PÖNIs BLOG (177): Begeisterung: ROMAN und FILM = „DER SCHNEELEOPARD“; „PARALLELE MÜTTER“; „BLUE BAYOU“; Nö = „KÜSS MICH, MISTKERL“; „MY SON“; TV-TIPP; NICK CAVE

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1.)   Lesen ist im besten Erlebnis begehrliches Sehen. Albern? Wartet ab. 2021 kam hierzulande DER ROMAN von SYLVAIN TESSON heraus. Französischer Originaltitel von 2019: „La panthère des neiges“; deutscher Titel:  „DER SCHNEELEOPARD“. Eine begeisternde, poesievolle Entdeckung. Den Inhalt der 187 Seiten beschreibt „Le Monde des Livres“ so: „Erinnert an die Jagd des Kapitän Ahab nach Moby Dick, mit dem Unterschied, dass der Held dieser Geschichte das Tier fotografieren will anstatt es zu harpunieren“. Gemeinsam mit dem Naturfotografen VINCENT MUNIER und der auf Tierberichterstattung spezialisierten Kamerafrau und Regisseurin MARIE AMIGUET reist der Schriftsteller SYLVAIN TESSON nach Tibet, um sich auf die Suche nach einem der seltensten Geschöpfe dieser Erde zu begeben  – dem SCHNEELEOPARDEN. Aus dem (zwischen Vincent und Sylvain) gesprächigen Lektüre-Vorspann: „Es gibt ein Tier in Tibet, dem ich seit sechs Jahren nachstelle“, sagte Munier. „Es lebt auf der Hochebene. Man muss eine lange Annäherung in Kauf nehmen, wenn man es zu sehen bekommen will. Ich fahre diesen Winter wieder hin, komm doch mit“. „Welches meinst du?“ „Den Schneeleoparden“. „Ich dachte der sei ausgestorben“. „Er tut nur so“. Übrigens: Vincent Munier ist der erste Fotograf, der dreimal den Eric Hosking Award vom BBC Wildlife Photographer of the Year erhalten hat. In Frankreich war „Der Schneeleopard“ 2019 das meistverkaufte Buch. „Eine Ode an die Stille“, urteilte „Libération“. Ich habe den Roman erst nach der Filmbesichtigung gelesen und empfehle ihn nicht nur jetzt, sondern auch VOR DER (unbedingten) Filmansicht zu erobern. Der geistige wie emotionale Gewinn ist ungeheuerlich, sprich: garantiert!

2.)   BLICK – BETÖREND. Ist nicht mehr aus den Augen, aus dem Sinn, aus der irdischen Seelengemeinschaft … zu verlieren. („Verehren, was wir vor Augen haben; nichts erwarten; genießen, was sich darbietet“). Titel: „DER SCHNEELEOPARD“. Von MARIE AMIGUET und VINCENT MUNIER (Co-B, K + R; Fr 2021; M: Warren Ellis; Nick Cave; Schnitt: Vincent Schmitt; Sprachfassung: dtsch. Voiceover; OmU; 92 Minuten; deutscher Kino-Start: 10.3.2022).  Es sind diese Momente. Diese Motive. Dieses gegenseitige Entdecken. Von Tier und Mensch. Inmitten dieser phantastisch wirkenden Gebirgszüge. Die sich im wechselvollen (Gegen-)Licht und Schatten, in Totalen und Nahaufnahmen scheinbar „bewegen“. Es sind diese unglaublichen Bilder. Die sich einprägen. Die sich verbinden mit den Seelen. Als der Titelheld auftaucht. Sich verwundert-neugierig, völlig unaufgeregt seinen Beobachtern zuwendet. Mit ihnen besonnen – blickend „kommuniziert“. Bevor er seinen Königsplatz auf dem Berg souverän, in absoluter Ruhe und Würde, einnimmt. „Dicht, intelligent und feinsinnig – das perfekte Gegenmittel wider den zeitgenössischen Wahnsinn“ (Marie Chaudey, „La Vie).

Im Herzen des tibetischen Hochlands begeben sich Vincent Munier, Sylvain Tesson und die Kamerafrau Marie Amiguet auf die Suche nach dem Schneeleoparden. Nur noch wenige Exemplare der gefährdeten und scheuen Art sind in freier Wildbahn anzutreffen. Tagelang durchstreift das Team das Gebirge, lesen Spuren, werden mit der Landschaft eins. Geduldig harrt man aus, beobachtend und fotografierend. Ihre stille Suche nach dem Schneeleoparden entwickelt sich dabei zu einer inneren Reise, zu einem behutsamen Dialog über den Platz des Menschen in einer verschwindenden Welt. Herausgekommen ist ein Werk von überwältigender Schönheit.

„DER SCHNEELEOPARD“ von Sylvain Tesson & Vincent Munier & Marie Amiguet: „Er verkörpert all das, was wir aufgegeben haben: Freiheit, Eigenständigkeit, die perfekte Kenntnis der Umgebung“  (= 5 PÖNIs).

3.)   COURAGIERT. Titel = „PARALLELE MÜTTER“. Von PEDRO ALMODÓVAR (B + R; Spanien 2021; K: José Luis Alcaine; M: Alberto Iglesias; 123 Minuten; deutscher Kino-Start: 10.3.2022). Zwei Frauen, zwei Schwangerschaften, zwei Leben. Deren Lebensverbindung zusammenläuft. Janis („Oscar“-Preisträgerin PENÉLOPEZ CRUZ /“Vicky Cristina Barcelona“/2009) und Ana (MILENA SMIT) erwarten beide ihr erstes Kind und lernen sich zufällig im Krankenhaus kurz vor der Geburt kennen. Beide sind Single, wurden ungewollt schwanger. Janis, mittleren Alters, bereut nichts, ist in den Stunden vor der Geburt überglücklich. Das genaue Gegenteil – Ana: Teenager, verängstigt und traumatisiert, und von ihrer Mutter Teresa (AITANA SÁNCHEZ GIJÓN) findet sie kaum Unterstützung. Janis bemüht sich, Ana aufzumuntern. Die wenigen Worte, die sie in diesen Stunden im Krankenhausflur austauschen, schaffen ein enges Band zwischen den beiden. Doch dann wirft ein Zufall alles durcheinander und verändert beider Leben auf dramatische Weise.

In „Madres paralelas“ (Originaltitel) stehen das Gespräch „über Vorfahren und Nachkommen, über die Wahrheit der historischen (Franco-)Vergangenheit und die intimste Wahrheit der Figuren“ sowie „Identität und mütterliche Leidenschaft“ im Mittelpunkt (Pedro Almodóvar im Presseheft). Dabei würden sich die drei im Film auftauchenden, unvollkommenen Mütter sehr von den Figuren in seinem bisherigen Gesamtwerk unterscheiden. Motto: Die diesmal konsequente weibliche Solidarität. Almodóvar bezeichnet die Rolle von Penélope Cruz als schwierigste Figur, die sie je unter seiner Regie gespielt habe. „Parallele Mütter“ eröffnete im Vorjahr die 78. Venedig-Filmfestspiele, wo Penélope Cruz für ihre Leistung als „Beste Schauspielerin“ ausgezeichnet wurde. In einer – bedeutsamen – Nebenfunktion behandelt der Autoren-Regisseur im Übrigen die längst noch nicht „abgearbeiteten“ mörderischen Vergangenheitszustände unter dem System von Diktator Franco, wobei es weniger um die Ermordeten und mehr um die zurückgebliebenen Frauen geht, die unermüdlich dafür kämen, dass ihre Angehörigen endlich einen würdevollen Abschied „bekommen“. Das Zitat im Nachspann verhilft dem Anliegen der Nachkommen bewegenden Beistand. „Parallele Mütter“ ist ein wichtiger, wertvoller, starker neuer Film des spanischen Meisters (= 4 PÖNIs).

4.)   LÄUFT MIT. Titel = „BLUE BAYOU“. Von und mit JUSTIN CHON (B + HD + R; USA 2020; K: Antje Cheng; Matthew Chuang; M: Roger Suen; 118 Minuten; deutscher Kino-Start: 10.3.2022). Er heißt Antonio LeBlanc, wurde als Kind von einer amerikanischen Familie adoptiert, wuchs in einer kleinen Stadt im Louisiana Bayou auf. Heiratete seine große Liebe Kathy (ALICIA VIKANDER), hat jetzt allerdings Stress, weil ihn der eifersüchtige Ex-Freund seiner Frau, der Polizist Ace (MARK O’BRIEN), „auf den Kieker“ hat. Dass Antonio unschuldig ist, interessiert niemanden, denn Ace ist weiß und Antonio „nicht“. Von wegen – asiatische Gesichtszüge, Tattoos und arm. Zudem ist seine Vergangenheit auch nicht „lupenrein-weiß“. Als er den Behörden zur Ausweisung übergeben wird, zählt nicht, dass er nie eine andere Heimat gekannt hat und dass er ein liebevoller Stiefvater für Kathys Tochter Jessie und ein treu sorgender Ehemann ist. Der Film ist zwiespältig. Will sagen – die Absicht gut, die Ausführung eher bescheiden. In der Darstellung des üblen amerikanischen Rassismus und über die Erzählung der Story ist er ziemlich vorhersehbar. Der beim Cannes-Festival von 2021 erstmals gezeigte Streifen hätte es nicht nötig gehabt, hierzulande kurz und so spät im Kino zu landen (= 3 PÖNIs).

5.)   LÄPPISCH. Titel = „KÜSS MICH, MISTKERL“. Von Peter Hutchings (USA 2020; B: Christina Mengert; K: Noah Greenberg; M: Spencer David Hutchings; 103 Minuten; deutscher Kino-Start: 10.3.2022). Ach nö. Zwei, die sich mögen, zeigen sich emotional das vermeintliche Gegenteil. Was sich liebt, das neckt sich. So was. In der langweiligen Art. Sie sitzen beide im Vorzimmer der Chefetage eines Verlagsunternehmens und geifern herum. Mal mehr, mal weniger. Bei dieser mit LUCY HALE (nervig, auch geschminkt) und AUSTIN STOWELL (störrischer Kontrollfreak) hauptrollenbesetzter Beziehungs-Komödie wird viel geplappert. So dass: Das ist eher etwas für den sonntäglichen TV-Nachmittag mit einigen Zwischendurch-Telefonanrufen, währenddessen man nichts versäumt. Langeweile mit Ohne-Kino (= 1 PÖNI).

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6.)   KOPFLOSE SPANNUNG. Titel = „MY SON“. Von Christian Carion (Co-B, Co-Produzent + R; USA/GB/D 2020/2021; K: Eric Dumont; M: Laurent Pérez del Mar; 95 Minuten; HEIMKINO-(„EuroVideo“-) Start: 10.3.2022). Christian Carion: Ist das englischsprachige Remake seines französischen Films „Mon garcon“ aus dem Jahr 2017, der hierzulande nie gezeigt wurde. Und, wie damals für den französischen Hauptakteur Guillaume Canet, bekam auch der jetzige schottische Hauptdarsteller JAMES McAVOY („Split“/2016) – angeblich – das Drehbuch vorab nicht zu lesen. Ergebnis: Der Film strotz voller Logik-Löcher, ist aber wenigstens „irgendwie“ spannend. Das Kleinkind des Ex-Paares ist offensichtlich entführt worden. Viel Unruhe überall (Polizei, privat). Der Ex-Gatte-Papa eilt zur Mutter und beginnt mit eigenen robusten Ermittlungen. Benimmt sich dabei ziemlich töricht und auch schon mal reichlich gewalttätig. Zum Beispiel gegenüber dem neuen Partner seiner Ex. Schließlich stellt sich heraus, dass hier ein britischer Entführungsclan Kinder für Pädophile „besorgt“. Nicht fragen von wegen: Merkwürdigkeiten, geheimnisvolle Vorkommnisse und wie-ist-jetzt-was-los, sondern die angepeilte Spannung einfach unaufgeregt übernehmen. Dann ist es unterhaltungsmäßig halbwegs auszuhalten (= 2 1/2 PÖNIs).

7.)   TV-TIPP: Insgesamt erhielt der Film 1972 5 „Oscars“, darunter – Beste Regie (WILLIAM FRIEDKIN); Bester Film und Bester Hauptdarsteller (GENE HACKMAN): Der amerikanische Thriller-Klassiker  „BRENNPUNKT BROOKLYN“ (später auch: „French Connection I“), der am nächsten FREITAG, 18.3. ab 22.25 Uhr in 3sat läuft. Dringende TV-Empfehlung!

8.)    MUSIK: Der BESTE FILM in dieser Kinowoche ist zweifellos „DER SCHNEELEOPARD“ (s. oben Kritik). Der Soundtrack stammt von WARREN ELLIS und NICK CAVE. Deren Arbeitsmotto hierfür lautete:  „DIESER  FILM HAT ES VERDIENT, SEINE EIGENE MUSIKALISCHE STIMME ZU HABEN“. Mein Favorit als LIEBLINGSSONG der Woche ist der wunderbare TITELSONG „WE ARE NOT ALONE“, gesungen von NICK CAVE:

Wünsche eine GESUNDE Woche.

HERZlich:   PÖNI PÖnack

kontakt@poenack.de

 

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