NEUES AUS DER WELT

PÖNIs: (4,5/5)

„NEUES AUS DER WELT“ von Paul Greengrass (Co-B + R; USA 2019/2020; Co-B: Luke Davies; nach dem Roman „News of the World“ von Paulette Jiles/2026; K: Dariusz Wolski; M: James Newton Howard; 119 Minuten; Netflix-Start am 10.2.2021; mit TOM HANKS/Synchron: Joachim Tennstedt und HELENA ZINGEL/auch Synchronsprecherin);

Co-Drehbuch-Autor und Regisseur: Der Brite PAUL GREENGRASS,  bekannt und geschätzt durch Filme wie „Die Bourne Verschwörung“ (2004/5 PÖNIs/s. Kino-KRITIK); „Flug 93“ (2006/s. Kino-KRITIK); „Das Bourne Ultimatum“ (2007/s. Kino-KRITIK); „Green Zone“ (2010/s. Kino-KRITIK) oder „Captain Phillips“ (2013/s. Kino-KRITIK)) oder „Jason Bourne“ (2016; 4 1/2 PÖNIs/s. Kino-KRITIK)). Sein vorletzter Film „22. Juli“ entstand 2017, wurde an Originalschauplätzen in Oslo und der norwegischen Provinz Buskerud gedreht, behandelte die barbarischen Terroranschläge von 2011 in Norwegen, hatte 2018 bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig Premiere und kam am 10. Oktober 2018 bei Netflix heraus.

Die Dreharbeiten für seinen aktuellen Film ,NEUES AUS DER WELT“,  begannen ab Anfang September 2019 in New Mexico; als Kameramann fungierte DARIUSZ WOLSKI („Fluch der Karibik“; „Sicario 2“); für den Schnitt wurde „Oscar“-Preisträger WILLIAM GOLDENBERG („Fargo“/2012) verpflichtet, der mit Paul Greengrass zuletzt für den Film „22. Juli“ zusammenarbeitete. „NEWS OF THE WORLD“ basiert auf dem gleichnamigen Roman von Paulette Jiles aus dem Jahr 2016, den Autor Luke Davies gemeinsam mit dem Regisseur adaptierte. Der Bislang achtmal „Oscar“-nominierte JAMES NEWTON HOWARD („The Dark Night“), der 2015 Gewinner des Max Steiner Film Music Archievement Awards“ war, schuf die Film-Musik.

1870. „Wir alle leiden. Wir leben in schwierigen Zeiten“: Doch wieder einfach loszuballern bringt nichts. Captain Jefferson Kyle Kidd (TOM HANKS) war vier Jahre im Bürgerkrieg. In der Zwischenzeit ist seine Frau zu Hause gestorben. Jetzt, in der Nachkriegsära, reist der Veteran durch den Norden von Texas, um vor zahlendem Publikum aktuelle Neuigkeiten aus Zeitungen vorzulesen. Als Nachrichten-Solo-Vermittler. Tut den Wunsch des US-Präsidenten Ulysses S. Grant aus dem USA-Norden kund, in Texas die Sklaverei abzuschaffen, bevor demnächst Texas als Teil der Union – und damit als Bundesstaat – eingemeindet wird. Der Captain zeigt und gibt sich friedfertig, erzählt von einer neuen Pandemie, der Tuberkulose, berichtet von der bald aufkommenden „Zivilisation“ = Eisenbahn, und überhaupt – „blickt“ auf Neuigkeiten von Technologien, mit denen die Menschen bald zu tun bekommen werden. Und bemüht sich, dem oftmals aufkommenden Rassismus – „Texas sagt Nein! Das Land gehört den Weißen!“ – „pointiert“ entgegenzutreten. Als ein alter Kerl wütend „TEXAS FIRST!“ ruft, weiß der vorlesende Captain klug zu kontern. Während wir den Trump-Gestank riechen.

Irgendwann entdeckt, begegnet er IHR: Johanna Leonberger. Einem indianisch gekleideten jungen Mädchen (HELENA ZENGEL/“Systemsprenger“). Sie spricht nur KIOWA, die Sprache der Eingeborenen. Diese haben sie vor einigen Jahren als Kleinkind entführt und ihre Eltern umgebracht. Durch die gewaltsame Räumung der Indianersiedlung ist das jetzt 10jährige Mädchen erneut entwurzelt. Captain Jefferson „übernimmt“ sie, erst widerstrebend, dann notgedrungen, schließlich aufopferungsvoll und beschließt, sie zu ihren weit entfernten „Rest“-Verwandten nahe San Antonio zu bringen. Dorthin, wo er selbst einst mit seiner Frau lebte, bevor er für die Konföderierten in den Krieg zog. Der Weg ist lang. Und reichlich gefährlich.

Der erste Western mit TOM HANKS. In dem er nicht als wüster, verrotteter Rauf- und Saufbold-Prärie-Held agiert, sondern als humaner Mensch auf der Suche nach einem neuen Mensch-Sein. Dass er einst auf der Südstaaten-Seite, also auf Seiten der Sklavenhalter, kämpfte, wird eher beiläufig kurz mitgeteilt. Jetzt ist sein Bemühen spürbar, etwas für Frieden und Zusammengehörigkeit zu tun. Dies lässt ihn aber dennoch zur Waffe zu greifen, wenn notwendig. Sein Captain ist zugleich Vortragender und Heiler. Captain Jefferson besitzt im Gegensatz zu vielem grobschlächtigem Personal Gedanken, Humanität und den dringenden Wunsch nach Versöhnung. Und nach Aufklärung“. Seine Notizen aus den Zeitungen sprechen Bände. Die erneute Überraschung ist seine  Partnerin = die am 10. Juni 2008 in Berlin geborene HELENA ZENGEL. Die im Vorjahr für ihren explosiven Part der traumatisierten Bernadette-Benni in „Systemsprenger“ von Nora Fingscheidt mit dem „Deutschen Filmpreis“ als „Beste Hauptdarstellerin“ belohnt wurde. Als Johanna tritt sie mit ihren 10-„Film“-Jahren überzeugend kraftvoll-still-empört „dagegen“; anfangs im „Systemsprenger“-Gemüt, also bekannt krakeelend, mit panischer Empathie, um sich dann erstaunlich rüde, still, aber immer identifizierbarer-ICH einzubinden. Mit dem Bemühen, sich von dem alten Kerl neben sich nicht viel sagen lassen zu müssen. Dabei definiert sich Ihr Part weniger über die Sprache und mehr durch ihren Körperausdruck. Mit ihrem faszinierenden, spannenden, deutungsvollen Gesicht. Über das sie die Kommunikation mit ihrem Captain in Mitteilung und Haltung  bringt. So dass der, sagen wir es naiv, manchmal ziemlich perplex späht. „Tochter“ Helena Zengel ist ihrem (Über-)Vater Tom Hanks sehr oft ebenbürtig. Sie springt brillant mit ihrem talentreichen System. Herum.

Habe kürzlich eine Äußerung von Paul Greengrass (bei „Deadline“) gelesen, wo er die „amerikanische Gegenwart“ in dem (in Deutschland nicht erschienenen) Roman „News of the World“ entdeckt. Ich habe, heißt es, Vergleiche mit dem Leben von Menschen damals und heute entdeckt: „Trotz aller Spaltung, die man heute erlebt, bin ich äußerst optimistisch und habe mit dem Film diese Ängste und Gefühle ansprechen wollen“. In der (guten Film-)Tat: Es wäre stimmig und berührend, wenn dieser beeindruckende Stoff wie ebensolcher Film demnächst, wenn die Kinos wieder öffnen, auch dort gezeigt werden würde (= 4 1/2 PÖNIs).

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