Nokan – Die Kunst des Ausklangs

NOKAN – DIE KUNST DES AUSKLANGS“ von Yojiro Takita (Japan 2008; 131 Minuten; 26.11.2009); der Regisseur, Jahrgang 1955, zählt nach über 20 Spielfilmen in zwei Jahrzehnten (darunter schwarze Indipendent-Komödien; aufwändige Fantasy-Spektakel und historische Dramen) zu den renommierten japanischen Filmemachern. Mit seinem neuesten Werk krönte er seine erfolgreiche Arbeit, denn „Okuribito“, so der Originaltitel, räumte bei den japanischen Filmpreisen in gleich 10 Kategorien ab (darunter „Bester Film“; „Beste Regie“; Bestes Drehbuch“/Kundo Koyama; „Bester Hauptdarsteller), erhielt in diesem Jahr den begehrten Auslands-„Oscar“ zugesprochen und erreichte rd. 6 Millionen Kinobesucher in Japan. „Okuribo“ bedeutet übersetzt „Absender“, und gemeinsam mit dem englischen Titel „Departures“, also „Aufbruch/Abreise“, wird der Film ganzheitlicher betitelt.

Tabu-Thema: Der Tod. Bzw.: Das Abschiednehmen von einem Menschen. Ein Ritual, das nicht nur in unseren Breitengraden nicht gerade im täglichen Alltag verwurzelt ist. Tod & Folgen werden lieber verdrängt, an den gesellschaftlichen Rand ge-/verschoben, anstatt ihn in den allgemeinen täglichen Umgang mit zu integrieren. Daigo Kobayashi (MASAHIRO MOTOKI) ist Cellist. Als sein Orchester in Tokio aufgelöst wird, endet auch sein Traum vom Berufsmusiker. Er muß sein schmuckes Arbeitsgerät verkaufen und hat zunächst keine Ahnung, wie es nun weitergeht. Seine Frau Mika (Ryoko Hirosue) bringt ihn dazu, in die Provinz, in das ererbte Haus seiner verstorbenen Mutter zu ziehen. Der Umzug wird zum Neuanfang. Daigo fällt eine Zeitungsannonce eines auf „Abfahrten“ spezialisierten Unternehmens auf. Doch dabei handelt es sich nicht um einen gut dotierten Job in der Reisebranche, wie er vermutete, sondern um eine ritualisierte Arbeit im Bestattungsgewerbe. Verstorbene werden, vor den Augen ihrer Angehörigen, in einer weihevollen, stillen, sanften Zeremonie gewaschen, geschminkt und eingesargt. Und Daigo erweist sich für seinen älteren Chef bald schon als als ein wahrer Meister, als ein unentbehrlicher “Künstler“ in diesem Beruf, in dieser Berufung. Der bald schon die hohe Wertigkeit und die würdevolle Erhabenheit begreift, sich zueigen macht, also kennen- UND schätzenlernt.

„Nokan“, so wird dieses Zeremoniell genannt, wird zu seiner neuen Lebensaufgabe, zu seiner Bestimmung. Doch der Beruf des „Nokanshi“ ist in Japan allgemein verpönt und gilt als „schmutzig“ bzw. unrein. Ein vergleichsweise stiller, mitunter lächelnd-humorvoller Film um die „eigentliche Selbstverständlichkeit“ des Umgangs mit dem Tod und um die Schwierigkeiten der Lebenden „damit“. Und da Daigo sich nicht traut, seiner Frau von seinem „wahren“ neuen Beruf zu erzählen, geht es natürlich dann auch um die häuslichen, die partnerschaftlichen Spannungen. Ein sehr berührender, ein sehr kluger, ein angenehm ruhiger, schöner Film um menschliches Werden und Vergehen, als „fröhliche“ Meditation in Sachen spiritueller Wahrhaftigkeit. In einer fein komponierten Ästhetik und Atmosphäre geschildert und bebildert und musikalisch begleitet. Sowie darstellerisch (TSUTOMU YAMAZAKI als Nokan-Chef ist von würdevoller Statur und Ausstrahlung und bekam auch einen „Japanischen Filmpreis“), besser körpersprachlich, besser pantomimisch wunderbar unaufgeregt-überzeugend. „Nokan“, der Film ist Kammerspiel-Balsam für die Seele und besitzt natürlich universellen Charakter: Die Verdrängungsrezepte und die individuelle Hilflosigkeit und die Ängste im Umgang mit Tod und Verlust sind durchaus von globaler Natur. Sehens- bzw. fühlenswert (= 4 PÖNIs).

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