirat und Haudrauf, der Ähnlichkeit mit Lucas-Mentor Coppola hat und stets in Begleitung seines Wookie-Gefährten Chewbacca erscheint. Außerdem hat er eine Freundin, eine Kreuzung aus Meerschweinchen und Braunbär namens Boma.
In der dritten Skript-Fassung vom 1. August 1975 ist Luke ein Bauernjunge, ganz so wie der junge Artus, aber er ist zu Höherem bestimmt, denn er ist der Sohn des legendären Jedi-Ritters Annikin Starkiller. Er wächst unter der Obhut seines verbitterten Onkels Owen Lars auf, der das schwarze Schaf in der Familie ist und sogar Lukes Ersparnisse stehlen muss, um seine Farm vor dem Bankrott zu retten. Derweil gelingt es der 16-jährigen Prinzessin Leia, in dem Roboter R2-D2 eine holographische Videobotschaft zu deponieren mit den Plänen des allseits gefürchteten Todessterns, bevor sie von Darth Vader überrumpelt wird. Luke findet den Roboter auf dem Schrottplatz. Es gelingt ihm, den „heruntergekommenen alten Wüstenfuchs“ Ben Kenobi, einen ehemaligen Kampfgefährten seines Vaters, sowie den Raumschiff-Cowboy Han Solo samt Co-Pilot Chewbacca zu mobilisieren und die Prinzessin zu retten, worauf der Todesstern angegriffen und zerstört wird.
Heraus kam schließlich die folgende Version:
Im Galaktischen Imperium ist eine Rebellion ausgebrochen, denn der selbsternannte Imperator hat die letzten Relikte der alten Jedi-Republik abgeschafft, um die eine Million Systeme im Sternenreich ein für allemal unter seiner Herrschaft zusammenzuschmieden. Das „absolute Machtinstrument im Universum“, der Todesstern, soll den Stützpunkt der Rebellen-Allianz ausfindig machen und zerstören.
Einige Rebellen, unter ihnen Prinzessin Leia Organa, die als Senatorin des Planeten Alderaan dem (inzwischen aufgelösten) Galaktischen Rat angehörte, können die technischen Einzelheiten der fliegenden Superfestung in ihren Besitz bringen, werden aber, bevor sie sie ihren Mit-Rebellen überbringen können, von einem imperialen Raumschiff unter dem Kommando von Lord Darth Vader, einem Vasallen des Diktators, abgefangen.
Auf dem Planeten Tatooine, nach dem Vorbild von Frank Herberts Wüstenplanet geschaffen, werden die beiden Roboter, die die von Leia entwendeten Daten gespeichert haben, von den mit Weltraummüll Handel treibenden Jawas, quirligen Zwergen mit funkelnden Augen, an den Gewürzfarmer Owen Lars verkauft. Dessen Adoptivsohn Luke Skywalker soll die Roboter fortan warten und findet die Botschaft der entführten Prinzessin. Ratsuchend wendet er sich an Obi-Wan „Ben“ Kenobi, einen alten Jedi-Ritter, der in den Klon-Kriegen auf Seiten der Republik gekämpft hat und ihn in das Geheimnis der „Macht“ einweiht.
Kenobi ist, ganz offensichtlich, eine Mischung aus Merlin, Gandalf und einem schwertkämpfenden Samurai. Wäre es nach George Lucas gegangen, hätte ihn der Japaner Toshiro Mifune, einer der Sieben Samurai, gespielt. So aber ging der Part an den Briten Sir Alec Guinness, einen der bevorzugten Schauspieler des Regisseurs David Lean. Kenobi hat sich die Einsamkeit zurückgezogen, weil er den größten Fehler seines Lebens begangen hat, indem er Darth Vader in den Riten der „Macht“ unterwies. Darth Vader aber verschrieb sich der dunklen Seite der Macht. Nun will Obi-Wan seinen Fehler wiedergutmachen.
In Mos Eisley, einem verrufenen Raumhafen, finden der Magier, sein Schüler und die beiden Roboter einen Piloten, der willens ist, sie nach Alderaan überzusetzen. Es ist der Schmuggler und Glücksritter Han Solo. (Ein Druckfehler in der Zeitschrift Cinema machte aus ihm einmal Hans Solo.) Unterdessen hat der Todesstern Kurs auf Alderaan genommen, um ein Exempel zu statuieren und die Rebellen-Hochburg zu vernichten. Leia wird in einem Stoßtruppunternehmen befreit, aber Kenobi muss im Kampf mit seinem fehlgeleiteten Schüler Darth Vader ins Gras beißen. Doch darauf hat der Alte nur gewartet, denn einmal seiner fleischlichen Hülle ledig, geht er als „Geistwesen“ in das große Geheimnis der „Macht“ ein und steht Luke als unsichtbarer „Schutzengel“ zur Seite.
Die Möhnetalsperre als Vorbild des Todessterns
Die Rebellen-Computer werten die von Luke und Leia überbrachten Daten aus und finden die „Achillesferse“ des Todessterns, einen kleinen Thermalabgas-Ausgang, der unmittelbar in das Hauptreaktorsystem führt, das die fliegende Festung mit Energie versorgt. Ein direkter Treffer der Rebellen-Luftflotte löst dann eine Kettenreaktion aus. Indem er auf die Stimme seines Schutzgeistes Kenobi hört, schaltet Luke seinen Zielcomputer aus und vertraut sich der „Macht“ an, um das Unmögliche zu bewerkstelligen und den vernichtenden Torpedo bei Höchstgeschwindigkeit just über dem Zweimeter-Ziel abzuwerfen. Eine gewaltige Explosion zerreißt den Todesstern in Stücke.
Vorbild der Aktion war ein britischer Kriegsfilm aus dem Jahr 1955: The Dam Busters (Mai 1943 – Die Zerstörung der Talsperren) von Michael Anderson, der einen Zielbombenabwurf vor der Staumauer an der Seeseite der Möhnetalsperre durch ein britisches Kommando schildert!
Auf dass einem Hören und Sehen vergeht
Die Story des ersten Films war wirklich nicht besonders. Und auch die meisten Darsteller, abgesehen von Alec Guinness und Hammers bewährtem Frankenstein-Darsteller Peter Cushing, waren damals kein Begriff: Skywalker Mark Hamill hatte ein paar kleine Rollen in Fernsehshows wie der des unglückseligen Bill Cosby gehabt. Leia Carrie Fisher war die später drogenabhängige Tochter von Debbie Reynolds und Eddie Fisher. Und Harrison Ford? Nie gehört! Er hatte kleine Rollen in Zabriskie Point und American Graffiti. Tatsächlich waren es weder die Besetzung noch das heillos wirre Drehbuch, sondern es waren die Bildentwürfe des ehemaligen Boeing-Mitarbeiters Ralph McQuarrie, die den Film verkaufen halfen.
Und beim Publikum waren es die Musik von John Williams, die Sound FX von Benjamin “Ben” Burtt jr., der für die Lichtschwerter die Geräusche eines alten Röhrenfernsehers und eines Filmprojektors mischte, und die visuellen Effekte von Raumkreuzern und einem konzentrierten Angriff auf den Todesstern.
War Kriegsspielzeug bei den 68ern noch verpönt, traten bald, nicht zuletzt auch dank Star Wars, Computerspiele ihren Siegeszug an, unter denen es auch solche gab (Ego-Shooter), die mehr oder minder direkt für WarGames und CyberWars warben. Technisch war Star Wars ein reiner Simulator ride und, wenn man so will, eine Einführung, eine Initiation in das Universum der interaktiven Spiele. George Lucas war ein Easy Rider – oder wäre es gerne gewesen. Der optische Bildeindruck bei einer rasenden Motorradfahrt durch eine nächtliche Stadt unterscheidet sich kaum von den Bildern im frühen Krieg der Sterne. Lucas wollte ursprünglich Rennfahrer werden, aber nach einem schweren Autounfall, der ihn ans Krankenbett fesselte, gab er die Formel-1-Ambitionen auf. Statt selbst Rennen zu fahren wollte er nun solche fotografieren und filmen: „Der Unfall bewirkte, dass ich mir über mich und meine Gefühle klarer wurde. Ich fing an, meinen Instinkten zu vertrauen…“
Francis Ford Coppola nahm den jungen Film-Studenten der University of Southern California unter seine Fittiche und half ihm, aus einem utopischen Studenten- einen Spielfilm fürs Kino zu machen. So entstand THX 1138. Und dann kam 1973, völlig unerwartet, der Riesenerfolg von American Graffiti. Trotzdem glaubte niemand so recht an den Erfolg des Lucasschen Sternenkrieg-Konzeptes, nicht einmal die Schauspieler. Lucas hatte keine Ahnung von visuellen Effekten. Jim Danforth war seine erste Wahl als VFX-Supervisor. Lucas bot ihm an, ihm dabei zu helfen, mit Raumschiff-Modellen um sich zu werfen, als seien es Papierflieger. Danforth war das zu viel. Er lehnte ab. Doug Trumbull empfahl John Dykstra, der die Raumschiff-Aufnahmen mittels einer rechnergesteuerten Motion-Control-Kamera, der Dykstraflex, „entfesselte“: Nun bewegten sich die Modelle nicht mehr linear an der Kamera vorbei wie die, die Kubrick in 2001 benutzte, sondern stürzten mit der Geschwindigkeit von Riesenlibellen durch den Weltraum. Mein Kollege Robert Blalack, der heute als freischaffender Künstler in Paris lebt, und sein optischer Printer, der ursprünglich für die Herstellung von Trickkombinationen in dem Film Marooned (Verschollen im Weltraum, 1969) konstruiert worden war, waren dabei, als Lucas sein technisches Universum mit Dykstras Hilfe schuf. Er erinnert sich:
„Hollywood mag Filme, die genauso sind wie die Erfolge, die es gerade hergestellt hat. Und obwohl George Lucas‘ American Graffiti aus dem Jahr 1973 für Universal einen Profit von 2800 % eingespielt hatte und Universal die exklusive Option hatte, das nächste Projekt des Filmemachers, Star Wars, zu produzieren, fanden sie, dass das Skript nicht so war wie das anderer Filme, die Kasse machten. Universal verzichtete.
Als 20th Century Fox bei Star Wars einstieg, hatten sie keine Idee, wie viel visuelle Effekte, die in dieser Form noch nie gemacht worden waren, kosten würden. Aber Fox hatte einen Vertrag mit den Gewerkschaften in Hollywood, der erforderte, dass jede Arbeitsstunde, die für einen Fox-Film aufgewendet wurde, mit den Unions abgerechnet würde. Nach 40 Arbeitsstunden anderthalb mal so viel Lohn, nach 50 Stunden doppelter Lohn, nach 60 dreimal so viel in der Lohntüte. Und obendrauf für jede Arbeitsstunde ein Aufschlag von 37 % für Pension, Sozialhilfe und Urlaub.
Fox‘ minimalistisches Budget machte die Gründung einer Strohfirma erforderlich, die Industrial Light & Magic genannt wurde und von Fox als nicht gewerkschaftlicher Arbeitgeber für die Star Wars-VFX-Arbeitnehmer gedacht war. Diese nicht gewerkschaftlich gebundenen VFX-Arbeitnehmer erhielten eine Wochenpauschale, die nur einen Bruchteil der 40-Stunden-Klausel ihrer gewerkschaftlich organisierten Kollegen ausmachte.
Auf diese Weise kosteten die Visual Effects 300 % weniger als mit dem abschreckend teuren Union-VFX-Personal, und so entschied sich das Studio, die Würfel rollen zu lassen und das Risiko der Produktion einzugehen, selbst wenn sie über das Budget hinausging (was dann tatsächlich auch passierte).
Da erfahrene, gewerkschaftlich gebundene Spezialisten nicht in Frage kamen, wurde der VFX-Pool aus jungen Künstlern und Vietnam-Veteranen rekrutiert, die filmverrückt waren und nichts zu verlieren hatten. Keiner aus der VFX-Crew hatte jemals an einem Visual-Effects-Film dieser Größe gearbeitet, die meisten noch nie an einem Hollywood-Film.
Gleichzeitig mit den Live-Action-Dreharbeiten in England arbeiteten wir an den fotografischen Tools und Verfahren eines revolutionären VFX-Studios, das in einem leer stehenden Lagergebäude in Van Nuys, Kalifornien untergebracht war.
14 Monate später (und noch 10 Monate bis Produktionsende) funktionierte unser VFX-System immer noch nicht perfekt. Eine von 365 Aufnahmen war fertig, eine Million der im Budget für VFX vorgesehenen 1,6 Millionen Dollar war ausgegeben. Das Verhältnis von Lucas und seinem VFX-Supervisor Dykstra war wie das eines Bibliothekars zu einem Hells Angel. Wie auf ein Stichwort erschien ein Sparkommissar, der Dykstra feuern und die Pseudokünstler disziplinieren sollte. Wir sagten ihm, wenn Dykstra ginge, würden wir auch gehen. Dykstra blieb, und der Sparkommissar spielte den Eheberater und den Consigliere.
Bei der Fox breitete sich angesichts der steigenden Produktionskosten Hysterie aus, verbunden mit der Furcht, dass Universals ablehnende Haltung richtig gewesen sein könnte. War das der Grund, warum sie die Rechte am Spielzeug und an den Fortsetzungen an Lucas abtraten für die Garantie, die Produktion nicht abzubrechen, aber nur unter der Bedingung, dass die Filmemacher aus ihrer Beteiligung an den Einspielergebnissen zwei Dollar für jeden Dollar zahlten, den der Film über Budget ging?
Wäre Star Wars jemals finanziert worden, wenn es diese gewerkschaftlich nicht gebundenen VFX-Kids nicht gegeben hätte, die so begeistert waren, dass sie bereit waren, draufzuzahlen für das Erlebnis, an einem Hollywood-Film zu arbeiten?“
The Show Must Go On
In Lucas‘ Kassen sprudelten plötzlich die astronomischen Einnahmen auch und vor allem aus den Merchandising-Rechten an Star Wars, die die zögerliche Geschäftspolitik der ängstlichen Fox-Leute in seinen Schoß gespült hatte. Er trennte sich von Dykstra und ging mit seiner Crew nach San Francisco, wo das Trickzentrum Industrial Light & Magic neu erstand. Dann lieh er 20 Millionen Dollar als Bürgschaft für einen Bankkredit, der zur Finanzierung einer Fortsetzung unter dem Titel The Empire Strikes Back (Das Imperium schlägt zurück) benötigt wurde. Diesmal war er nicht bereit, Fox den Löwenanteil der Verleih-Einnahmen zu überlassen. Das Geld von Fox benötigte er nicht mehr. Geld wurde ihm jetzt nachgeworfen. Fox brauchte er nur noch als weltweiten Verleih.
Die Vereinbarungen für Empire Strikes Back waren für Hollywood-Maßstäbe ungewöhnlich. Für den Anfang bekam Lucas 50 Prozent der Bruttoeinnahmen. Der Anteil stieg schließlich auf 77 Prozent. Die Merchandising-Rechte gehörten ihm ohnehin. Fox musste für alle Verleih-Kosten einschließlich der Filmkopien und Werbung aufkommen und war nur für einen Zeitraum von sieben Jahren zum Verleih des Films berechtigt. Danach fielen alle Rechte an Lucas zurück. Dieser besaß außerdem sämtliche TV- und Verwertungsrechte. Fox hatte darüber hinaus eine Vorauszahlung in Höhe von zehn Millionen Dollar zu leisten, die man durch Garantiesummen der Kinobesitzer deckte. Die Fox-Oberen waren empört, aber sie schluckten die bittere Pille. (Alan Ladd jr. wurde alsbald abgelöst und machte seine eigene Ladd Company auf.)
The Empire Strikes Back (1979) war schon eine Nummer größer als Star Wars: Nicht mehr nur inhaltlich, auch dramaturgisch ist das Serial-Vorbild spürbar, die Aufteilung in Fortsetzungen, im vorliegenden Fall in drei verschiedene Blöcke. Im ersten Block greifen imperiale Snow Walkers, Stop-Motion-Riesenpanzer, die sich wie gigantische Elefanten bewegen, den Schlupfwinkel der Rebellen-Allianz auf dem Eisplaneten Hoth an. (Hermann Hoth war ein deutscher Generaloberst des Zweiten Weltkriegs!) Gedreht wurden die Außenaufnahmen in Norwegen. Der zweite Block erinnert entfernt an J. R. R. Tolkien. Die von Muppet-Meister Frank Oz belebte koboldhafte Handpuppe Yoda übernimmt die Rolle des verblichenen Kenobi als Lukes Lehrmeister. Im dritten Block, in der Himmelsstadt Bespin, der Stadt der Falkenmenschen aus dem Flash-Gordon-Serial nachempfunden, kommt es zum Showdown zwischen Luke und Darth Vader. Der Schwarze Lord der Sith offenbart, dass er Lukes Vater ist. Luke verliert bei dem Kampf einen Arm. Die Schlusseinstellung von Luke und seinem neuen mechanischen Arm erzeugt Spannung. Hat Darth Vader Luke in Versuchung geführt wie der Teufel den biblischen Heiland in der Wüste? Will er ihn zur dunklen Seite der „Macht“ hinüberziehen? Kann Luke der teuflischen Versuchung widerstehen?
Es war nicht Größenwahn, der Lucas dazu trieb, eine regelrechte Star-Wars-Saga zu annoncieren, die er auf neun Folgen zu jeweils drei Trilogien konzipierte. Die ersten beiden Filme waren auf einmal Teil IV (Untertitel: A New Hope) und V und bildeten mit der Fortsetzung Return of the Jedi von 1983 die mittlere Trilogie. In diesem Teil VI: Die Rückkehr der Jedi-Ritter wird die Familiengeschichte komplettiert. Der Reihe nach: Leia ist in Wirklichkeit Lukes Schwester und in Han Solo verliebt und natürlich nicht in ihren Bruder. Und Darth Vader, Lukes böser Erzeuger, entwickelt auf einmal Vatergefühle. Als schon alles verloren scheint, als der zombiehafte Imperator Luke mit seinen Todesstrahlen zu vernichten droht, schlägt sich der Schwarze Lord schwer atmend auf die Seite seines Sohnes, ergreift den Imperator von hinten und wirft den Zappelnden in einen Schacht, wo er explodiert.
Das war die Geburtsstunde der heutigen Blockbuster, die weltweit eine Milliarde und mehr an den Kinokassen scheffeln, und es war, wenn man so will, die Geburtsstunde des digitalen Zeitalters, auch wenn die Szenen in den bisherigen Filmen überwiegend noch analog gefilmt worden waren. Von nun an aber sollte der Computer diktieren, was Ungeheuerliches zu sehen war.
Die Fortsetzung des Essays folgt unter dem Titel „Star Wars – Der Krieg der Sterne geht weiter“ folgt am 02.12.2019…