MAMAN UND ICH

MAMAN UND ICH“ von Guillaume Gallienne (B + R; Fr/Belgien 2012/2013; K: Glynn Speeckaert; M: Marie-Jeanne Sereno; 85 Minuten; Start D: 05.06.2014); da wirst du nun aus dem Bauch der Frau herausgepresst, bist auf der Welt und hast sofort Angst. Brüllst empört herum, was aber nicht hilft, ein Zurück gibt es nicht mehr. Du bist also auf der Welt. Mit deiner Angst. Und musst bald lernen, mit ihr umzugehen und sie irgendwie zu überwinden. Sonst wird das nichts Dolles, also DAS mit dem glücklichen Leben.

Der neue französische Komödien-Hit enthält viel von ihm. SEHR viel: GUILLAUME GALLIENE, geboren am 8. Februar 1972 in Neuilly-sur-Seine, ist ein französischer Autor, Komiker, Schauspieler und Regisseur. Er ist Mitglied der „Comédie Francaise“. Bei uns ist er weniger bekannt, in Filmen wie „Asterix & Obelix – Im Auftrag Ihrer Majestät“ oder „Das Konzert“ oder „Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran“ trat er eher „unauffällig“ auf. Nebenbei. Nun aber hat seine große Darstellerstunde geschlagen: Erst mit seinem selbstironischen, autobiographisch gefärbten Roman, der 2009 in Frankreich zum Verkaufsschlager wurde, dann – ein Jahr darauf – mit seinem umjubelten gleichnamigen Bühnenstück „Les Garcons et Guillaume à tablle!“, also „Jungs und Guillaume, zu Tisch!“ (so lautet auch der originale Filmtitel), danach mit der filmischen Adaption. Die in Frankreich von bislang mehr als 2 Millionen Kinobesuchern gesehen wurde und bei der diesjährigen „César“-Vergabe mit zehn Nominierungen und fünf Trophäen (darunter „Bester Film“; „Bester Hauptdarsteller“) gründlich abräumte.

Guillaume als Guillaume. Man zählt zur oberen gutbürgerlichen französischen Gesellschaftsschicht. Die temperamentvolle Mutter (auch: GUILLAUME GALLIENNE), die aus Spanien stammt, der konservative Vater, drei Jungs. Zwei „normal“, Guillaume offensichtlich feminin. Also schwul. Jedenfalls wird er von seiner Maman „so“ behandelt (siehe auch Originaltitel). Weil sie doch so gerne als drittes Kind ein Mädchen bekommen hätte. Und also „seit jeher“ auf Guillaume „entsprechend“ fixiert ist. Während ER brav und folgsam folgt. Handelt. Weil er seine Mutter so verehrt. Und alles „richtig“ machen, ihr ständig gefallen will. Also ahmt er sie nach, in Bewegung und Stimme. Ist zufrieden, wenn sie ihn von Sport und „solchen Aktivitäten“ fernhält und lieber zum Flamenco-Unterricht schickt. Wo er natürlich umgehend den weiblichen Part trainiert.

Guillaume verkleidet sich gerne Zuhause als Kaiserin Sissi, was den (offensichtlich begriffsstutzigen) Vater zunehmend irritiert, landet schließlich auf einem englischen Internat, wo er sich „regelkonform“, aber unerwidert in einen Mitschüler verliebt. Ein Qual-Kur-Aufenthalt in den bayerischen Bergen sowie das – vor allem sprachlich „komplizierte“ Musterungsprozedere beim Militär sorgen schließlich für den – unerwarteten – Umschwung. In „Maman und Ich“ wird die Identitätskrise mal „andersherum“ erzählt. Ausgereizt. Mit einem verblüffenden, überraschenden Coming Out-Finale.

Guillaume Gallienne hat ganz SCHÖN zu tun, wenn er als „Maman und Ich“ sich gegenseitig „attackiert“. Um letztlich festzustellen, dass er eine starke Angst vor Pferden hat. Und die überwinden muss. Was aber gar nichts im Vergleich zur ewig dominanten und “seit der Geburt“ schlecht gelaunten (attraktiven) Mutter ist. Alles klar? Egal. Zum Mögen egal.

„Maman und Ich“ ist ein köstlicher Schelmenstreich. Ohne Haudrauf-Klamauk, sondern zum verblüffenden Schmunzeln. Über so viel konsequenten Geschlechter-Humor. Über das Grübeln und Suchen sexueller Identität. Mit hübschen Fußnoten: Wenn die Psychoanalyse vergeblich klingelt. Ein Mensch als naiver Narr. Der lange schmerzvoll wie süffisant „ackert“, um zu begreifen, dass es an der (Alters-)Zeit ist, endlich seine Ängste zu überwinden. Ohne faule Arrangements und ewigem Verstellen. Müssen. Es gilt, die häuslich geprägten Vorgaben in sich zu anzugehen. Zweifel zu überwinden. Diese geschlechtliche Verunsicherung zu entwirren. Bin ich nun Homo? Oder wer? Was eigenwillig wie ironisch stimmungsvoll aufzuklären sein wird. Formidabel überspitzt wie sprach- wie bewegungsspaßig augenzwinkernd-lächelnd. Mit typisch französischem Esprit halt.

GUILLAUME GALLIENNE als Mutter & Söhnchen bietet eine charmante Performance. Sein Debütfilm ist die köstliche Begegnung, das außergewöhnliche Kennenlernen mit einem originellen französischen Clown. Dessen pointierte Travestie sich als ein sympathisch gallisches Komödien-Schmankerl offenbart (= 3 ½ PÖNIs).

 

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