LONE RANGER

PÖNIs: (3/5)

„LONE RANGER“ von Gore Verbinski (USA 2011/2012; B: Justin Haythe, Ted Elliott, Terry Rossio, Eric Aronson; K: Bojan Bazelli, M: Hans Zimmer; 149 Minuten; deutscher Kino-Start: 08.08.2013); große Empörung: denn ER ist der wohl dümmlichste, penetranteste, aufdringlichste, unappetitlichste Film-Held aller Zeiten – dieser Armand Douglas „ARMIE“ HAMMER aus Los Angeles, der am 28. August diesen Jahres 27 wird. Und hier seinen peinlichsten Auftritt überhaupt abliefert. Als dämlicher Titelnaiv-Held, dem man ständig wünscht, dass ihn der Oberschurke doch gleich endlich erlösen, sprich erschießen möge. Doch wir müssen mit DEM lange, sehr lange, durchhalten. Leider. Was für eine ausgemachte Unterhaltungsschande! Gleich mal gesagt.

An seiner Seite taucht der gerade (am 9. Juni) 50 Jahre alt gewordene „ewige Pirat“ JOHNNY DEPP („Fluch der Karibik“) mit blasser, grimmiger, lakonischer wie extravaganter Indianer-Maske auf; mit einem toten Raben auf dem Kopf sowie herumgrummelnd mit seinen obligatorischen, also sarkastischen Ulk-„Pirates“-Sprüchen. Beziehungsweise „Piraten“-Bemerkungen. Um diese 250 Millionen Dollar teure „Piraten“-Westernnummer als kuddelmuddelartige Zirkus-Show führend mitdurchzuziehen.

Zuerst tauchte er Ende Januar 1933 in einer Radiosendung aus Detroit auf. Der Lone Ranger. Der „einsame Hüter“. Bis zum 3. September 1954 wurden 2.956 Episoden „drüben“ ausgestrahlt. Von diesem Hörfunk-Helden. Der im alten amerikanischen Weste(r)n die Bösen jagte. Für Recht und Ordnung sorgte. Unterstützt von seinem loyalen indianischen Kumpel Tonto. Und dessen Superpferd Scout. Zwischen 1949 und 1957 jagte der „Lone Ranger“ dann auch in einer populären US-TV-Serie 221 Mal Banditen. Drei Hollywood-Spielfilme aus den Jahren 1956 („Der weiße Reiter“), 1958 („Der Held mit der Maske“) sowie von 1980 („The Legend of Lone Ranger“ von William A. Fraker; mit dem „einmaligen“ Klinton Spilsbury/= 3 „Goldene Himbeeren“) runden das amerikanische Fieber um diesen Maskenmann ab. DER nun von DISNEY lieblich-brutal reaktiviert wurde. Dabei plündert der 48-jährige Regisseur GORE VERBINSKI, der mit Johnny Depp bereits die drei Piraten-Filme zum Big Business entwickelte, die Genrefilmgeschichte. Es werden benutzt und zitierend verheizt: Bud Spencer/Terence Hill; ZORRO; die Sergio Leone-Klassiker „Für ein paar Dollar mehr“ (die klingende Taschenuhr), „Zwei glorreiche Halunken“ und „Spiel mir das Lied vom Tod“; das Arthur Penn-Meisterwerk „Little Big Man“ (mit Dustin Hoffman) sowie die stoische Buster Keaton-Mimik von Depp-Tonto. Dies alles ‘rein in den Eintopf, kräftig gerührt und fertig ist das Western-Gangster-Märchen-Brutalo-Humor-Kapitalismus-Ding. Mit dazu einer winzigen Prise Romantik. Oder umgekehrt.

In herrlichster, klassischer Hollywood-Weste(r)n-Landschaft gedreht, wo man bedauert, dass diese wunderschöne Region durch die Menschen nun so „beschädigt“ wird. Verschandelt werden muss. Weil wieder einmal GEWINN winkt. GELD. Nicht durch Gold, sondern diesmal durch Silber. Viel wertvollem Silbervorkommen. Das sich auf Indianer-Territorium befindet. Was aber den brutalen Saukerl Butch Cavendish (WILLIAM FICHTNER) nicht daran hindert, es sich mit seinen dreckigen Handlangern brutalstmöglichst aneignen zu wollen. Und natürlich, es ist die Zeit der beginnenden Industrialisierung. Sprich, die Eisenbahn drängt in und durch das unberührte Land. Wobei dessen korrupt-listiger Ober-Boss Latham Cole (TOM WILKINSON) sich bereits wie ein gieriger Manager von heute aufführt. Dem Riesen-Bonus und Eigennutz über alles geht. Also hat er auch schon das Militär „gekauft“, stellvertretend dessen tumben Uniformanführer Captain Jay Fuller (BARRY PEPPER). Motto: mit Gewalt Macht schaffen. Herrschaftspositionen einnehmen. Und den Pöbel vernichten. Was nun den rechtschaffenden, in Wirklichkeit aber grottennaiven Anwalt John Reid hier auf den Plan ruft. Der glaubt tatsächlich, kraft seines Amtes, seiner (lächerlichen) Autorität, das Gerechtigkeitssagen zu haben. Bis er so viel auf die Fresse kriegt, dass er sich eine Augenmaske aufsetzt, um zum „Lone Ranger“ mit weißem Texas-Hut und Augenmaske zu mutieren. Wie eingangs gesagt – dieser Armie Hammer macht seinem Namen wirklich alle Ehre. Selten trat eine Heldenfigur so blöd auf. Und herum. Grässlich langweilend. Aber weil der Johnny an seiner Depp-Seite den Selbigen so konstant (bekannt) despektierlich-listig gibt, bleibt dessen peinlicher Dauerauftritt „nur halb“ unangenehm. Und „versendet“ sich im Verlaufe der Geschichte. Die mit scheußlicher Gewalt dann ebenso hantiert wie mit lustigen Zwischennummern: siehe HELENA BONHAM CARTER als herrlich kesse, frivole einbeinige Bordell-Chefin, die mit dem Absatz ihres Porzellanbeins vortrefflich zu schießen versteht.

„Lone Ranger“ ist über weite Strecken eine nie stimmige, selten vollends schmeckende Mixtur aus wieder verwendetem Genre-Gebräu, pointierten Wortgefechten und actionreichen Anspielungen auf Gott, also Glauben, also Vertrauen, Recht und den schön-schäbigen, schmutzigen Kapitalismus. Der vieles zerstört. Aber eben nicht alles. Und alle. Denn es wird hier auch „wiedergeboren“. Und sogleich weitergemacht. Sozusagen mit Karacho der Neuanfang. Das schöne Land darf doch nicht dermaßen dauerbeschmutzt werden. Ranger sei Dank. Und natürlich diesem exzentrischen Tonto. Mit seinem prächtigen wie außerordentlich intelligenten Schimmelgaul. Der jedenfalls klüger ist als dieser Trottel von Ranger.

Bis hierher – wegen des optischen Blickfangs, dieser grandiosen spektakulären Landschaften (im Monument Valley), wegen viel zu rüder und beliebig zerfließender Showabenteuer und vor allem wegen diesem grottenschlechten Haupthansel und diesem manierierten Zweithelden vom Piratenschiff ein eher Unentschieden-Film. Ohne homogenen Rhythmus, der in Sachen Szenerie nur verwirrende wie blässliche Spannungsspuren hinterlässt. Gore Verbinski verliert viel zu oft die Figurenfäden. Wirkt uneben in dem aufgeplusterten Eintopf aus Action, Klamauk, Drama, also Politik, und Sinn-Spaß.

Dann aber explodiert der Film. Auf einmal. In der letzten Dreiviertelstunde. Wird zu einem bombastischen Augenberserker. Motto: nur noch DIESE Motive, keine unnötige (An-)Sprache mehr. Der Ranger verzieht sich hinein ins Ensemble, stört nicht mehr so lächerlich-unreif „vorne, an der Front“, denn jetzt tobt sich DAS BILD wunderbar tollwütig prachtvoll aus: Es beginnt eine rasante Musikalität in Bild UND Ton. Rossinis schmissige „Wilhelm Tell“-Klänge, schon in der damaligen TV-Serie verwandt, bilden den stimmungsvollen Puffer für eine ausufernde phantastische Action- und überhaupt furiose Bewegungschoreographie. Die wirklich sensationell „hysterisch“ arrangiert ist und toll auf die Augen zielt. In und auf Zügen angesiedelt ist, auf dem Rücken der Pferde hantiert, mit allen Figuren in rasanten letzten Positionen, mit sagenhaften Effekten, spannenden, sinnlichen circensischen Arrangements. Hier vereinen sich Kamera, Schnitt, musikalischer Taumel zu einem hippen Erlebniskino, das prächtig Emotionen rockt. Das genaue Gegenteil zum „Davor“, wo die Zusammenmischung aus „liebem (DISNEY-)Kinderchenfilm“, Western-Ironie und extremen Bluttaten enorm wie bisweilen eklig überfrachtet daherkommt.

„LONE RANGER“ ist ein ganz und gar uneinheitlicher aufwändiger Hollywood-Unterhaltungsradau, der leider nur in der letzten Unterhaltungsdreiviertelstunde enorm temperamentvoll, phantasievoll brillant ausufernd funktioniert, also kinolike-mächtig imponiert (= 3 PÖNIs).

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