1.) Der bayerische Franke URBAN PRIOL, geboren am 14. Mai 1961 in Aschaffenburg, ist seit 1982 mit eigenen Programmen erfolgreich auf den Kabarett-Bühnen und vor Kameras unterwegs. Unvergessen: Von 2007 bis 2013 war er „Chef-Ankläger“ im ZDF bei „Neues aus der Anstalt“ , erst gemeinsam mit George Schramm, später mit Frank Markus Barwasser (alias Erwin Pelzig). Neben diversen Gastauftritten („Mitternachtsspitzen“) präsentiert Urban Priol jährlich in „3sat“ den satirischen Jahresrückblick TILT. Seit 1986 wird er andauernd mit Preisen bedacht („Salzburger Stier“). An diesem Sonntag, 20. September, läuft ab 20.15 Uhr auf „3sat“ im Festival-Rahmen ein 45-minütiger Ausschnitt aus seinem aktuellen Programm „URBAN PRIOL: IM FLUSS“.
2.) REIZ-KINO: Titel = „JEAN SEBERG – AGAINST ALL ENEMIES“. „Gegen alle Feinde“. Mit ihrem Namen verbindet man EINE FILMSZENE aus dem Jahr 1960: Eine junge hübsche blonde Frau stolziert über den Pariser Champs-Élysée in Paris um The International Herald Tribune (auch per T-Shirt) zu verkaufen. In dem Jean-Luc Godard-Streifen „AUßER ATEM“ (Original: „A bout de souffle“), durch den sie zur Ikone der Nouvelle Vague wurde. In dem sie sogar ihren kriminellen Lover Michel (Jean-Paul Belmondo) verriet. Ab Mai 1968 ist IHR FILM „Seberg“ angesiedelt. Inzwischen wird Jean Seberg (KRISTEN STEWART) öffentlich als Super-Star hofiert. Sie ist geschieden und jetzt mit dem Schriftsteller Romain Gary verheiratet. Gemeinsam mit einem kleinen Sohn lebt man in Paris. Gerade macht sich Jean auf den Weg nach Hollywood, um dort ihre Karriere „anzuheizen“, was fortan auch das FBI stark interessiert. Wo der Reaktionär J. Edgar Hoover die „amerikanische Tonart“ bestimmt: Weiße akzeptieren, Schwarze sind meistens Abschaum. Die junge Frau begegnet im Flugzeug dem provokanten schwarzen Bürgerrechtsaktivisten Hakim Jamal (ANTHONY MACKIE) und signalisiert fortan für seine radikale Black Panther-Organisation Sympathie plus finanzielle Unterstützung. 1968. Eine Frau erlaubt sich – mitten im konservativen Amerika – eine eigene Meinung lauthals zu vertreten und permanent kund zu tun und wird zur Zielscheibe von inoffiziellen, viehischen, verabscheuungswürdigen FBI-Aktionen. Zunächst gründlich ausgeführt vom Abhörspezialisten Jack Solomon (JACK O`CONNELL), der aber zunehmende „Probleme“ mit der amtlichen Beauftragung, sprich der gigantisch-wütenden Diffamierungskampagne, bekommt. Die „auszuhalten“ für Jean immer schwieriger wird. Da sie nicht gewillt ist, sich zu ducken. Und aufzugeben. Kräftemäßig dadurch übelst (heraus-)gefordert wird.
Der australische Regisseur BENEDICT ANDREWS will mehr. Erzählen. Erreichen. Mitteilen. Neben der Schilderung des strapaziösen Kampfes einer engagierten, liberalen Frau um private wie öffentliche Selbstbestimmtheit interessieren ihn auch „die Aktionen“ des FBI-Jägers Jack und der ausführlichen Beschreibung wie es ist, ein Leben „amtlich“ zu diffamieren. KRISTEN STEWART („Twilight“) mimt verlässlich stark-kontra. Zeigt sich Jean-trotzig und Seberg-aufbegehrend. Vermag beim Genre-Wechsel vom Drama zum Thriller empathisch zu punkten. Allerdings hakt das Interesse, wenn die Jean Seberg-Beschreibung (zu) oft über den Lauf- und Diskussionsweg „der Gegner“ herhalten muss. So dass die Tragik von JEAN SEBERG (*13. November 1938 – †30. August 1979) nur in Verbindung zum Amerika-Heute ganze filmische Wirkung verbreitet: „Fünfzig Jahre später reflektiert Jeans Tragödie ganz unmittelbar unsere gegenwärtige Realität: Der erschütternde Rassismus innerhalb der amerikanischen Politik, die Herausforderung, in Zeiten von Fake News die Wahrheit von der Lüge zu trennen und die Kultur der Massenüberwachung“, vermittelt Spielleiter Benedict Andrews (= 3 1/2 PÖNIs).
3.) GEKONNT-TIEF: Titel = „ÜBER DIE UNENDLICHKEIT“. Co-Produktion Schweden/D/Norwegen 2019. 77 Minuten. Drehbuch und Regie: ROY ANDERSSON. Jahrgang 1943. Roy Andersson gehört zu den besten Vertretern des europäischen Autorenkinos. Ausführliches über ihn und sein Wirken siehe = „Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach“ (s. Kino-KRITIK), 2014 Gewinner des „Goldenen Löwen“ bei den Festspielen von Venedig. Schon damals und jetzt wieder überragend: Das Aufeinandertreffen, das Zusammenspiel zwischen Menschen und Räume, von Trivialität und spöttischem Sinn = siehe zutreffenden Titel. Folgen: Die – eigentlich – nichtigen Besonderheiten beim Existieren. Von Uns. Einfachen Menschen.
Banalität und Tragik. Beziehungsweise umgekehrt. Es ist schon September!: „Ich sah einen Mann, der war mit seinen Gedanken ganz woanders“. Klärt die Erzählerin auf. „Ich sah einen Mann, der vertraute Banken nicht und bewahrte seine Ersparnisse unter seiner Matratze auf“. Dann folgt dieser grässliche Kreuzzug auf der Straße: „Sie haben mich angenagelt“. Sogleich betrachten wir: „Ich sah einen jungen Mann, der hatte die Liebe noch nicht kennengelernt“. Und erfahren: „Alpträume zu haben, ist nichts ungewöhnliches. Jeder hat sie ab und zu“.
Einzelszenen. Gefüllt durch gedankenvolle Minuten-Sequenzen. „Ich interessiere mich für die Künstler der Neuen Sachlichkeit“, begründet Roy Andersson sein Handeln im Presseheft. Während wir erstaunt und baff sind über die immense Einzel-Fülle von: Abgekämpft, Armut, Wut, Trauer, Empörung, Schlichtheit, Poesie, wenn das Paar über das durch Krieg zerstörte Köln fliegt, Provokation, aber auch Elend und Protest. Beim Pfarrer: „Ich weiß nicht, was ich will. Wenn man seinen Glauben verloren hat, was kann man da tun?“ Doch die Suche nach DER Antwort ist schwierig: „Ich muss meinen Bus kriegen!“, wimmelt ihn sein Arzt ab. „Ich sah einen Mann, der hatte sich verirrt“.
„Ich sah eine Frau, die hatte ein Problem mit ihrem Schuh“.
Diese magische Musik. Zum Beispiel durch einen Chor. Mit sanfter Zuneigung. Menschen leben. Wissen sie davon? Wenn man diese engen grauen, kargen, düsteren Räume betrachtet, scheint die Architektur angeglichen. Die darin rotierenden Lebewesen übernehmen deren kühle Ähnlichkeit. „Ich sah einen Mann, der war auf eine Landmine getreten und hatte seine Beine verloren und das machte ihn sehr traurig“.
Schließlich: „Ich sah einen Mann, der wollte die Ehre seiner Familie retten – und dann tat es ihm leid“. Nein? Dann schließlich dies: „Ich sah einen Mann, der hatte Probleme mit seinem Auto“.
Was für ein merkwürdiger, eigenwilliger Film. Was für eine faszinierende Trostlosigkeit im Minuten-Format. Was für eine kosmische Erschütterung um normalen Dilletantismus. Und Hitler verspürt die letzten elenden Momente im Bunker. Während seine geschlagene Armee mutlos zu einem Gefangenenlager marschiert. Wie treffend.
„Roy Andersson schenkt uns wieder einen unendlichen künstlerischen Genuss“ (Alejandro Inárritu).
Fahrgast: „Darf man denn nicht mehr traurig sein?“ Zweiter Fahrgast: „Aber warum kann er nicht einfach zu Hause traurig sein?“
Er ist zum vielfachen Brüllen und Schnaufen, dieser faszinierende, erschreckende Auf-Schrei. Richtung komisch-absurder Alptraum. Die Unendlichkeit kann starten (= 5 PÖNIs).
4.) ERLEBNIS HEIMKINO: Titel = „PERFETTI SCONOSCIUTI – Wie viele Geheimnisse verträgt eine Freundschaft?“ „Das perfekte Geheimnis“ war vor einem Jahr ein deutscher Kino-Hit. Entstanden unter der Autoren-Regie-Fuchtel von Bora Dagtekin (4 PÖNIs / s. Kino-KRITIK). Basierend auf dem italienischen Vorbild „KEINE GEHEIMNISSE“ bzw. eben „perfetti sconosciuti“. Jetzt ist das synchronisierte Original bei uns fürs heimische Kino erschienen. Thema dasselbe, aber einen Zahn schärfer: Sieben Freunde, Männlein/Weiblein, treffen sich in einer komfortablen Luxus-Dachgeschoß-Wohnung, um gemeinsam zu futtern, zu trinken und zünftig abzulästern. Dann diese verrückte Idee: Die Handys auf den Tisch, die nächsten Anrufe werden für alle hörbar. Was kann schon passieren? Wir wissen – eine ganze erstaunliche und verletzbare Menge. Geschieht. Der Film von Paolo Genovese, 2015 gedreht, mit einem imponierenden Ensemble, weiß zünftig zu empören, zu provozieren, zu eskalieren. Geht an die lockere, gemeine, doppelbödige Substanz. Die Empfehlung gilt unbedingt und, besser aber: Man sollte ihn unbedingt vor der nächsten Groß-Verabredung sehen. Sozusagen – „als Vorbereitung“ (= 4 PÖNIs).
5.) TV-EMPFEHLUNG: Titel = „TUCKER – Ein Mann und sein Traum“. Der Zweite Weltkrieg ist vorbei. Der Autohersteller Preston Thomas Tucker, großartig von JEFF BRIDGES gespielt, hat den Ehrgeiz, ein möglichst innovatives und verkehrssicheres Auto zu bauen. Sein „Tucker 48“ ist technisch seiner Zeit weit voraus. Was die mächtige Autoindustrie auf den neidischen Plan ruft. ARTE präsentiert diesen beeindruckenden 1988-Klassiker von Francis Ford Coppola am Montag-Abend (21.9.) ab 20.15 Uhr und wiederholt ihn gleich am Dienstag-Mittag ab 13.45 Uhr.
6.) MUSIK: Und wenn wir schon bei Klassikern sind … mir kam in dem Zusammenhang einer meiner Oldie-Favoriten in den Sinn, gesungen vom „Exoten“ JOHNNY RAY (*10.01.1927 – †24.02.1990), der einst aufgrund seiner emotionalen Bühnenshows viel Zulauf hatte und Ruhm ergatterte. Am 25. März 1957 kam der Song „YES TONIGHT JOSEPHINE“ heraus und wurde mit seinem Gesang ein Riesen-HIT. Der Oldie knallt heute noch:
Wünsche eine rockige Woche. HERZlichst: PÖNI Pönack
kontakt@poenack.de