AUCH D A S JETZT AUCH. ER WIRD HEUER 89 JAHRE! Und stellt fest: „Man tut sich zu zweit zusammen, um Probleme zu umgehen, die man als Einzelner gar nicht hätte“. WOODY ALLEN dreht seit fünf Jahrzehnten beinahe jedes Jahr einen Film. Oft nach SEINEM Muster, also mit einer Mischung aus intellektuellem Witz und Upper-Class-Kritik. Den komischen Pfad hat der Ingmar-Bergman-Fan selten verlassen, unter anderem bei den psychologischen Filmstudien „Innenleben“ (1978) und „September“ (1985). Nach einigen, lt. Kritik, weniger starken Produktionen kehrte er mit der nostalgisch-ironischen Brillant-Komödie „MIDNIGHT IN PARIS“ (2011/s. Kino-KRITIK/5 PÖNIs) zu bewusster Klasse zurück. An diesem SONNTAG, 1. Dezember 2024, wird ER 89 Jahre jung-alt. Beste Glückwünsche dem Magier von vielen wunderbaren, köstlich-ironischen Filmzeitreisen.
TRAUER. JÜRGEN THORMANN, geboren am 12. Februar 1928 in Rostock, ist am 22. November 2024 in Berlin gestorben. Jahrzehntelang war ER als Synchronlegende mit starker Präsenz in der Stimme in vielen, vielen Kinofilmen aktiv. Die Anzahl seiner Sprechrollen wird im deutschen Synchronarchiv mit 1392 benannt. Jürgen Thormann synchronisierte seit Jahrzehnten den britischen Filmstar Michael Caine in allen dessen Filmen. Seine sonore Stimme – häufig im Stil eines britischen Gentlemans gesprochen – kennt das Kino- und Fernsehpublikum zum Beispiel aus den „Batman“-Filmen als Butler Alfred Pennyworth. Thormann lieh aber auch anderen Hollywood-Größen seine Stimme, etwa Ian McKellen, der den Gandalf in der „Herr der Ringe“-Reihe spielte. JÜRGEN THORMANN, die stimmliche Legende, wird fehlen. Ein phantastischer Sprach-Held ist von uns gegangen. Und das ist sehr traurig.
1.) KINO-GROSSEREIGNIS. Titel = „EMILIA PÉREZ“ von JACQES AUDIARD (Co-B + Produktion + R; Fr 2023; Co-B: Thomas Bidegain; frei nach dem Roman „Écoute“ von Boris Razon/2019; K: Paul Guilhaume; M: Camille, Clément Ducol; 130 Minuten; deutscher Kino-Start: 28.11.2024). Mit IHM verbinden sich „ununterbrochen“ sehenswerte, wertvolle, unterhaltsame, bedeutsame, „kulturelle“ Kinofilme. Wie zum Beispiel „Ein Prophet“ (s. Kino-KRITIK /2010 /4 PÖNIs /9 „Cesars“); „The Sisters Brothers“ (s. Kino-KRITIK /2019; 4 1/2 PÖNIs); „Wo in Paris die Sonne aufgeht“ (s. Kino-KRITIK /2022/4 PÖNIs). „EMILIA PÉREZ“ ist ein Spielfilm von JACQUES AUDIARD, den es „SO“ noch nie gegeben hat. Handelt/erzählt von einem „schlimmen“ mexikanischen Drogenbaron (KARLA SOFIA GASCÓN), der seine Vergangenheit hinter sich lassen und ein neues Leben als Frau beginnen möchte. Die Titelrolle übernahm die spanische transgeschlechtliche Schauspielerin Karla Sofia Gascón. Zum weiteren Schauspielensemble gehörten ZOE SALDANA, SELENA GOMEZ; ADRIANA PAZ und ÉDGAR RAMIREZ. Die französische Studioproduktion mit überwiegend spanischen (und synchronisierten) Dialogen, wurde im Mai beim 77. Filmfestival von Cannes uraufgeführt und mehrfach preisgekrönt. Auch wurde „Emilia Pérez“ als französischer Kandidat für den Auslands-„Oscar“ 2025 bestimmt.
Einen außergewöhnlichen Erfolg konnte Karla Sofia Gascón verbuchen. Erstmals konnte sie als erste offene Trans-Schauspielerin bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes einen der Hauptpreise erringen, den als „Beste Darstellerin“, der ihr gemeinsam mit Selena Gomez, Adriana Paz und Zoe Saldana für „Emilia Pérez“ zuerkannt wurde. Zugleich wurde ihr eine Nominierung für den „Europäischen Filmpreis“ als „Beste Darstellerin“ zuteil.
Es ist beinahe unfassbar, was hier das Team um JACQES AUDIARD tatsächlich und überzeugend gelungen ist. Eine Geschichte als Mix aufzubereiten, die bislang „SO“ überzeugend noch nie in einem Lichtspielhaus „beobachtet“ werden konnte. Nämlich sowohl als Gangsterstory wie auch als Transgender-Drama, als Telenovela und – ! – als „ernsthaftes“ Musical. Bei der Erstaufführung in Cannes flippte jedenfalls das Saalpublikum aus. Jetzt gilt es, DAS „komplett“ zu verstehen, zu begreifen, zu fühlen. Seit die hiesigen Pressevorführungen durchwaren.
Um was es eigentlich geht. Die Anwältin Rita (Zoe Saldana) ist ein kleines Licht in einer großen Firma: überqualifiziert, aber unterrepräsentiert. Ihrer Intelligenz und strafrechtlichen Pfiffigkeit verdanken Drogendealer, Mörder und Kartellbosse die Freiheit. Im Blitzlichtgewitter sonnt sich hinterher ihr stets der korrumpierbare Chef. Eines Tages bietet sich ihr ein Ausweg, sozusagen „eine Möglichkeit“: Kartellboss Manitas de Monte (Karla Sofia Gascón) will mit ihrer Hilfe aus der Mafia-Welt aussteigen. Rita soll den Schlussstrich unter sein zweifelhaftes Lebenswerk ziehen, soll ein neues Leben für seine Gattin Jessi (Selena Gomez) und die beiden Kinder organisieren und einen Plan umsetzen, den er seit Jahren im Verborgenen vorbereitet hat: um sich voll und ganz in die Frau zu verwandeln, die er tief im Inneren schon immer war: EMILIA PÉREZ. Doch Manitas‘ Vergangenheit ist eine Geschichte, die nur ihre eigenen Regeln gehorcht, die wiederkehrt und sich mit aller Gewalt rächen wird.
Und was es ist. Nämlich als eine einzigartige Kino-Offenbarung präsentiert sich dieses epochale Meisterstück. Mit grandioser Starbesetzung. Der mehrfach preisgekrönte Autoren-Regisseur Jacques Audiard taucht sich mit dieser formal revolutionären Geschichte über die absolute Freiheit der Selbsterfindung endgültig in der kinematographische Welt fest. Als betörendes Ereignis. Mit einer grandiosen Show voller Vitalität und Energie, die alle Sinne fesselt, diese in ihren Bann zieht und die Macht und Popularität des Kinos so leidenschaftlich zelebriert. Wie wohl noch nie. Zuvor.
Und: Für die wuchtige, temperamentvolle, atmosphärische, emanzipatorische, aufwühlend-kommunizierende MUSIK arbeitete Komponistin Camille mit ihrem Lebensgefährten, dem Musiker und Arrangeur Clément Ducol, zusammen. Die Songtexte schrieb sie selbst mit Hilfe eines mexikanischen Übersetzers und führte sie für das Musikdemo auch auf.
Was für ein Mut. Was für eine Wut. Was für eine packende Bewegungsorgie. Was für eine begeisternde Stimmung. Was für eine Lichtspieloffenbarung. Tausende Emotionen toben sich hier „freihändig“ auf. Und aus. Hart wie einfach. Dieser Film füllt das Kino-Leben immens. Wunderbar trifft zu. Ereignisreich erst recht (= 5 PÖNIs).
2.) ACH. DIE GEFÜHLE. Titel = „DER VIERER“ von Iván Sáinz-Pardo (Co-B + R; D/Ö 2023; Co-B: Florian David Fitz; Torben Struck; K: Torsten Lippstock; M: Philipp Fabian Kölmel; 93 Minuten; deutscher Kino-Start: 28.11.2024. Basiert auf dem – unbekannten – 2019 veröffentlichten spanischen Film „Amor En Polvo“ von Suso Imbernón. Und behandelt ein seit geraumer Zeit beliebtes deutsches Kinofilm-Thema. Motto: Beziehungen und so was. Problembeladen. Mit ruppiger Lust. Zwei Paare. Sind „abgearbeitet“. Wollen für heimisch-aufwallende neue Sex-Luft sorgen. Endlich. Denn Diesbezüglich muss sich was ändern. Es ist – sozusagen – Zeit, mal wieder die Körper und die dazugehörigen Bewegungen aufzumotzen. Doch natürlich funktioniert nix, um sich schnell und „ordentlich“ zu mögen. Denn Theorie, also Planung, und Praxis, also „Machen“, beruhen auf missverständliche Annahmen. Aussagen. „Handhabungen“. Als DER ABEND eskaliert, bleibt keine Lüge unangetastet, kein Geheimnis verschont, während Lacher für gut-feurige, temperamentvolle (Dialog-)Laune sorgen.
Mit JULIA KOSCHITZ, FLORIAN DAVID FITZ, FRIEDRICH MÜCKE und LUCIA BARRADO als originelles, mitunter ziemlich luftig wirkendes Schwung-Personal, die sich mit der Leichtigkeit, Einfachheit der Gefühle schwer tun. Obwohl das doch mit den überkandidelten Emotionen ziemlich doll temperiert. „Der Vierer“ bespaßt satte-nette Bürger, die – von wegen – einfach mal wieder die geschlechtlichen Regeln aktivieren wollen. Auch könnten. Wenn sie nur…, aber das ist dann der drastische Heim-Trubel (= 3 PÖNIs).
3.) EMOTIONAL. Titel = „VENA“ von Chiara Fleischhacker (B + R; D 2023; K: Lisa Jilg; M: Peter Albrecht; 116 Minuten; deutscher Kino-Start: 28.11.2024). „VENA“ ist der Diplomfilm der Autorin und Regisseurin Chiara Fleischhacker. Für ihr Drehbuch wurde sie bereits mit dem Thomas Strittmatter-Drehbuchpreis 2022 und dem Caligari-Förderpreis 2021 ausgezeichnet. Auf dem Filmfest Hamburg, auf dem am 1. Oktober 2024 auch die Weltpremiere des Films aufgeführt wurde, konnten die Produzenten von „VENA“ den Preis in der Kategorie „Deutsche Kinoproduktionen“ gewinnen. In den Augen der Jury ist der Film „eine präzise Milieustudie, die mit einer gewaltigen Kraft in Bild, Ton und Musik ihr Publikum mitreißt. Der Film blickt dorthin, wo es in unserer Gesellschaft schmerzt, und entfaltet dabei eine emotionale Intensität, die lange nachhallt“. Die Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW) verlieh „VENA“ das Prädikat „besonders wertvoll“.
Jenny (EMMA NOVA) liebt ihren Freund Bolle (PAUL BOLLIN), mit dem sie ein Kind erwartet. Was für andere das größte Glück bedeutet, löst in Jenny ambivalente Gefühle aus, denn das Leben hat ihr zuvor viel zugemutet. Sie ist mit der Justiz und dem Jugendamt aneinandergeraten und ihre Beziehung mit Bolle leidet zunehmend unter der Drogenabhängigkeit der beiden. Als ihnen die Familienhebamme Marla (FRIEDERIKE BECHT) zugewiesen wird, reagiert Jenny zunächst abweisend. Doch wider Erwarten verurteilt Marla sie nicht, sondern sieht sie als den Menschen, der sie im Kern ist. Jenny beginnt, Marla zu vertrauen. Doch die Vergangenheit Jennys taucht mehr und mehr wieder auf.
Hauptdarstellerin Emma Nova, die bereits 2019 auf der Berlinale den Titel „European Shooting Star“ erhielt und 2024 mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet wurde, überzeugt erneut durch ihre intensive Körperlichkeit und mit ihrer enormen emotionalen Wucht (= 4 PÖNIs).
4.) Ein weiterer neuer Filmeinsatz in dieser Woche:
„CITY OF DARKNESS“ = Rasanter HONGKONG-Action von SOL CHEANG. Ein Hammer von Movie! Nach seiner erfolgreichen Weltpremiere bei den diesjährigen Filmfestspielen von Cannes in der „MIDNIGHT SECTION“ war das furiose Actionspektakel von Regisseur SOI CHEANG der Abschlussfilm des Fantasy Filmfest im September in Berlin. Der Film ist der Kandidat für Hongkong im Rennen um die „Oscar“-Nominierung des „Bester Internationaler Film“ für 2025. GANZ COOLER HARD-GENUSS. (= 4 PÖNIs).
5.) TV-TIPP = „TATORT“-Kommissar Thorsten Falke (WOTAN WILKE MÖHRING) wollte es eigentlich – und endlich – etwas „ruhiger“ haben, doch dann tauchen „kirchliche Unannehmlichkeiten“ auf. „SCHWEIGEN“ lautet der Titel beim neuen TV-Krimi am Sonntag-Abend. Meine TV-Kritik folgt nach der 20.15 Uhr-ARD-Sendung, auf den bekannten Kanälen.
6.) Mein SONG der Woche ist dieses wunderbare Lied aus dem tollen Film „Die Ironie des Lebens“ (s. Kino-KRITIK): „Halt dich an deiner Liebe fest“.
Soooo wichtig in Zeiten, ich denen sich so viele Menschen bei Wahlen oder durch Gier für den Hass entscheiden.
Hier in einer bewegenden Version mit Rio Reiser allein am Klavier, 1991 bei Corny Littmann auf der Reeperbahn:
Das isses für diese Woche. PÖNI grüßt rundum und mit dem BLOG