MITTAGSSTUNDE

PÖNIs: (3/5)

„MITTAGSSTUNDE“ von Lars Jessen (D 2021; B: Catharina Junk; nach dem gleichnamigen Roman von Dörte Hansen/2018; K: Kristian Leschner; M: Jakob Ilja; 97 Minuten; deutscher Kino-Start: 22.9.2022);

TROCKEN. Titel = „MITTAGSSTUNDE“ von Lars Jessen (D 2021; B: Catharina Junk; nach dem gleichnamigen Roman von Dörte Hansen/2018; K: Kristian Leschner; M: Jakob Ilja; 97 Minuten; deutscher Kino-Start: 22.9.2022). Hatten wir kürzlich schon im Lichtspielhaus. Hieß dort „Alle reden übers Wetter“ (s. Kino-KRITIK). Thema wie jetzt auch wieder: Schlaue Frau, Clara, hat vor langer Zeit ihr Dorf in der ostdeutschen Provinz verlassen, um in Berlin die Professur zu schaffen. Als sie zum 60. Geburtstag ihrer Mutter wieder in die Heimat zurückkehrt, wird der Besuch zu einer Bilanz. Mit natürlich viel Frust und Luftzufuhr. Hier heißt ER Ingwer Feddersen (CHARLY HÜBNER). Ist 47 und Dozent an der Kieler Uni. Und fragt sich, was er eigentlich macht. Einst und jetzt. Von wegen – wo befindet sich wirklich mein (richtiger) Platz. Im Leben. Seine Eltern gehen auf die 90 zu, bei der Mutter (HILDEGARD SCHMAHL) breitet sich Alzheimer aus, und der Vater (PETER FRANKE) kann sich nur noch beschwert bewegen. Also beschließt Ingwer, in seinem norddeutschen Heimatdorf Brinkebüll im nordfriesischen Nirgendwo ein Sabbatical zu verbringen. Doch den Ort seiner Kindheit erkennt er kaum wieder: keine Schule, kein Tante-Emma-Laden, keine Dorfkastanie, auf den Feldern wächst nur noch Mais. Und gerade tauchen Bauarbeiter auf, um weitere statische Flurbereinigungen vorzubereiten. Während Sönke Feddersen, de Ole, immer noch stur hinter seinem Tresen im alten Dorfkrug die Stellung hält und seine Frau so langsam ihren Verstand verliert. Doch Ingwer, mit seiner Maulfaulheit, kriegt nicht die verbale Kurve. Auch mit Plattdeutsch stakst die Kommunikation schon mal. Dafür tauchen plötzlich wieder Störche auf dem Kirchturm auf. Was aber nichts daran ändert, dass hier mit viel Trauer und Trockenheit von abflauender Dorfkultur erzählt wird. Wo Menschen dösig vertrocknen. Während ab und an Heidi Brühl aus der Kneipen-Disco plärrt („Wir wollen niemals auseinandergehen“) oder auch Drafi Deutscher („Marmor, Stein und Eisen bricht“) für Schlager-Kultur sorgt. Und so weiter. Während wir das Personal in den deutschen Dorfjahren von 1965, 1976 und 2012 bei ihren schlaffen Bewegungen und nörgeligen Kommentaren begleiten. Mal damals, mal neulich, mal heute. Und?

Wenn wir derzeit Filme erschaffen, deutsches Kulturgut lokalisieren, dominieren oft Trauer, Stimmungstiefs, Melancholie, Fragen wie hier – wer sind wir, was wollen wir, wirklich, wohin soll die menschliche Reise  eigentlich gehen. Wo gehören wir wirklich hin? Dieses deutsche filmische Gesellschaftsbild „vorn Dorf“ macht mehr müde als etwa auf viel gewaltige, gedanklich-emotionale Anteilnahme zu stoßen (= 3 PÖNIs).

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