RICO, OSKAR UND DIE TIEFERSCHATTEN

PÖNIs: (4/5)

„RICO, OSKAR UND DIE TIEFERSCHATTEN“ von Neele Leana Vollmar (D 2013; B: Christian Lerch, Andreas Bradler, Klaus Döring; nach dem gleichn. Roman von Andreas Steinhöfel; K: Torsten Breuer; M: Oliver Thiede; 95 Minuten; deutscher Kino-Start: 10.07.2014); den Ort gibt es, DEN kann man besuchen, also von außen sich ansehen: Berlin-Kreuzberg, Dieffenbachstraße 93 (einschließlich Hinterhaus). Hier lebt der 10-jährige Frederico Doretti, genannt Rico (ANTON PETZOLD), allein mit seiner Mutter.

Rico ist ein pfiffiger kleiner Bursche, allerdings mit einem Handicap: Er kapiert „Dinge“ nicht ganz so schnell wie andere. In seinem Alter. ADS nennt man das medizinisch-amtlich; ein Begriff für eine Art Verhaltensstörung. Die bewirkt, dass es dem Jungen schwerer fällt, sich zu konzentrieren und zurechtzufinden. Deshalb trägt er auch immer seinen „Merkrecorder“ bei sich, der ihn durch die Gegend leitet, und erklärt jedem, der es hören will (oder auch nicht): Ich bin halt „tiefbegabt“. Wo es Hochbegabte gibt, muss es eben auch „solche wie mich“ geben, lautet seine lakonisch-ironische Identitätsangabe. Durch seinen Kopf rollen die Gedanken wie Bingo-Kugeln, erfahren wir, spucken immer wieder neue Vokabeln heraus oder konfrontieren ihn mit unbekannten Begriffen, die mittels Tagebuchfragen der baldigen (Er-/Auf-)Klärung bedürfen. Aber: weil die liebevolle Mama (KAROLINE HERFURTH) nachts viel schuftet, ist Rico während der Sommerferien tagsüber viel für sich allein. Muss sich selbst auf seine – etwas spezielle – Sinn-Suche begeben. Wird deshalb im Hause schon mal wegen seines Andersseins veräppelt und gehänselt, was er aber stoisch erträgt.

Als er den zwei Jahre jüngeren Oskar kennenlernt, der ständig einen Helm trägt, wegen der vielen Gefahren im täglichen Leben (was er statistisch zu belegen weiß), ist ein guter, verlässlicher Freund gefunden, so dass das das große innerstädtische Abenteuer beginnen kann. Denn im Gegensatz zu Rico ist Oskar „ganz hoch“-begabt. Erfasst alles vielmal so schnell. Die Beiden passen also hervorragend zusammen. Was auch vonnöten ist, sorgt gerade der berüchtigte Kinder-Entführer „Mister 2000“ in Berlin für Schlagzeilen. DER klaut Kinder von der Straße, um sie für 2.000,- EURO Lösegeld dann zurückzugeben. Natürlich kommen auch Rico und Oskar „mit DEM“ bald „in Kontakt“. Was für Rico bedeutet, dass er nun – als allein auf sich gestellter kriminalistischer Ermittler – über sich hinauswachsen muss. Zumal sich nun auch die geheimnisvollen Tieferschatten von nebenan auf ihn zu… bewegen.

Ein toller Kinderfilm. Mit Lausbuben-Krimi-Charme. Mit Erich Kästner- beziehungsweise Herbert Grönemeyer-Spaß-Geschmack: Gebt den Kindern das Kommando. Sie machen das schon. In und mit ihrer ganz „speziellen“ Entdecker-Art. Die beiden jungen Hauptakteure ANTON PETZOLD als neugieriger Rico und JURI WINKLER als Jung-Genie Oskar spielen imponierend natürlich. Locker und luftig. Unangestrengt. Clever und sympathisch. Eben nie altklug-blöd. Während drum herum kauzige Erwachsene für mehr oder weniger pointierten Stichwort-„Dampf“ und für nachbarliche Irritationen sorgen.

Wie der komisch-brummlige Hausmeister Marrak (AXEL PRAHL), der prollige Herr Fitzke (köstlich: MILAN PESCHEL), der neue, offensichtlich alleinstehende, gutaussehende Mitbewohner Simon Westbühl (RONALD ZEHRFELD), den Rico zu gerne mit Mama verkuppeln möchte, oder Frau Dahling (URSELA MONN), die in einen TV-Schönling verschossen ist und überhaupt auf romantische Liebesfilme im Fernsehen steht. Des Weiteren sind sich Stars wie ANKE ENGELKE als gestresste Eisverkäuferin oder KATHARINA THALBACH als hexerische Bingo-Zicke für lustige Kurzauftritte nicht zu schade. Und da sind ja dann noch diese putzigen, phantasievollen Animationen, die Ricos Zettelage in seinem Erklärkasten sozusagen witzig begleiten. Wenn ihm wieder einmal Worte zu Gehör kommen, die unbekannt oder „schwierig“ sind. Dann müssen trickreiche Schnellschüsse her.

Was für ein liebevolles Vergnügen! Für „Gören“ jeden Alters. Als Milieu-Kinderkrimi. Mit Schmackes. Und mit diesem ohrwürmigen Titelsong von den „Sportfreunden Stiller“: „Mein Kopf spielt Bingo“. Regisseurin Neele Leana Vollmar hatte 2009 einen Kino-Publikumsfavoriten mit ihrer beziehungsreichen Komödie „Maria, ihm schmeckt’s nicht!“ (s. Kino-KRITIK) und vermag hier, mit dieser gelungenen Adaption des 2009 mit dem „Deutschen Jugendliteraturpreis“ in der Kategorie „Kinderbuch“ ausgezeichneten gleichnamigen Romans von Andreas Steinhöfel, prima-unterhaltsam zu punkten (= 4 PÖNIs).

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