MAUERN DER GEWALT

„Starred Up“ nennt man Minderjährige, die vom Jugendgefängnis in ein Erwachsenengefängnis verlegt werden. „STARRED UP“ heißt auch im Original ein neues kompromissloses Film-Juwel aus England. Das jetzt hierzulande gleich fürs Heimkino als „deutsche Erstaufführung“ veröffentlicht wurde:

MAUERN DER GEWALT“ von David Mackenzie (auch Co-Produzent + Co-Musik; GB 2013; B: Jonathan Asser; K: Michael McDonough; Co-M: Tony Doogan; 106 Minuten; Heimkino-Veröffentlichung: 28.10.2014).

Der Typ ist 19 und heißt Eric LOVE. Ausgerechnet. Denn Eric ist alles andere als „lieb“. Eric ist ein Wut-Bolzen und bekommt seine Aggressionen kaum unter Kontrolle. Als er vom Jugend-Knast in ein „normales“ Gefängnis überstellt wird, beginnt er sogleich auszurasten. Akzeptiert hier weder die Regeln noch die Hackordnung. Spuckt, kloppt und pustet scharf. Hat es nur dem jungen engagierten wie unkonventionellen Aggressions-Therapeuten Oliver (RUPERT FRIEND) zu verdanken, dass er nicht gleich gänzlich „ausgeschaltet“ wird. DER nimmt ihn in seiner Gruppe mit-auf, obwohl dies ein enormes Risiko für alle bedeutet. Ist diese Gruppen-dynamische Arbeit bei der Chef-Etage sowieso nicht gerade wohlgelitten.

Eric ist und bleibt eine tickende Zeitbombe, die nur darauf wartet, gezündet zu werden. Seine explodierenden Ausbrüche gegen Wärter und Gefangene signalisieren, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis er endgültig abstinkt. Doch Psycho-Oliver hält zu diesem brutalen „Stinkstiefel“; will ihm mögliche Auswege aus seinem inneren Teufelskreis aufzeigen. Was den lebenslänglich einsitzenden und als allgemeine Autorität anerkannten Insassen Neville (BEN MENDELSOHN) mächtig auf der Plan ruft: Erics Vater. Der sich jetzt vehement „in die Erziehung“ seines Sohnes einzumischen gedenkt. Was er früher, „draußen“, sich „hat entgehen“ lassen, und was sich hier nun als völlig kontraproduktiv erweist. Denn in diesem hermetisch abgeschlossenen Bau hat sich ein System entwickelt, in dem jemand ganz Anderes die tatsächlichen Fäden und Gefangenen-Strippen profitabel zieht. Und da sind „die Aktionen“ von Alphamännchen wie Eric ganz und gar unerwünscht. Zumal auch das Lenkungs- und Führungspersonal dieses staatlichen Hauses von diesen ewigen „Störungen“ des wütenden Eric genervt ist. „Die geregelten Abläufe“ sind in Gefahr; also – wer nicht hören will…oder kann….Allerdings….

Drehbuch-Autor Jonathan Asser arbeitete eine Zeitlang als freiwilliger Therapeut im Knast. Sein ausgefeiltes Drehbuch basiert auf eigenen Erfahrungen. Regisseur DAVID MACKENZIE, Brite des Jahrgangs 1966, fiel bei uns Anfang Dezember 2011 mit seinem ebenso intensiven wie sensiblen Katastrophen-Menschenfilm „Perfect Sense“ (s. Heimkino-KRITIK) nachhaltig auf. Hier vermag er, mit einem im Grunde „ausgelutschten Knast-Thema“ ein hochspannendes, exzellentes Gefängnis-Drama zu erzählen. Ohne Klischees oder „abgenutzte“ Helden. In ebensolchen Dumm-Posen. Ganz im Gegenteil. Indem er eine „richtige“ Klaustrophobie-Geschichte atmosphärisch aufzublättern versteht, dank ganz starker Darsteller mit packenden Charakter-Figuren aufwartet und dabei konzentriert wie plausibel mit roher Gewalt umzugehen weiß.

JACK O’CONNELL, schon als Punk in „This in England (2006) und als Typ Marky neben Michael Caine in „Harry Brown“ (2009) „äußerst unruhig“ beziehungsweise beunruhigend, erinnert als kompromissloser Eric an den jungen aufrührerischen Malcolm McDowell-Bastard Alex in „Uhrwerk Orange“. Jack O’Connell bietet eine erschreckend-überragende, elektrisierende Performance, die Sog-Wirkung besitzt. Beim gebannten Zuschauen unter der Kopf- und Bauch-Haut emotional hochkarätig vibriert. Einen für über 100 Minuten völlig = faszinierend vergessen lässt, es hier mit einer wahnsinnig-gut gespielten, schmerzhaften Fiktion namens KINO zu tun zu haben. Die viel authentischen Geschmack verstrahlt.

Sein Unruhe-Partner BEN MENDELSOHN als Neville berührt ebenso. In der Rolle des Vaters, dessen Autorität genauso ins Wanken gerät, weil sein Sohn nicht zu kontrollieren, zu beherrschen „geht“. Ben Mendelsohn („Killing Them Softly“) erinnert in den disziplinierten Ausbrüchen mit seiner furchterregenden Kälte-Präsenz an einen souveränen Marlon Brando-Daddy. Der es für unfassbar hält, jemals den Stempel als Total-Verlierer aufgedrückt zu bekommen.

Übrigens: Wie Kamera-As MICHAEL McDONOUGH in dieser Enge mit diesem phantastischen Ensemble eine solch sagenhaft-intensive, beklemmende Atmosphäre herzustellen versteht, erreicht alle Unterhaltungs-Achtung!

Mit „Mauern der Gewalt“ besitzt unser Heim-Kino einen Qualitäts-Kracher. Ein Hochkaräter in Themen-Sachen Gitter-Drama und Menschen-Beziehung. Bei einem Kino-Start hätte es 4 ½ PÖNIs gegeben.

Anbieter: „Ascot Elite Home Entertainment“

 

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