SPIDER-MAN: FAR FROM HOME

PÖNIs: (3,5/5)

„SPIDER-MAN: FAR FROM HOME“ von Jon Watts (USA 2018/2019; B: Chris McKenna, Erik Sommers; nach den gleichn. MARVEL-Comics von Stan Lee & Steve Ditko; K: Matthew J. Lloyd; M: Michael Giacchino; 130 Minuten; deutscher Kino-Start: 04.07.2019).

Gastkritik von Caroline „Carrie“ Steinkrug 

Dieser 23. Film im MCU (= Marvel Cinematic Universe; dt: Marvel Kino Universum) dient nicht nur als Sequel zu SPIDER-MAN: HOMECOMING (USA 2017; R: Jon Watts/s. Kino-KRITIK; Einspielergebnis: rd. 880 Millionen US-Dollar), sondern vor allem auch als Epilog zu AVENGERS: ENDGAME (USA 2017-2019; R: Anthony und Joe Russo/s. Kino-Gast-KRITIK; aktuell: 2,76 Milliarden US-Dollar), dem bisher lukrativsten Ableger des MARVEL-Konzerns. Auf dem Weg zum erfolgreichsten Film aller Zeiten. Aktuell nur dominiert von James Camerons AVATAR (USA 2009; 2,78 Milliarden US-Dollar). Aber was nicht ist, kann ja noch werden, denn derzeit ist das Boxoffice, also die Einnahmen-Zählung, noch nicht geschlossen. Wer demnach unbeschadet und spoilerfrei FAR FROM HOME sehen möchte, sollte zumindest diese Vorgänger v o r a b gesichtet haben.

Beim zweiten Teil des neuen Reboot-Spinnen-Abenteuers (zuvor gab es andere Umsetzungen mit „Tobey Maguire“ beziehungsweise „Andrew Garfield“ in der Titelrolle) hat sich vor und hinter der Kamera wenig verändert. Der Amerikaner JON WATTS übernahm wieder die Regie, die alten Drehbuchautoren CHRIS McKENNA und ERIK SOMMERS schwangen erneut den kreativen Stift, und in den blau-roten Latex-Anzug schlüpfte zum wiederholten Male der mittlerweile 23-jährige Brite TOM HOLLAND. Eine tolle Entscheidung, denn eines muss man diesem Jungschauspieler wirklich zugutehalten: mit seiner naiv-charmanten, etwas tollpatschigen, doch warmherzigen Plappermaul-Art ist und bleibt er d i e Spidey-Besetzung, welche dem Geist der Ur-Comics am meisten entspricht. Schön, dass er mit seinem Solo die Brücke zur neuen MCU-Phase 4 schlägt, in der er uns hoffentlich noch lange erhalten bleiben wird. Denn bekanntermaßen wird sich darin in Zukunft einiges verändern.

Eine andere große Veränderung gibt es zudem bereits hier: SPIDER-MAN: FAR FROM HOME spielt, wie dem Titel zu entnehmen ist, weit von „zuhause“ weg und ist somit die erste Verfilmung mit dem freundlichen Krabbeltier aus der Nachbarschaft, die n i c h t ausschließlich in New York inszeniert wird. Denn: Es geht ab nach Europa! Mit der gesamten Schulklasse. Peter Parker (alias Spider-Man; TOM HOLLAND) und seine Freunde begeben sich nach Übersee, um das zu tun, was Teenager in dem Alter eben tun: das Leben genießen. Leider ist das als Superheld und AVENGER-Anwärter nicht immer einfach und so funken dem verliebten Teenie nicht nur dauernd die Anrufe von Nick Fury (SAMUEL L. JACKSON), dem Chef der Antiterror-Organisation S.H.I.E.L.D. dazwischen, sondern auch neue Monster, neue Herausforderungen und natürlich er, der neue Star am Superhelden-Himmel: Quentin Beck alias Mysterio (JAKE GYLLENHAAL). Ein neuer Verbündeter… oder?

Wie schon bei der Reise von Homers „Odysseus“, muss der Held ausziehen in die große, weite Welt, um erwachsen zu werden. Der Spider-Boy wird also zum Spider-Man(n). Und dabei begleiten und beobachten wir ihn. Musste er in HOMECOMING noch bescheidenere Heldenfähigkeiten entwickeln, darf er nun lernen, die riesige Lücke zu füllen, die Tony Stark alias IRON MAN (unersetzbar: ROBERT DOWNEY JR.) hinterlassen hat. Das Spannende ist, dass Parker Jr. dabei immer beweglich bleiben muss, ständig in Action ist, um das Gleichgewicht zwischen Pflichterfüllung, der ersten großen Liebe und dem eigentlichen Erwachsenwerden zu Händeln. Das klassische SPIDER-MAN-Drama eben, das sich schon immer darum drehte, nicht genügend Zeit für das „normale“ Leben zu haben. Nach dem er sich doch eigentlich so sehr sehnt. Ein emotionaler Spagat, der dem Hauptdarsteller gut gelingt, da er bereit dazu ist, gemeinsam mit seiner Figur zu reifen. Hoffentlich auch weiterhin. Denn dieser jugendlich-unbedarfte Spirit, der bisher bei seinen Spinnen-Vorläufern eher auf der Strecke blieb, liefert den Motor, der die Geschichte vorantreibt. Einzig und allein die First-Love-Beziehung zu seiner Leinwandpartnerin ZENDAYA (kalt wie Hundeschnauze!) alias Michelle „MJ“ Jones will nicht so recht zünden. Was letztlich schade ist, aber der Entwicklung des neuen Spider-Universums keinen großen Abbruch tut.

Dies liegt unter anderem auch daran, dass MARVEL offensichtlich seinen Mangel an funktionierenden Bösewichten weitestgehend gekittet hat. Zuletzt belebte MICHAEL KEATON als „The Vulture“ in HOMECOMING eine durchdachte, fiese Charakterzeichnung. Und auch JAKE GYLLENHAAL als neuer Parker-Kindergartenonkel Mysterio kann überzeugen. Nichtsdestotrotz alle Onkel, und das wissen wir nicht erst seit Shakespeare, sind mit Vorsicht zu genießen. Genau dieser zwielichtige Tanz auf dem Seil gelingt dem 38-jährigen Amerikaner als wohl berühmtester Spinnen-Jäger der Comic-Historie eindrucksvoll. Die lustige Randnotiz: Als sich „Tobey Maguire“ damals bei den Dreharbeiten zu dem Pferdedrama „Seabiscuit“ (USA 2013; R: Gary Ross) eine schlimme Rückenverletzung zuzog, wäre beinahe Jake Gyllenhaal selbst – an seiner statt – bei Sam Raimis SPIDER-MAN 2 (USA 2004; s. Kino-KRITIK) in das Spinnennetz gekrabbelt. Jetzt, 2019, hat er es also trotzdem noch in dieses Comic-Metier geschafft.

Ebenso scheint Regisseur JON WATTS endlich im Kino-Blockbuster-Geschäft angekommen zu sein. Vor HOMECOMING war er viele Jahre nur mit TV-Filmen beschäftigt, hatte also keine Erfahrung mit diesem Big Business, setzt hier die dort gewonnene allerdings gekonnt ein. Dies schlägt sich primär in einer Verbesserung der Action-Elemente nieder, die im Vorgänger nicht so mutig inszeniert wirkten. Etwas mehr Courage hätten hingegen die Drehbuchautoren weiterführend mit-entwickeln können. Zu oft verstecken sich ihre eigentlich schönen Ideen hinter teils zu dominanten Witzen. Mehr Ernsthaftigkeit hätte an manchen Stellen gut getan.

SPIDER-MAN: FAR FROM HOME als Superhelden-Film verpackte High-School-Romanze, mit viel Humor, Spannung, Spiel (aber ohne Schokolade!), funktioniert auf einer schlichten Popcorn-Unterhaltungsebene ganz prima. Mal sehen, ob Peter Parker mit seiner erfolgreichen Welttournee am Ende nicht doch ein oder vielleicht sogar d e r neue Anführer der AVENGERS wird?! Die neue MARVEL-Phase wird es zeigen. Durch sie weht jedenfalls letztlich ein neuer, aber sehr geschätzter „alter“ (Ensemble-)Wind, wie uns die Credit-Szene offenbart (= 3 1/2 „Carrie“-PÖNIs; …sitzen bleiben lohnt sich also wieder!).

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