PÖNIs BLOG (200): Lebwohl, WOLFGANG PETERSEN; Wenn FLUSSKREBSE SINGEN; „JAGDSAISON“; 5 oder: „DAS SPIEL DES KILLERS“; TV-TIPP; CHARLES BRONSON singt anders

(Fotoquelle: S Pakhrin from DC, USA (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Wolfgang_Petersen_-_Poseidon_Premiere_(cropped).jpg), „Wolfgang Petersen – Poseidon Premiere (cropped)“, Ausschnitt von mm, https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/legalcode)

1.)   Mit dem „Tatort“-Thriller „REIFEZEUGNIS“, der erstmals am 27. März 1977 in der ARD lief und heute zu den am meisten wiederholten „Tatort“-Filmen zählt, startete der am 14. März 1941 im ostfriesischen Emden geborene und in Hamburg aufgewachsene Autoren-Regisseur und Produzent WOLFGANG PETERSEN seine brillante Karriere. RIAS-Berlin sei dank – wir hatten des Öfteren die Möglichkeiten, ihn zu treffen, wenn er seine Blockbuster wie den sechsfach „Oscar“-nominierten Hit „DAS BOOT“ und den Publikumsfavoriten „DIE UNENDLICHE GESCHICHTE“ vorstellte. Seit 1987 lebte Wolfgang Petersen mit seiner Familie in Los Angeles. Hollywood-Stars wie Clint Eastwood („In the Line of Fire“); Dustin Hoffman („Outbreak“); Harrison Ford („Air Force One“); George Clooney („Der Sturm“) oder Brad Pitt („Troja“) begleiteten ihn auf seinem „deutsch-amerikanischen“ Film-Weg. Am 12. August 2022 ist er gestorben. Die Erinnerungen an unseren Hollywood-Ostfriesen schmerzen. 

2.)   FILM-ROMAN-FILM. Titel = „DER GESANG DER FLUSSKREBSE“ von Olivia Newman (USA 2021; B: Lucy Alibar; nach dem gleichnamigen Roman von Delia Owens/2018; Produktion u.a.: Reese Witherspoon; K: Polly Morgen; M: Mychael Danna; 126 Minuten; deutscher Kino-Start: 18.8.2022). Eine Vierfach-Stimmung: Packendes DRAMA; phantastisches NATUR-SCHAUSPIEL; unterschiedliche LIEBESGEFÜHLE ; spannender GERICHTS-THRILLER! „Zauberhaft schön“ nannte der „Spiegel“ den Roman, der 2019 hierzulande herauskam. Und Neugier auf die 73jährige Buchautorin machte. Die, in Georgia geboren, über zwei Jahrzehnte in verschiedenen afrikanischen Ländern Elefanten, Löwen und Hyänen erforschte. Als Kind verlebte Delia Owens die Sommerurlaube mit ihren Eltern in North Carolina, wo auch ihr Romandebüt angesiedelt ist, der mit folgendem Prolog ausgestattet ist: „1969. Marschland ist nicht gleich Sumpf. Marschland ist ein Ort des Lichts, wo Gras in Wasser wächst und Wasser in den Himmel fließt. Träge Bäche mäandern, tragen die Sonnenkugel mit sich zum Meer, und langbeinige Vögel erheben sich mit unerwarteter Anmut – als wären  sie nicht fürs Fliegen geschaffen – vor dem Getöse Tausender Schneegänse. Doch auch im Marschland schleicht sich hier und da echter Sumpf in tief liegende Moore, verborgen in feuchtkalten Wäldern. Sumpfwasser ist still und dunkel, hat das Licht mit seinem schlammigen Schlund verschluckt.  Selbst nachtaktive Regenwürmer kriechen in diesem Refugium tagsüber umher. Es gibt Geräusche, natürlich, aber verglichen mit der Marsch, ist der Sumpf still, denn Verwesung ist ein zelluläres Geschäft. Leben zerfällt und stinkt und wird erneut zu Humus; ein elender Schlamm des Todes, der Leben erzeugt. Am Morgen des 30. Oktober 1969 lag die Leiche von Chase Andrews in dem Sumpf, der sie sich bald lautlos, gelassen einverleibt hätte. Für alle Zeiten verborgen. Ein Sumpf weiß alles über den Tod und versteht ihn nicht notwendigerweise als Tragödie, ganz sicher nicht als Sünde. Doch an diesem Morgen radelten zwei Jungs aus dem Dorf hinaus zu dem alten Feuerwachturm, und als sie auf dem dritten Treppenabsatz ankamen , entdeckten sie seine Jeansjacke“. 

Damals gab es diesen Film. Titel: „Beasts of the Southern Wild“. Der lief 2012 zu Weihnachten in unseren Kinos an und avancierte zu einem Überraschungserfolg (s. Kino-KRITIK/4 1/2 PÖNIs). Die Autorin dieses Films hieß Lucy Alibar, die ihr Skript nach ihrem gleichnamigen Bühnenstück verfasst hatte. LUCY ALIBAR erhielt für ihr Drehbuch damals eine „Oscar“-Nominierung und ist hier erneut fürs Drehbuch zuständig.

Sie heißt Kya Clark (DAISY EDGAR-JONES). Ist in den Sümpfen des Deep South aufgewachsen. DRAMA: Du kannst dir nie aussuchen, „worin“ du geboren wirst. Du hast entweder Glück, Zufriedenheit, gute Lebenschancen, die du zu nutzen verstehst, oder du hast Pech und bist Opfer. Leidest unter deinem alkoholabhängigen Vater, der in der Familie herumprügelt. Wie Kya. Deren Mutter und deren Geschwister die Gewalt nicht mehr ausgehalten haben und abgehauen sind. Die 7jährige Catherine „Kya“ Clarke ist nun allein auf sich gestellt. Muss diese gewalttätigen väterlichen Eskapaden ertragen. Und hoffen, dass die Mutter irgendwann zurückkehrt. Hilfe kann „Das Marschmädchen“ von Niemanden erwarten. In der Region denunziert man sie als eine Art Hexe. Würde sie gerne „amtlich“ wegsperren. Also beginnt Kya ihr Dasein auf eigene Faust zu entwickeln. Zu arrangieren. Zu planen. NATUR-SCHAUSPIEL: Einzigartig. Ein atmosphärisches Wunderwerk von Pflanzen, Bäume, Gräser, Wasser. Ein Paradies, das ohne Menschen auszukommen in der Lage wäre. LIEBE. Zwei junge Männer tauchen auf. Der blonde, mit der Natur verbundene Tate Walker (TAYLOR JOHN SMITH) und der draufgängerische Chase Andrews (HARRIS DICKINSON). Beide umwerben das ungewöhnliche „exotische“ Kya-Mädchen. Das aus eigener Kraft existiert. Und kämpft. Beide Jungs enttäuschen sie. Weil – „Männer regieren“, lautet in jenen Jahren das gesellschaftliche Ami-Motto. Selbständige „Mädchen“ erstaunen nur. Gelten als nur „begrenzt“ „zu gebrauchen“. Die sensible, clevere Kya aber weiß sich inzwischen längst zu wehren. GERICHTSTHRILLER: Der Prolog. Weißt auf die Anklage hin: Kya wird beschuldigt, Chase Andrews ermordet zu haben. Es kommt zum Prozess. Tom Milton ist Anwalt (DAVID STRATHAIRN) und vertritt die junge, schweigsame und empfindsame Frau. Er zählt zu den wenigen, der diese junge gebeutelte Frau freiwillig unterstützt.

DRAMA = Einfühlsam. NATURSCHAUSPIEL = Überragend. Grandios. Bildlich eine Wucht! LIEBESGEFÜHLE = Eher bedächtig. Mit zu vielen kitschigen Emotionen. Etwas hilflos gefüllt. GERICHTSTHRILLER = faszinierend. Verbal aufregend. David Strathairn ist Nebenrollen-„Oscar“-verdächtig. „DER GESANG DER FLUSSKREBSE“, der Film = Mit Schwächen stimmungsgeladen. DAISY EDGAR-JONES = ist als unabhängige Kya imponierend. Die beiden männlichen Jungschauspieler ähneln sich (bedauerlicherweise) und treten eher schwächlich-„neutral“ auf. Insgesamt verdient sich die Romanverfilmung: 3 1/2 PÖNIs.

3.)   Lustiges MÄDELSZICKEN. Titel = „JAGDSAISON“ von Aron Lehmann (Co-B + R; D 2021; Co-B: Lea Schmidbauer; Rosalie Thomass; K: Andreas Berger; M: Annette Focks; 93 Minuten; deutscher Kino-Start: 18.8.2022). Wie erfreulich´ – die Filmmädels beginnen – endlich – heftig-deftig entgegen zu fiebern. Während die Männer weiterhin mehr absaufen denn einfangen (= Publikum), siehe NICHT: „Stasikomödie“ von Leander Haußmann, vermag der Kollege Aron Lehmann (davor: „Das schönste Mädchen der Welt“/s. Kino-KRITIK) hier zu punkten. Kein Wunder, jagt er doch drei Zicken-Jahrgänge durch die Slapstick-Saison. Eigentlich sind sie Freundinnen, doch seitdem Eva (ROSALIE THOMASS/ja, auch Co-Autorin) ihren Ehemann an die schöne und als Influencerin erfolgreiche Bella (ALMILA BAGRIACIK) vor längerer Zeit „verloren“ hat, ist sie giftig. Provoziert. Wütet verbal herum. Zumal die Neue des Ex-Gatten keine Gelegenheit auslässt, sich auch bei Evas kleiner Tochter beliebt zu machen. Eva ist so etwas von stinkig. Und neuerdings versteht sich „diese Bella“ auch noch prächtig mit Evas bester Freundin Marlene (MARIE BURCHARD). Von wegen – gemeinsames Yoga. Und als ob dies nicht schon genug wäre, plant Marlene einen Wellness-Clou. Gelangweilt vom ehelichen Sex Zuhause nach Stundenplan, hat sie sich auf einen heißen Flirt und „mehr“ mit dem attraktiven Jäger Peter (AUGUST WITTGENSTEIN) eingelassen. Was Bella aufscheucht. Sie bucht kurzentschlossen ein Ladies-Luxus-Weekend im Nachbar-Hotel und rät Marlene, sich den Kerl doch dort ordentlich „aus dem Kopf zu vögeln“. Was wiederum Eva auf die Palme bringt; zähneknirschend schließt sie sich als Drittes „Girl im Bunde“ an und sorgt zwischen Waxing, Whirpool und Wilderei für jede Menge Chaos mit grinsenden Pointen.

Wat ist los, wenn drei taffe Mädels loslegen. Eva steckt sich immer eine Zigarette an, also andauernd, wenn sie sich besonders unmöglich-belästigend präsentieren möchte;  Bella dagegen pflegt gerne, von wegen ‚Ich in ja so was von erfolgreich fernsehgeil‘, ihre sanfte Haut und verkauft die dazugehörigen Puder und Creme gleich mit. Marlene probiert einfach drauflos in Sachen intim, also „mal was anderes“. Während Männer als „Triebtäter“ auf- und ablaufen. Und dann erschießt Eva statt eines Karnickels auch noch den Hund des entsetzten, flennenden Jagd-Veranstalters. Woher dabei die plötzlich auftauchende Menstruationstasse stammt, bleibt bedauerlicherweise ungewiss. Das Motto ist klar, deutlich und wirklich viel öfters komisch als eigentlich erlaubt: 3 Lecker-Beknackte, allesamt weiblich, wollen eigentlich weniger durch den Beziehungswind sein als, na ja – eben erlaubt. Und sind es – viel – mehr. Gut so. Mit ein paar begleitenden schmutzigen Getränken lässt sich dieser Streifen mundend wie munter ertragen (= 3 PÖNIs).

4.)   REIZE DEN PRÄZISEN KILLER PEPPINO NICHT. Titel = „DAS SPIEL DES KILLERS – 5 IST DIE PERFEKTE ZAHL“ von Igor Tuveri (B + R; basiert auf der gleichnamigen Graphic Novel des Italieners Igor Tuveri, bekannt unter seinem Pseudonym IGORT; Italien/Belgien/Frankreich 2019; K: Nicolai Brüel; M: D-Ross und STARTUFFO; 102 Minuten; deutscher HEIMKINO-Start/Koch Films  28.7.2022). Mit dem wunderbaren TONI SERVILLO („Der Nebelmann“/s. Heimkino-KRITIK/4 1/2 PÖNIs) in der Hauptrolle. Peppino ist ein Auftragskiller der alten Schule. Er hat dem Nachwuchs alles beigebracht, was er kann und freut sich, jetzt im Alter, auf den ruhigen Lebensabend. Während sein Sohn inzwischen beim organisierten Verbrechen die Geschäfte führt. Als dieser aber bei einem Hinterhalt umgelegt wird, besteht Peppino auf Vergeltung. Mit seinem Freund Toto, „der Metzger“ (CARLO BUCCIROSSO), zieht er los, um den Mörder seines Sohnes aufzuspüren. Ab sofort sind die düsteren Straßen Neapels ein unsicherer Ort.

„Igor zelebriert seine Moritat in größtmöglicher Ruhe, lässt Worte und Bilder wirken. Der Film ist nicht interessiert an der realistischen Abbildung eines dem Untergang geweihten Verbrecherlebens. Er spielt mit popkulturellen Mustern, lässt die graphische Stilisierung von magischem Realismus bis zum Surrealismus schweifen. Menschen sind sorgsam gruppierte Figuren in Räumen , in denen sie sich verirrt haben. Dabei folgt IGORT konsequent der Vorgabe seines Comics“ (booknerds.de).

Dieser Film ist eine HEIMKINO-Entdeckung. Er setzt auf photographische Exkursionen und exquisit-atmosphärische Comic-Nuancen. Vermag den italienischen Star TONI SERVILLO brillant zu entwickeln  beziehungsweise einzuspannen. Die klangvollen Töne der Musik beinhalten Erinnerungen an ENNIO MORRICONE und vermischen brodelnde 1960er-Jahre Gangsterflic- und Bar-Musik. Wandeln in liedhaftem Schwelgen zwischen Paolo Conte und Nick Cave. Vom stylischen Beginn, der den alternden Killer Peppino Lo Cicero bei der Arbeit zeigt; bis zum sonnendurchfluteten  Abschluss reizen Stoff und Umsetzung als elegischer Noir, der zwischen ruhigen, fast statischen Bildern und kunstvoll blutig choreografierten Shootouts seine Geschichte von Verlust, Verrat und der Hoffnung auf Vergebung und Erlösung ohne hektische Schnitte und mit viel Comic-Gefühl erstaunlich erzählt. Peppinos Gedankengängen akribisch folgt und seine Schießereien opernhaft zelebriert.

Auch von hohem Niveau präsentieren sich die Extras, darunter das Featurette „Von den Comics zur Animation“.

„DAS SPIEL DES KILLERS – 5 IST DIE PERFEKTE ZAHL“ ist bald ein Genre-Klassiker par excellence (= 4 1/2 PÖNIs).

5.)   TV-TIPP: Wir können es. Wir vermögen es. „Wir“ können hervorragende, also ebenso inhaltlich-spannende wie unterhaltsam-spannende Kinofilme herstellen. Bestes Beispiel dafür ist dieser historische wie aktuelle neue deutsche Milieu-Polit-Thriller „WACKERSDORF“ von 2018. Als beunruhigendes Meisterwerk (s. Kino-KRITIK/4 1/2 PÖNIs). ARTE präsentiert am kommenden DIENSTAG, 23.8. ab 14.15 Uhr diesen deutschen Spitzenfilm von Oliver Haffner!

6.)   MUSIK, diesmal anders: „ICH SCHAUE MIR MEINE FILME NIE AN. SIE SIND MIR ZU BRUTAL“. Stammt von CHARLES BRONSON, geboren am 3.11.1921 in Ehrenfeld; gestorben am 30.8.2003 in Los Angeles. In dessen Filmen Gewalt eine zentrale Rolle spielte. Wie beispielsweise in seinen „EIN MANN SIEHT ROT“-Movies. Anlässlich seines 19. Todestages am übernächsten Dienstag lasse ich DIE heute als „Lieblingssongs der Woche“ klingen:

Wünsche eine coole Filmwoche.

HERZlich:    PÖNI PÖnack

email:   kontakt@poenack.de

 

 

 

 

 

 

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