Ohne Limit

OHNE LIMIT“ von Neil Burger (USA 2010; 105 Minuten; Start D: 14.04.2011); die bisherigen drei Filme des in New York lebende Regisseurs, der an der „Yale Universität“ ein Kunststudium absolvierte und ursprünglich Kunstmaler werden wollte, sind hierzulande nur dem DVD-Publikum bekannt: „Interview with the Assassin“ (das Debüt von 2002; ein pseudodokumentarisches Drama), vor allem die spektakuläre Magie-Show „THE ILLUSIONIST“ von 2006 (mit Edward Norton, Paul Giamatti + Jessica Biel) sowie zuletzt „The Lucky Ones“ (2008; ein Independent-Movie über heimkehrende Irak-Soldaten; mit Tim Robbins, Rachel McAdams + Michael Para). Nun aber wird die große Kino-Leinwand gefüllt, UND WIE! Rund 27 Millionen Dollar standen dafür als Budget zur Verfügung. Drehbuch-Autorin Leslie Dixon („Nichts als Ärger mit dem Typ“,1987 / „“Mrs. Doubtfire“,1993 / „Freaky Friday“, 2003) adaptierte den Erstlingsroman „The Dark Fields“ des irischen Schriftstellers Alan Glynn aus dem Jahr 2001, der bei uns 2006 unter dem Titel „Stoff“ veröffentlicht wurde. Thema: Unser modernes „Schnelligkeitsbedürfnis“. Bloß keinen Stillstand haben. Immer „gleich auf los“. Von null auf sofort 100. An jedem Tag. Unsere Zivilisation, unsere heutige Gesellschaft akzeptiert nur die Überflieger, nicht die „Halbherzigen“. Deshalb: „Nimm eine Pille, und Du wirst einen Ausweg finden!“. Denn diese Pille, NZT genannt und mit 800 Dollar „nicht ganz billig“, setzt in deinem Gehirn die restlichen, „unverbrauchten“ 80 Prozent frei, die ansonsten bei jedem von uns „ungenutzt“ bleiben. Also los. Mach es. Nimm sie. Und niemand kann dich aufhalten.

Eddie Mora ist ein Loser. Nennt sich Schriftsteller, hat sogar einen Vorschuss vom Verlag bekommen, hat aber eine totale Schreibblockade. Eddie ist unsicher, innerlich „zerfetzt“, sauer auf sich und sein müdes Dasein, trinkt zu viel. In seinem New Yorker Appartement stapelt sich der Müll. Auch der seelische. Seine Klasse-Freundin Lindy hat die partnerschaftliche Reißleine gezogen. Eddie ist buchstäblich „auf den Hund“ gekommen. Ist fast lebens-k.o. Als er mit dieser NZT-Droge zufällig „Bekanntschaft“ macht. Über seinen Ex-Schwager. Die ersten Auswirkungen sind phänomenal. Der ultimative Kick. Plötzlich hört, sieht und denkt Eddie mit einer unglaublichen Präzision. Kann jedes Detail seiner Umwelt zur Kenntnis und Analyse wahrnehmen. Vermag plötzlich rhetorisch zu brillieren. Hat „Zugriff“ zu allem, was er gelesen, was er überhaupt vernommen hat. Der pure, nein, der totale positive Wahnsinn. Eddie ist aus dem Häuschen. Will „mehr“. Findet in der Wohnung seines ermordeten Schwagers ein ganzes Reservoir von Pillen. Ist nun nicht mehr aufzuhalten. Verändert Aussehen, wird wortgewandt, lernt blitzschnell Sprachen, erobert mit Charme und Genialität die „andere Welt“, die „bessere“. Die der Reichen und Beachteten. Entwickelt spektakuläre, Aufsehen erregende Geschäftsideen. Macht Geld. Viel Geld. SEHR viel Wall Street-Geld. Benötigt aber dafür seine „tägliche Medizin“.

„Was ist ihr Geheimnis?“, fragt ihn DER New Yorker Finanzmogul Carl Van Loon. Ein mächtiger Ganz-Ganz-Oben-Boss, der auf Eddie aufmerksam geworden ist. „Medikamente“, witzelt Eddie zurück. Und bekommt es mehr und mehr mit „Neidern“ zu tun. Gegnern, die auch von der Pille profitieren wollen. Darunter befindet sich der grobschlächtige, aggressive Russen-Gangster Gennady, von dem sich Eddie das Startkapital geborgt hatte. Der ist nun auch „auf den Geschmack“ gekommen. Zufällig. Als Eddie mal eine kurze Schwächeperiode hatte. Apropos: Fragen Sie ihren Arzt oder Apotheker, wir kennen das. Die Nebenwirkungen dieses „speziellen Kraftspenders“ werden so langsam gefährlich erkennbar. Sind „nicht ohne“, ganz im Gegenteil. Kurzum: Eddie Mora sitzt in einer Art Achterbahn, und ob die jemals wieder zu einem „vernünftigen Stillstand“ gelangt, ist längst ungewiss. Zu unkontrolliert rast sie inzwischen durch die Zeit. Wohin also führt die Reise dieses ständig über sich hinauswachsenden Durchschnittsmenschen Eddie Mora??? Lassen Sie sich überraschen.

„Limitless“, so der Originaltitel, ist einer der aufregendsten, spannendsten Denk- und Bauchfilme der letzten Zeit. Kocht Motive aus „Dr. Jekyll & Mr. Hyde“ ebenso hoch wie deftige Rausch-Bewegungen a la „Trainspotting“. Ein Zauberlehrling probiert vom köstlichen Neumittel und erliegt der Versuchung. Sieht sich fortan im ewigen Vorteil, rutscht aber immer wieder ab. Ein Gewinner mit Elendskarte. Der nun aber „aufgewacht“ ist. Seine Chance(n) sieht. Und DIE mit aller Macht und Intelligenz nutzen will. Doch die Gegenseite hat sich schon formiert.

Da ist zunächst die heiße Story. Was wäre wenn…??? Wurde nicht alles, was sich phantasiereiche Autoren und Hollywoodstudios ausgedacht und filmisch ausgeheckt haben, nicht irgendwann irgendwie „Realität“??? Unterschwellig macht die Geschichte Lust. Was wäre wenn…? Wie würde sich solch eine Pille auf die eigene Persönlichkeit auswirken? In Sachen die eigenen „Unzulänglichkeiten“ vertreiben? Und wäre das nicht toll? Plötzlich überall anerkannt, beliebt sein? Viel Kohle verdienen? Im Luxus schwelgen? Keine Ängste mehr? Im ständigen Mittelpunkt stehen? Als eine Art „Lieber Gott“-Befinder? –Entscheider? Doch: Da andere Privilegierte ja dann auch dieses Mittel nehmen können, gäbe es dann doch nicht wieder dieselben Grabenkämpfe um die wenigen Nr.1-Plätze??? Und würde unsere Existenz letztlich nicht noch lebensunfreundlicher, erbärmlicher werden? Durch Immer-Mehr-(An-)Schaffen??? Oder würde unsere Ganzheits-Intelligenz zu Mehr-Gerechtigkeit und –Frieden führen? Weil ja viele von uns noch „klüger“ geworden sind??? „Holla“, signalisiert der letztlich zynische Film. Also…von wegen. Oder? Wäre es doch nicht so schlecht, wenn vermeintliche Loser mal so richtig „aufgepeppt“ würden???

Die Gedanken, die der originelle Psycho-Thriller „Ohne Limit“ entwickelt, sind irre. Selten hat „nur ein Film“ einen derart „mitgenommen“ auf seine spannende Was wäre Wenn-Reise. Wenn sich Durchschnitt zur Genialität hochzupowern vermag. Mittels einer lausigen Pille. Wahr oder unwahr? Pure Fiktion? Ein starkes Stück Kino. Mit faszinierenden visuellen Spielereien und Effekten, die fulminant wie überzeugend in die Geschichte mit-eingebunden sind und nicht eigenständig herumpoltern. Mit grandiosen, hypnotischen „bewusstseinsverändernden“ Bildern des belgischen Kamera-Asses JO WILLEMS. Sowie mit zielsicheren Thriller-„Gags“, die für viel guten Nerven-Spaß sorgen.

Und von einem hervorragenden Ensemble „ausgespuckt“ werden: Der aus Philadelphia stammende 35jährige BRADLEY COOPER befindet sich derzeit selbst auf der hollywoodschen Überholspur. Ist mit seinen Auftritten in Filmen wie „Hangover“ (2009) und „Das A-Team – Der Film“ (2010) ziemlich nach oben gerutscht. Und trägt hier erstmals einen „ganzen Part“ überzeugend vor. Als extrem gespaltene Smart-Type. Mit viel Charme-„Gewalt“. Auf Neu-Speed. „Oscar“-Hero ROBERT DE NIRO ist sich für einen düsteren Stichwortgeber als oberster Finanzhai nicht zu schade. Die australische Akteurin ABBIE CORNISH („Ein gutes Jahr“ von Ridley Scott/2006) begleitet als Lindy den Ego-Trip ihres Freundes Eddie mit souveräner Ausstrahlung.

„Ohne Limit“ = ein toller doller Film (= 4 ½ PÖNIs).

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