PÖNIs BLOG (172): DJANGO & DJANGO: Quentin über Sergio; Tatsächlich: „WUNDERSCHÖN“; Überzeugender IRAN-Blick; DIRE STRAITS lässt tanzen

1.) Ohne große Ankündigung präsentiert NETFLIX gerade eine exzellente italienische Dokumentation. Thema wie Titel: „DJANGO & DJANGO“. Von LUCA REA (Co-B + R; Italien 2021; Co-B: Steve Della Casa; mit u.a. QUENTIN TARANTINO, FRANCO NERO, RUGGERO DEODATO; 97 Minuten; ab sofort bei Netflix). Von William Shakespeare stammt der Ausspruch: „Ein tiefer Fall führt oft zu hohem Glück“. Der italienische Filmemacher SERGIO CORBUCCI, geboren am 6. Dezember 1927 in Rom, gestorben am 1. Dezember 1990 ebenda, erlebte eine „solche Karriere“. Anfangs belangloser Puder-Unterhalter („Romulus und Remus“, 1961), dann Second-Unit-Regisseur beim Sergio Leone-Start „Die letzten Tage von Pompeji“/1959, um schließlich mit Werken wie „DJANGO“/1966; „LEICHEN PFLASTERN SEINEN WEG“/1968; „MERCENARIO – der GEFÜRCHTETE“/1968 (Zweittitel: „Die gefürchteten Zwei“) und „ZWEI COMPANEROS“/1970 in die ITALO-WESTERN-MEISTERKLASSE aufzusteigen. Gleich neben Sergio Leone. Dabei übernimmt der – als bekennender, leidenschaftlicher Sergio Corbucci-Fan -hier eigentlich „nur“ für „diskrete“ Interview-Passagen vorgesehene Quentin Tarantino mehr und mehr das Gesprächs-Erklärungs-Kommando. Von wegen – Sergio Leone schuf Epen, die in einer speziellen Western-Welt angesiedelt waren („Zwei glorreiche Halunken“; „Todesmelodie“), während Corbucci die politisch wütenden 1960er-Gedanken-Jahre mit exzessiven Gewalt-Sprüngen kommentierte. Den Faschismus zum exzessiven Themen-Anlass nahm zu zeigen, wer hier warum wie wütet und herrscht. Polit-Motto: Je härter, gemeiner, je widerlicher = desto erfolgreicher. Wie wiederum DIES nun Quentin Tarantino filmisch beschreibt, wie er die daraus resultierende bürgerliche Skepsis gegenüber „Führern“ und Gemeinschaften betrachtet, die Corbuccis fiktive Western-Kino-Welt zu einem widerlich-dreckigen, ekligen und außerordentlich brutalen Kosmos barbarisch verelenden lassen, ist – insbesondere für Film- und speziell für Western-Fans – ein sowohl informatives wie faszinierendes dokumentarisches Wort- und Bild-Erlebnis. Im Western-Lexikon von Joe Hembus steht: „Sergio Corbucci ist nicht um jeden Preis ehrgeizig und weiß, dass nichts so lästig ist wie ein zu wahrender guter Ruf“. „DJANGO & DJANGO“ oder: Was für ein packender, mit viel rhythmisch-charismatischem Filmmaterial versehener Vergangenheitsblick, bestens gefüllt mit viel historischem Gegenwartscharisma (= 5 PÖNIs).

2.) „Schönheitskönigin ist ganz einfach: Morgens isst man ein Reiskorn, dann geht man den ganzen Tag ins Fitnessstudio und abends spuckt man das Reiskorn wieder aus“ (Gaby Köster).

DUFTE FRAUEN-POWER. Titel: „WUNDERSCHÖN“. Von KAROLINE HERFURTH (Co-B + R; D 2019; Co-B: Lena Stahl; Monika Fäßler; K: Daniel Gottschalk; M: Annette Focks; 131 Minuten). Bevor sie auch hinter der Kamera begann, haben wir sie in Filmen wie „Das Parfum – Die Geschichte eines Mörders“ (2006), „Der Vorleser“ (2008) und natürlich zweimal „Fuck ju Göhte“ (2013/2015) kennengelernt. 2016 startete KAROLINE HERFURTH (geboren am 22. Mai 1984 in Ost-Berlin) mit ihrer ersten, überaus gelungenen Comedy-Romanze „SMS FÜR DICH“ (s. Kino-KRITIK/4 PÖNIs). Der Regie-Nachfolger hieß 2019 „Sweethearts“ und konnte an die Unterhaltungsqualität des Debüt-Vorgängers nicht anschließen (s. Kino-KRITIK/2 PÖNIs). Dagegen trifft jetzt „WUNDERSCHÖN“ die volle Perle. Das Thema brennt vielschichtig- gesellschaftlich: Lasst uns einfach, aber schön sein. Oder werden. Auf jeden persönlichen Fall: „Besonders aussehen“. Also auffallend. Denn das, was – siehe Einstieg – Gaby Köster auspfundet, trifft das Frauenbild, das wir kennen: Mädel, sei bloß nicht zu alt und schon gar nicht „zu dick“; bemühe dich stets um die „richtige Schönheit“ und iss nur das, was man nach Verdauung nicht entdeckt. Am Körper. Bedeutet – schaffe ein Selbstwertgefühl durch Aussehen. Ist doch ganz einfach; ist doch nicht so schlimm, oder? Von wegen.

Fünf Frauen unterschiedlichen Alters sind mit ihrem Selbstbild und den Ansprüchen von sich und Umgebung konfrontiert: Frauke (MARTINA GEDECK) empfindet sich in ihren End-Fünfzigern nicht mehr begehrenswert und, vor allem, fühlt sich von ihrem Gatten Wolfgang (JOACHIM KRÓL) nicht mehr wahrgenommen. Ihre Tochter Julie (EMILIA SCHÜLE) hat mit ihrem „schlimmen Model-Alter“ 25 zu tun, möchte unter allen (Drogen-)Zuständen weiterhin dem Schönheitsideal der „idealen“ Plakate- und Clip-Werbung entsprechen. Die Schülerin Leyla (was für eine Entdeckung: (DILARA AYLIN ZIEM) wird wegen ihrer runden Körpermaße in der Klasse gehänselt, dabei ist sie doch ein pfundiges Baseball-Talent und gerade in einen Sportler-Kameraden verschossen. Während Julies Schwägerin Sonja (KAROLINE HERFURTH) nach zwei Schwangerschaften mit ihrem „neuen Körper“ hadert; als Mutter sich permanent unter Druck setzt, wobei ihr Gatte Milan (FRIEDRICH MÜCKE) wegen seiner gerade starken Karriere nichts wahrzunehmen gedenkt. Sonjas beste Freundin dagegen, die Lehrerin Vicky (bärig: NORA TSCHIRNER), felsenfest überzeugt ist, dass Frauen und Männer sich niemals auf Augenhöhe begegnen können. Was auch ihr Kollege Franz (MAXIMILIAN BRÜCKNER) mitgeteilt bekommt, als er wegen einer möglichen Dauerbeziehung beharrlich-listig (und vergeblich?) baggert.

Das ewige Loriot-Thema, Männlein/Weiblein passen nicht zusammen, müssen aber zusammenfinden. Oder so ähnlich. Hier – die Geschlechter-Ansichten. Mit einigen Charme-Duellen. Wenn man sich angiftet, aber … . Wenn man sich Danebenbenimmt, ohne „richtig“ abzuweichen. Wenn eine ganze Menge gesagt wird, ohne Worte zu benutzen. Wenn angeblich nichts okay „mit meinem Körper“ ist, weil doch das Leben zu schwer und vor allem nicht Geschlechter-gleich zu bewältigen ist. SIE will tanzen, ER, „Wolfi“, ist pensioniert und vermag nichts mit sich anzufangen. Und erst recht nicht mit seiner („alten“) Ehefrau zu tanzen.

„WUNDERSCHÖN“ ist ein überzeugender, cleverer Unterhaltungsfilm. Weiß unaufdringlich verbale Comedy wie auch bewegungstechnische Sätze einzugemeinden, auszudrücken; bekommt das Pikobello-Ensemble in treffsicheren Pointen-Schwung; überträgt eine doppelbödig-freche Wohlfühlatmosphäre, bei der eine auch empathische Siebenjährige sogar ebensolche Fragen zu stellen weiß (die hier nicht verraten werden).

„WUNDERSCHÖN“ bereitet empfindsames Vergnügen, lässt Tiefgang mit-denken, präsentiert sich erstaunlich Titel-gerecht (= 4 1/2 PÖNIs).

3.) MITFÜHLEND. Und STARK POLITISCH NACHWIRKEND. Titel = „BALLADE VON DER WEIßEN KUH“. Von MARYAM MOGHADDAM und BEHTASH SANEEHA (Co-B + R; Iran/Frankreich 2019; Co-B: Mehrdad Kouroshniya; K: Amin Jafari; lief im Berlinale-Wettbewerb 2021; 105 Minuten; „Eine weiße Kuh in einem kargen, leeren Innenhof, am Rand schwarze Gestalten, vielleicht Gefangene. Mit diesem eindringlichen Bild beginnt und endet ‚Ballade von der weissen Kuh‘. Es ist eine Anspielung auf die zweite Sure des Koran, die als ‚Sure der Kuh‘ bekannt ist. Mit 286 Versen ist diese Sure die längste der Textsammlung, die im Iran auch heute noch die Basis für weite Teile des öffentlichen und gesellschaftlichen Lebens und damit auch für das Rechtswesen darstellt“ (Michael Meyns/“Filmstarts“). Ihrer kleinen Tochter erzählt Mina (Co-Regisseurin MARYAM MOGHADDAM), dass der Papa weit weg wäre. In Wirklichkeit wurde er hingerichtet. Ein Jahr nach seinem Tod erfährt Mina, dass ihr Mann unschuldig war. Zwar entschuldigen sich die Behörden für den Irrtum und bieten eine finanzielle Entschädigung an, doch das ist der Witwe nicht genug. Sie fordert mehr als nur materielle Wiedergutmachung und will die Verantwortlichen zur Rede, zur Aussprache, stellen. Allein bemüht sie sich weiterhin, den Alltag zu meistern und sich mit der Arbeit in der Milchfabrik über Wasser zu halten. Eines Tages klopft ein Fremder namens Reza (ALIREZA SANIFAR) an ihre Wohnungstür, stellt sich als Freund ihres hingerichteten Mannes vor und möchte eine offene Schuld begleichen. Mina ist zunächst zögerlich, lässt Reza aber immer mehr in ihr Leben – nicht ahnend, dass er einer der Richter war, die ihren Ehemann Babak irrtümlicherweise zum Tode verurteilten. Der vorjährige Berlinale-Wettbewerbsfilm erzählt eindringlich und in bewegenden Bildkompositionen von den Folgen eines fatalen Fehlurteils in einem Land, das an der Todesstrafe festhält. Der Iran ist nach einer kurzen Phase zurückgehender Hinrichtungszahlen seit mehreren Jahren (Stand: 2012), gemessen an der Bevölkerungszahl, das Land mit den meisten Hinrichtungen. In absoluten Zahlen rangierte es 2013 an zweiter Stelle nach China (Wikipedia). Dieser Spielfilm wirft die Frage nach moralischer Schuld auf; ist dramatisches iranisches Kino, das tief berührt (= 4 PÖNIs).

4.) MUSIK ZUM TANZEN. Genannt: N E O S W I N G. Also: WALK OF LIFE. Habe die „Ruhe“ satt. Will mich wieder bewegen. Am liebsten TANZEN. Habe WAS GEFUNDEN. Denke, dass mein Wochen-LIEBLINGSSONG diesbezüglich bebt. Seid neugierig. Nur so viel – DIRE STRAITS grüßt freudig, Sven Otten sicherlich auch und PÖNI sowieso:

HERZlich: PÖNI PÖnack

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